ich den Stand der Unschuld, und den Fall des ersten Menschen leugne. Gleichwie ich mich aber deutlich genug erkläret habe, daß meine Absicht nicht sey, das, was unsere Kirche aus der Schrift davon lehret, in Zweifel zu ziehen; So hofe ich, daß recht- schafene Gottesgelehrte, welche die Blind- heit und das Verderben der Vernunft ge- bührend einsehen, und wissen, wie nöthig es sey, dieselbe unter dem Glauben gefan- gen zu nehmen, sich an meiner Schrift nicht ärgern werden. Sollten sich, wie es zu diesen Demonstrativischen Zeiten leicht seyn kan, sonst einige finden, die es mir verargen, daß ich die schöne Harmonie nicht einsehe welche sie sich zwischen Vernunft und Ofen- barung eingeführet zu haben einbilden; So bitte ich diese Herren, zu bedencken, daß die- se hohe Einsicht nicht jedermans Ding sey, so wenig als der Glaube. Jch rühme mich keiner Philosophie, durch welche ich auch die Tiefe der Gottheit ergründen könnte, und will lieber mit unsern reinesten Gottes- gelehrten nicht sehen, und doch glauben, als, diesen philosophischen Christen zu gefallen, sagen, daß ich sehe, was ich doch nicht sehe.
Jch schäme mich dieser Aufführung um so viel weniger, weil der Hr. Probst Rein-
beck
(o)
ich den Stand der Unſchuld, und den Fall des erſten Menſchen leugne. Gleichwie ich mich aber deutlich genug erklaͤret habe, daß meine Abſicht nicht ſey, das, was unſere Kirche aus der Schrift davon lehret, in Zweifel zu ziehen; So hofe ich, daß recht- ſchafene Gottesgelehrte, welche die Blind- heit und das Verderben der Vernunft ge- buͤhrend einſehen, und wiſſen, wie noͤthig es ſey, dieſelbe unter dem Glauben gefan- gen zu nehmen, ſich an meiner Schrift nicht aͤrgern werden. Sollten ſich, wie es zu dieſen Demonſtrativiſchen Zeiten leicht ſeyn kan, ſonſt einige finden, die es mir verargen, daß ich die ſchoͤne Harmonie nicht einſehe welche ſie ſich zwiſchen Vernunft und Ofen- barung eingefuͤhret zu haben einbilden; So bitte ich dieſe Herren, zu bedencken, daß die- ſe hohe Einſicht nicht jedermans Ding ſey, ſo wenig als der Glaube. Jch ruͤhme mich keiner Philoſophie, durch welche ich auch die Tiefe der Gottheit ergruͤnden koͤnnte, und will lieber mit unſern reineſten Gottes- gelehrten nicht ſehen, und doch glauben, als, dieſen philoſophiſchen Chriſten zu gefallen, ſagen, daß ich ſehe, was ich doch nicht ſehe.
Jch ſchaͤme mich dieſer Auffuͤhrung um ſo viel weniger, weil der Hr. Probſt Rein-
beck
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(o)
ich den Stand der Unſchuld, und den Fall
des erſten Menſchen leugne. Gleichwie ich
mich aber deutlich genug erklaͤret habe, daß
meine Abſicht nicht ſey, das, was unſere
Kirche aus der Schrift davon lehret, in
Zweifel zu ziehen; So hofe ich, daß recht-
ſchafene Gottesgelehrte, welche die Blind-
heit und das Verderben der Vernunft ge-
buͤhrend einſehen, und wiſſen, wie noͤthig
es ſey, dieſelbe unter dem Glauben gefan-
gen zu nehmen, ſich an meiner Schrift nicht
aͤrgern werden. Sollten ſich, wie es zu
dieſen Demonſtrativiſchen Zeiten leicht ſeyn
kan, ſonſt einige finden, die es mir verargen,
daß ich die ſchoͤne Harmonie nicht einſehe
welche ſie ſich zwiſchen Vernunft und Ofen-
barung eingefuͤhret zu haben einbilden; So
bitte ich dieſe Herren, zu bedencken, daß die-
ſe hohe Einſicht nicht jedermans Ding ſey,
ſo wenig als der Glaube. Jch ruͤhme mich
keiner Philoſophie, durch welche ich auch
die Tiefe der Gottheit ergruͤnden koͤnnte,
und will lieber mit unſern reineſten Gottes-
gelehrten nicht ſehen, und doch glauben, als,
dieſen philoſophiſchen Chriſten zu gefallen,
ſagen, daß ich ſehe, was ich doch nicht ſehe.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/679>, abgerufen am 22.11.2024.
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