fall vorgegangen, und daß alles, was Mo- ses von der Herrschaft des Menschen über die Thiere sagt, der Vernunft gemäß sey. Allein er wird mir erlauben, ihn zu sagen, daß er der Vernunft gar zu viel Ehre erwei- set. Sie ist so viel ich sie kenne, nicht im Stande, aus eigenen Kräften, zur Erkännt- niß dieser wichtigen Wahrheiten zu gelan- gen: ja sie ist gar so blind und verkehrt, daß ihr diese Wahrheiten, wenn man sie ihr aus der Ofenbahrung vorträgt, gantz un- wahrscheinlich vorkommen.
Sie siehet wohl, daß die Menschen, durch ihre unordentlichen Begierden, sich selbst und andern schaden; Aber sie hält die- se Unvollkommenheit des Menschen vor ei- ne Frucht der nothwendigen, und an sich un- schuldigen Neigungen, die ihm von der Na- tur zu seiner Erhaltung eingepreget sind, und vor eine gantz natürliche Folge seiner Einschränkung (4). Sie siehet also das, was Herr Reinbeck ein Verderben nennet, als ein Ungemach an, wieder welches man
sich,
(4)S. dieXXIIIteBetrachtung §. 18. woselbst Hr. Reinbeck aus der nothwendigen Einschränkung einer Creatur sehr gründlich beweiset, daß es GOtt un- möglich gewesen sey, den Menschen so zu erschaffen, daß er nicht sündigen können. Man siehet leicht, was daraus folget.
(o)
fall vorgegangen, und daß alles, was Mo- ſes von der Herrſchaft des Menſchen uͤber die Thiere ſagt, der Vernunft gemaͤß ſey. Allein er wird mir erlauben, ihn zu ſagen, daß er der Vernunft gar zu viel Ehre erwei- ſet. Sie iſt ſo viel ich ſie kenne, nicht im Stande, aus eigenen Kraͤften, zur Erkaͤnnt- niß dieſer wichtigen Wahrheiten zu gelan- gen: ja ſie iſt gar ſo blind und verkehrt, daß ihr dieſe Wahrheiten, wenn man ſie ihr aus der Ofenbahrung vortraͤgt, gantz un- wahrſcheinlich vorkommen.
Sie ſiehet wohl, daß die Menſchen, durch ihre unordentlichen Begierden, ſich ſelbſt und andern ſchaden; Aber ſie haͤlt die- ſe Unvollkommenheit des Menſchen vor ei- ne Frucht der nothwendigen, und an ſich un- ſchuldigen Neigungen, die ihm von der Na- tur zu ſeiner Erhaltung eingepreget ſind, und vor eine gantz natuͤrliche Folge ſeiner Einſchraͤnkung (4). Sie ſiehet alſo das, was Herr Reinbeck ein Verderben nennet, als ein Ungemach an, wieder welches man
ſich,
(4)S. dieXXIIIteBetrachtung §. 18. woſelbſt Hr. Reinbeck aus der nothwendigen Einſchraͤnkung einer Creatur ſehr gruͤndlich beweiſet, daß es GOtt un- moͤglich geweſen ſey, den Menſchen ſo zu erſchaffen, daß er nicht ſuͤndigen koͤnnen. Man ſiehet leicht, was daraus folget.
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(o)
fall vorgegangen, und daß alles, was Mo-
ſes von der Herrſchaft des Menſchen uͤber
die Thiere ſagt, der Vernunft gemaͤß ſey.
Allein er wird mir erlauben, ihn zu ſagen,
daß er der Vernunft gar zu viel Ehre erwei-
ſet. Sie iſt ſo viel ich ſie kenne, nicht im
Stande, aus eigenen Kraͤften, zur Erkaͤnnt-
niß dieſer wichtigen Wahrheiten zu gelan-
gen: ja ſie iſt gar ſo blind und verkehrt, daß
ihr dieſe Wahrheiten, wenn man ſie ihr
aus der Ofenbahrung vortraͤgt, gantz un-
wahrſcheinlich vorkommen.
Sie ſiehet wohl, daß die Menſchen,
durch ihre unordentlichen Begierden, ſich
ſelbſt und andern ſchaden; Aber ſie haͤlt die-
ſe Unvollkommenheit des Menſchen vor ei-
ne Frucht der nothwendigen, und an ſich un-
ſchuldigen Neigungen, die ihm von der Na-
tur zu ſeiner Erhaltung eingepreget ſind,
und vor eine gantz natuͤrliche Folge ſeiner
Einſchraͤnkung (4). Sie ſiehet alſo das,
was Herr Reinbeck ein Verderben nennet,
als ein Ungemach an, wieder welches man
ſich,
(4) S. die XXIIIte Betrachtung §. 18. woſelbſt Hr.
Reinbeck aus der nothwendigen Einſchraͤnkung einer
Creatur ſehr gruͤndlich beweiſet, daß es GOtt un-
moͤglich geweſen ſey, den Menſchen ſo zu erſchaffen,
daß er nicht ſuͤndigen koͤnnen. Man ſiehet leicht,
was daraus folget.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/681>, abgerufen am 22.11.2024.
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