und sie so lächerlich zu machen, als sie es verdienen. Aber man muß wahrlich, um dieses zu glauben einen wunderlichen Be- grif von der christlichen Liebe haben. Soll- te sie uns verbinden auch die Thorheiten un- sers Nechstens vor Weißheit zu halten, und einen elenden Scribenten, zum Verdruß aller ehrlichen Leute und zum Aergerniß der Schwachen, nach eigenem Belieben, un- gehindert schwärmen zu lassen? Man kan ja diesen Leuten seine Liebe nicht besser bezeu- gen, als wenn man sie zur Erkänntniß ih- res Elendes zu bringen sucht, und sie irren sich, wenn sie meinen, man hasse sie, wenn man ihnen die Wahrheit saget. Jch habe zum wenigsten meine Gegner, so ferne sie, Menschen sind, nicht gehasset; sondern al- lezeit den Scribenten von dem ehrlichen Manne sorgfältig unterschieden. Daß mich aber die christliche Liebe verbinden sollte, die Thorheiten dieser Leute mit dem Mantel der Liebe zuzudecken, die sie, als Weißheit, vor den Augen aller Welt auskramen, und mit welchen sie sich brüsten, das glaube ich nicht.
Eine solche Aufführung macht auch die elendesten und preßhaftesten Personen alles Mitleidens unwürdig. Wenn der Lah-
me
e 5
(o)
und ſie ſo laͤcherlich zu machen, als ſie es verdienen. Aber man muß wahrlich, um dieſes zu glauben einen wunderlichen Be- grif von der chriſtlichen Liebe haben. Soll- te ſie uns verbinden auch die Thorheiten un- ſers Nechſtens vor Weißheit zu halten, und einen elenden Scribenten, zum Verdruß aller ehrlichen Leute und zum Aergerniß der Schwachen, nach eigenem Belieben, un- gehindert ſchwaͤrmen zu laſſen? Man kan ja dieſen Leuten ſeine Liebe nicht beſſer bezeu- gen, als wenn man ſie zur Erkaͤnntniß ih- res Elendes zu bringen ſucht, und ſie irren ſich, wenn ſie meinen, man haſſe ſie, wenn man ihnen die Wahrheit ſaget. Jch habe zum wenigſten meine Gegner, ſo ferne ſie, Menſchen ſind, nicht gehaſſet; ſondern al- lezeit den Scribenten von dem ehrlichen Manne ſorgfaͤltig unterſchieden. Daß mich aber die chriſtliche Liebe verbinden ſollte, die Thorheiten dieſer Leute mit dem Mantel der Liebe zuzudecken, die ſie, als Weißheit, vor den Augen aller Welt auskramen, und mit welchen ſie ſich bruͤſten, das glaube ich nicht.
Eine ſolche Auffuͤhrung macht auch die elendeſten und preßhafteſten Perſonen alles Mitleidens unwuͤrdig. Wenn der Lah-
me
e 5
<TEI><text><front><divtype="preface"n="1"><p><pbfacs="#f0077"n="73"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
und ſie ſo laͤcherlich zu machen, als ſie es<lb/>
verdienen. Aber man muß wahrlich, um<lb/>
dieſes zu glauben einen wunderlichen Be-<lb/>
grif von der chriſtlichen Liebe haben. Soll-<lb/>
te ſie uns verbinden auch die Thorheiten un-<lb/>ſers Nechſtens vor Weißheit zu halten, und<lb/>
einen elenden Scribenten, zum Verdruß<lb/>
aller ehrlichen Leute und zum Aergerniß der<lb/>
Schwachen, nach eigenem Belieben, un-<lb/>
gehindert ſchwaͤrmen zu laſſen? Man kan<lb/>
ja dieſen Leuten ſeine Liebe nicht beſſer bezeu-<lb/>
gen, als wenn man ſie zur Erkaͤnntniß ih-<lb/>
res Elendes zu bringen ſucht, und ſie irren<lb/>ſich, wenn ſie meinen, man haſſe ſie, wenn<lb/>
man ihnen die Wahrheit ſaget. Jch habe<lb/>
zum wenigſten meine Gegner, ſo ferne ſie,<lb/>
Menſchen ſind, nicht gehaſſet; ſondern al-<lb/>
lezeit den Scribenten von dem ehrlichen<lb/>
Manne ſorgfaͤltig unterſchieden. Daß mich<lb/>
aber die chriſtliche Liebe verbinden ſollte, die<lb/>
Thorheiten dieſer Leute mit dem Mantel<lb/>
der Liebe zuzudecken, die ſie, als Weißheit,<lb/>
vor den Augen aller Welt auskramen, und<lb/>
mit welchen ſie ſich bruͤſten, das glaube ich<lb/>
nicht.</p><lb/><p>Eine ſolche Auffuͤhrung macht auch die<lb/>
elendeſten und preßhafteſten Perſonen alles<lb/>
Mitleidens unwuͤrdig. Wenn der Lah-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">e 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">me</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[73/0077]
(o)
und ſie ſo laͤcherlich zu machen, als ſie es
verdienen. Aber man muß wahrlich, um
dieſes zu glauben einen wunderlichen Be-
grif von der chriſtlichen Liebe haben. Soll-
te ſie uns verbinden auch die Thorheiten un-
ſers Nechſtens vor Weißheit zu halten, und
einen elenden Scribenten, zum Verdruß
aller ehrlichen Leute und zum Aergerniß der
Schwachen, nach eigenem Belieben, un-
gehindert ſchwaͤrmen zu laſſen? Man kan
ja dieſen Leuten ſeine Liebe nicht beſſer bezeu-
gen, als wenn man ſie zur Erkaͤnntniß ih-
res Elendes zu bringen ſucht, und ſie irren
ſich, wenn ſie meinen, man haſſe ſie, wenn
man ihnen die Wahrheit ſaget. Jch habe
zum wenigſten meine Gegner, ſo ferne ſie,
Menſchen ſind, nicht gehaſſet; ſondern al-
lezeit den Scribenten von dem ehrlichen
Manne ſorgfaͤltig unterſchieden. Daß mich
aber die chriſtliche Liebe verbinden ſollte, die
Thorheiten dieſer Leute mit dem Mantel
der Liebe zuzudecken, die ſie, als Weißheit,
vor den Augen aller Welt auskramen, und
mit welchen ſie ſich bruͤſten, das glaube ich
nicht.
Eine ſolche Auffuͤhrung macht auch die
elendeſten und preßhafteſten Perſonen alles
Mitleidens unwuͤrdig. Wenn der Lah-
me
e 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/77>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.