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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
man aus der kurtzen Erzehlung Mosis zie-
het, nichts zu erinnern habe.

Er nimmt (7) die ofenbahr hyperboli-
sche Beschreibung die Jesaias in seinem
XIten Capitel von einer glückseeligen Zeit
machet, welche, wenn man seine Weissa-
gung nach dem Buchstaben verstehet, nie-
mahlen gewesen ist, noch seyn wird, in ei-
gentlichem Verstande, und findet darinn ei-
ne Abbildung des Standes der Unschuld,
und der Herrschaft des Menschen über die
Creaturen. Jch kan mir aber kaum ein-
bilden, daß er von der Vernunft verlan-
gen wird, eine Abbildung vor wahrschein-
lich zu halten, durch welche die erste Welt,
ohne alle Ursache, in ein Schlaraffen-Land
verwandelt wird. Jch will eben nicht sa-
gen, daß es schlechterdings unmöglich sey,
daß alle Thiere, wie diese wunderbare Ab-
bildung des Standes der Unschuld vor aus-
setzet und Hr. Reinbeck auch behauptet (8),
anfangs alle zahm gewesen: Allein eine
Sache wird dadurch nicht gleich glaubwür-
dig, daß sie nicht schlechterdings unmög-
lich ist. Die Mythologie ist voll von Din-
gen, die man nicht vor schlechterdings un-

mög-
(7) S. die XVI. Betracht. §. 21.
(8) l. c. §. 23.

(o)
man aus der kurtzen Erzehlung Moſis zie-
het, nichts zu erinnern habe.

Er nimmt (7) die ofenbahr hyperboli-
ſche Beſchreibung die Jeſaias in ſeinem
XIten Capitel von einer gluͤckſeeligen Zeit
machet, welche, wenn man ſeine Weiſſa-
gung nach dem Buchſtaben verſtehet, nie-
mahlen geweſen iſt, noch ſeyn wird, in ei-
gentlichem Verſtande, und findet darinn ei-
ne Abbildung des Standes der Unſchuld,
und der Herrſchaft des Menſchen uͤber die
Creaturen. Jch kan mir aber kaum ein-
bilden, daß er von der Vernunft verlan-
gen wird, eine Abbildung vor wahrſchein-
lich zu halten, durch welche die erſte Welt,
ohne alle Urſache, in ein Schlaraffen-Land
verwandelt wird. Jch will eben nicht ſa-
gen, daß es ſchlechterdings unmoͤglich ſey,
daß alle Thiere, wie dieſe wunderbare Ab-
bildung des Standes der Unſchuld vor aus-
ſetzet und Hr. Reinbeck auch behauptet (8),
anfangs alle zahm geweſen: Allein eine
Sache wird dadurch nicht gleich glaubwuͤr-
dig, daß ſie nicht ſchlechterdings unmoͤg-
lich iſt. Die Mythologie iſt voll von Din-
gen, die man nicht vor ſchlechterdings un-

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(7) S. die XVI. Betracht. §. 21.
(8) l. c. §. 23.
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[600/0692] (o) man aus der kurtzen Erzehlung Moſis zie- het, nichts zu erinnern habe. Er nimmt (7) die ofenbahr hyperboli- ſche Beſchreibung die Jeſaias in ſeinem XIten Capitel von einer gluͤckſeeligen Zeit machet, welche, wenn man ſeine Weiſſa- gung nach dem Buchſtaben verſtehet, nie- mahlen geweſen iſt, noch ſeyn wird, in ei- gentlichem Verſtande, und findet darinn ei- ne Abbildung des Standes der Unſchuld, und der Herrſchaft des Menſchen uͤber die Creaturen. Jch kan mir aber kaum ein- bilden, daß er von der Vernunft verlan- gen wird, eine Abbildung vor wahrſchein- lich zu halten, durch welche die erſte Welt, ohne alle Urſache, in ein Schlaraffen-Land verwandelt wird. Jch will eben nicht ſa- gen, daß es ſchlechterdings unmoͤglich ſey, daß alle Thiere, wie dieſe wunderbare Ab- bildung des Standes der Unſchuld vor aus- ſetzet und Hr. Reinbeck auch behauptet (8), anfangs alle zahm geweſen: Allein eine Sache wird dadurch nicht gleich glaubwuͤr- dig, daß ſie nicht ſchlechterdings unmoͤg- lich iſt. Die Mythologie iſt voll von Din- gen, die man nicht vor ſchlechterdings un- moͤg- (7) S. die XVI. Betracht. §. 21. (8) l. c. §. 23.

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/692>, abgerufen am 22.11.2024.