so, wie ich sage, eingerichtet; so hätte er denselben nicht an die Materie knüpfen, und den Menschen mit den Sinnen und der Einbildungs-Kraft begaben durfen. Folglich wäre der erste Mensch kein Mensch, sondern ein blosser Geist gewesen. Durch eine besondere Of- fenbahrung können auch die allgemeine Begrife in dem Menschen nicht entstanden seyn: Weil alle Ofen- bahrung eine Fähigkeit dieselbe zu verstehen, in demje- nigen, dem sie geschiehet, zum Grunde hat. Durch die Ofenbahrung allgemeiner Begrife kan ich aber in dem Verstande eines Menschen, der niemahlen eintzele Dinge gesehen, und betrachtet hat, nicht den gering- sten Begrif erwecken. Folglich würde eine solche Of- fenbahrung unnütze seyn; weil sie demjenigen, der da- durch unterrichtet werden soll, unverständlich. Glau- ben Ew. Hochwohlgeb., daß GOtt, durch seine All- macht, einem blind gebohrnen einen klaren und deut- lichen Begrif der Farben mittheilen könne? Jch den- cke es nicht: Oder Sie müssen auch glauben, GOtt könne machen, daß wir den Schall riechen, und durch das Gehör Teufels-Dreck von Ambra unterscheiden können.
Da es nun unbegreiflich ist, wie eine aus Geist und Materie bestehende Creatur, anders, als ietzo zu allge- meinen Begrifen gelangen könne; unbegreifliche Sä- tze aber in der Welt-Weißheit keinen Platz finden, es sey dann, daß die Erfahrung uns nöthige, eine Sache, die wir nicht begreifen, als wahr anzunehmen: So handelt der Hr. Prof. Manzel nicht, als ein Weltwei- ser, wann er in einer philosophischen Schrift einen un- begreiflichen Satz als eine unstreitige Wahrheit vor- aussetzet, von dessen Wahrheit er durch die Erfah- rung nicht übersühret ist.
II.
Z z 2
(o)
ſo, wie ich ſage, eingerichtet; ſo haͤtte er denſelben nicht an die Materie knuͤpfen, und den Menſchen mit den Sinnen und der Einbildungs-Kraft begaben durfen. Folglich waͤre der erſte Menſch kein Menſch, ſondern ein bloſſer Geiſt geweſen. Durch eine beſondere Of- fenbahrung koͤnnen auch die allgemeine Begrife in dem Menſchen nicht entſtanden ſeyn: Weil alle Ofen- bahrung eine Faͤhigkeit dieſelbe zu verſtehen, in demje- nigen, dem ſie geſchiehet, zum Grunde hat. Durch die Ofenbahrung allgemeiner Begrife kan ich aber in dem Veꝛſtande eines Menſchen, der niemahlen eintzele Dinge geſehen, und betrachtet hat, nicht den gering- ſten Begrif erwecken. Folglich wuͤrde eine ſolche Of- fenbahrung unnuͤtze ſeyn; weil ſie demjenigen, der da- durch unterrichtet werden ſoll, unverſtaͤndlich. Glau- ben Ew. Hochwohlgeb., daß GOtt, durch ſeine All- macht, einem blind gebohrnen einen klaren und deut- lichen Begrif der Farben mittheilen koͤnne? Jch den- cke es nicht: Oder Sie muͤſſen auch glauben, GOtt koͤnne machen, daß wir den Schall riechen, und durch das Gehoͤr Teufels-Dreck von Ambra unterſcheiden koͤnnen.
Da es nun unbegreiflich iſt, wie eine aus Geiſt und Materie beſtehende Creatur, anders, als ietzo zu allge- meinen Begrifen gelangen koͤnne; unbegreifliche Saͤ- tze aber in der Welt-Weißheit keinen Platz finden, es ſey dann, daß die Erfahrung uns noͤthige, eine Sache, die wir nicht begreifen, als wahr anzunehmen: So handelt der Hr. Prof. Manzel nicht, als ein Weltwei- ſer, wañ er in einer philoſophiſchen Schrift einen un- begreiflichen Satz als eine unſtreitige Wahrheit vor- ausſetzet, von deſſen Wahrheit er durch die Erfah- rung nicht uͤberſuͤhret iſt.
II.
Z z 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0815"n="723"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>ſo, wie ich ſage, eingerichtet; ſo haͤtte er denſelben nicht<lb/>
an die Materie knuͤpfen, und den Menſchen mit den<lb/>
Sinnen und der Einbildungs-Kraft begaben durfen.<lb/>
Folglich waͤre der erſte Menſch kein Menſch, ſondern<lb/>
ein bloſſer Geiſt geweſen. Durch eine beſondere Of-<lb/>
fenbahrung koͤnnen auch die allgemeine Begrife in<lb/>
dem Menſchen nicht entſtanden ſeyn: Weil alle Ofen-<lb/>
bahrung eine Faͤhigkeit dieſelbe zu verſtehen, in demje-<lb/>
nigen, dem ſie geſchiehet, zum Grunde hat. Durch die<lb/>
Ofenbahrung allgemeiner Begrife kan ich aber in<lb/>
dem Veꝛſtande eines Menſchen, der niemahlen eintzele<lb/>
Dinge geſehen, und betrachtet hat, nicht den gering-<lb/>ſten Begrif erwecken. Folglich wuͤrde eine ſolche Of-<lb/>
fenbahrung unnuͤtze ſeyn; weil ſie demjenigen, der da-<lb/>
durch unterrichtet werden ſoll, unverſtaͤndlich. Glau-<lb/>
ben Ew. Hochwohlgeb., daß GOtt, durch ſeine All-<lb/>
macht, einem blind gebohrnen einen klaren und deut-<lb/>
lichen Begrif der Farben mittheilen koͤnne? Jch den-<lb/>
cke es nicht: Oder Sie muͤſſen auch glauben, GOtt<lb/>
koͤnne machen, daß wir den Schall riechen, und durch<lb/>
das Gehoͤr Teufels-Dreck von Ambra unterſcheiden<lb/>
koͤnnen.</p><lb/><p>Da es nun unbegreiflich iſt, wie eine aus Geiſt und<lb/>
Materie beſtehende Creatur, anders, als ietzo zu allge-<lb/>
meinen Begrifen gelangen koͤnne; unbegreifliche Saͤ-<lb/>
tze aber in der Welt-Weißheit keinen Platz finden, es<lb/>ſey dann, daß die Erfahrung uns noͤthige, eine Sache,<lb/>
die wir nicht begreifen, als wahr anzunehmen: So<lb/>
handelt der Hr. Prof. Manzel nicht, als ein Weltwei-<lb/>ſer, wañ er in einer philoſophiſchen Schrift einen un-<lb/>
begreiflichen Satz als eine unſtreitige Wahrheit vor-<lb/>
ausſetzet, von deſſen Wahrheit er durch die Erfah-<lb/>
rung nicht uͤberſuͤhret iſt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z z 2</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">II.</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[723/0815]
(o)
ſo, wie ich ſage, eingerichtet; ſo haͤtte er denſelben nicht
an die Materie knuͤpfen, und den Menſchen mit den
Sinnen und der Einbildungs-Kraft begaben durfen.
Folglich waͤre der erſte Menſch kein Menſch, ſondern
ein bloſſer Geiſt geweſen. Durch eine beſondere Of-
fenbahrung koͤnnen auch die allgemeine Begrife in
dem Menſchen nicht entſtanden ſeyn: Weil alle Ofen-
bahrung eine Faͤhigkeit dieſelbe zu verſtehen, in demje-
nigen, dem ſie geſchiehet, zum Grunde hat. Durch die
Ofenbahrung allgemeiner Begrife kan ich aber in
dem Veꝛſtande eines Menſchen, der niemahlen eintzele
Dinge geſehen, und betrachtet hat, nicht den gering-
ſten Begrif erwecken. Folglich wuͤrde eine ſolche Of-
fenbahrung unnuͤtze ſeyn; weil ſie demjenigen, der da-
durch unterrichtet werden ſoll, unverſtaͤndlich. Glau-
ben Ew. Hochwohlgeb., daß GOtt, durch ſeine All-
macht, einem blind gebohrnen einen klaren und deut-
lichen Begrif der Farben mittheilen koͤnne? Jch den-
cke es nicht: Oder Sie muͤſſen auch glauben, GOtt
koͤnne machen, daß wir den Schall riechen, und durch
das Gehoͤr Teufels-Dreck von Ambra unterſcheiden
koͤnnen.
Da es nun unbegreiflich iſt, wie eine aus Geiſt und
Materie beſtehende Creatur, anders, als ietzo zu allge-
meinen Begrifen gelangen koͤnne; unbegreifliche Saͤ-
tze aber in der Welt-Weißheit keinen Platz finden, es
ſey dann, daß die Erfahrung uns noͤthige, eine Sache,
die wir nicht begreifen, als wahr anzunehmen: So
handelt der Hr. Prof. Manzel nicht, als ein Weltwei-
ſer, wañ er in einer philoſophiſchen Schrift einen un-
begreiflichen Satz als eine unſtreitige Wahrheit vor-
ausſetzet, von deſſen Wahrheit er durch die Erfah-
rung nicht uͤberſuͤhret iſt.
II.
Z z 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/815>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.