falls aber vergessen sie ihren König nicht: Sie werden dadurch nicht ungeschickter, aufs schärfste wieder die Ketzer zu disputiren. Es kan kommen daß ein Prie- ster, weil er etwan den Rausch noch nicht völlig aus- geschlafen hat, das unrechte Evangelium ablieset: A- ber niemahlen wird er völlig vergessen, welches Evan- gelium auf diesen und welches auf jenen Sonntag zu erklären verordnet ist. Ein Rechen-Meister kan sich voll saufen, und zu der Zeit, wann er besofen ist, die ärgsten Schnitzer machen. Aber er vergißt darum sein Einmahl eins nicht. Der erste Mensch aber hat durch den schädlichen Apfel-Biß auch die Wissen- schaft der Algebra, einer Weißheit, die auch in boß- hafte Seelen kömmt, verlohren. Wer es fassen mag, der fasse es.
Jch begreife nicht, wie dieses ohne ein Wunder- werck hat geschehen können. Darum aber möchte ich doch nicht sagen, daß der Verlust unserer aner- schafenen Weißheit eine Göttliche Strafe sey. Denn es ist nicht wahrscheinlich, daß GOTT dem gefalle- nen Menschen, dem er, wie grausam er sich auch stelle- te, dennoch immer ziemlich gewogen blieb, die Er- känntniß so vieler nützlichen Wahrheiten, ja die heil- samsten Begrife von der Gottheit selbst, ohne welche niemand glücklich werden kan, solte genommen ha- ben. Seine Gerechtigkeit erforderte Rache, und trieb ihn an den Menschen zu strafen: Aber seine Güte und Weißheit hieß ihn doch auch mit dieser Strafe mehr des Menschen Besserung, als dessen Verderben zu su- chen. Dieses aber wäre nicht geschehen, wenn GOtt den Menschen der vollkommnen Erkänntniß nützlicher und schädlicher Dinge, ja des Wesens und Willen
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falls aber vergeſſen ſie ihren Koͤnig nicht: Sie werden dadurch nicht ungeſchickter, aufs ſchaͤrfſte wieder die Ketzer zu diſputiren. Es kan kommen daß ein Prie- ſter, weil er etwan den Rauſch noch nicht voͤllig aus- geſchlafen hat, das unrechte Evangelium ablieſet: A- ber niemahlen wird er voͤllig vergeſſen, welches Evan- gelium auf dieſen und welches auf jenen Sonntag zu erklaͤren verordnet iſt. Ein Rechen-Meiſter kan ſich voll ſaufen, und zu der Zeit, wann er beſofen iſt, die aͤrgſten Schnitzer machen. Aber er vergißt darum ſein Einmahl eins nicht. Der erſte Menſch aber hat durch den ſchaͤdlichen Apfel-Biß auch die Wiſſen- ſchaft der Algebra, einer Weißheit, die auch in boß- hafte Seelen koͤmmt, verlohren. Wer es faſſen mag, der faſſe es.
Jch begreife nicht, wie dieſes ohne ein Wunder- werck hat geſchehen koͤnnen. Darum aber moͤchte ich doch nicht ſagen, daß der Verluſt unſerer aner- ſchafenen Weißheit eine Goͤttliche Strafe ſey. Denn es iſt nicht wahrſcheinlich, daß GOTT dem gefalle- nen Menſchen, dem er, wie grauſam er ſich auch ſtelle- te, dennoch immer ziemlich gewogen blieb, die Er- kaͤnntniß ſo vieler nuͤtzlichen Wahrheiten, ja die heil- ſamſten Begrife von der Gottheit ſelbſt, ohne welche niemand gluͤcklich werden kan, ſolte genommen ha- ben. Seine Gerechtigkeit erforderte Rache, und trieb ihn an den Menſchen zu ſtrafen: Aber ſeine Guͤte und Weißheit hieß ihn doch auch mit dieſer Strafe mehr des Menſchen Beſſerung, als deſſen Verderben zu ſu- chen. Dieſes aber waͤre nicht geſchehen, wenn GOtt den Menſchen der vollkom̃nen Erkaͤnntniß nuͤtzlicher und ſchaͤdlicher Dinge, ja des Weſens und Willen
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falls aber vergeſſen ſie ihren Koͤnig nicht: Sie werden
dadurch nicht ungeſchickter, aufs ſchaͤrfſte wieder die
Ketzer zu diſputiren. Es kan kommen daß ein Prie-
ſter, weil er etwan den Rauſch noch nicht voͤllig aus-
geſchlafen hat, das unrechte Evangelium ablieſet: A-
ber niemahlen wird er voͤllig vergeſſen, welches Evan-
gelium auf dieſen und welches auf jenen Sonntag zu
erklaͤren verordnet iſt. Ein Rechen-Meiſter kan ſich
voll ſaufen, und zu der Zeit, wann er beſofen iſt, die
aͤrgſten Schnitzer machen. Aber er vergißt darum
ſein Einmahl eins nicht. Der erſte Menſch aber hat
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ſchaft der Algebra, einer Weißheit, die auch in boß-
hafte Seelen koͤmmt, verlohren. Wer es faſſen mag,
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Jch begreife nicht, wie dieſes ohne ein Wunder-
werck hat geſchehen koͤnnen. Darum aber moͤchte
ich doch nicht ſagen, daß der Verluſt unſerer aner-
ſchafenen Weißheit eine Goͤttliche Strafe ſey. Denn
es iſt nicht wahrſcheinlich, daß GOTT dem gefalle-
nen Menſchen, dem er, wie grauſam er ſich auch ſtelle-
te, dennoch immer ziemlich gewogen blieb, die Er-
kaͤnntniß ſo vieler nuͤtzlichen Wahrheiten, ja die heil-
ſamſten Begrife von der Gottheit ſelbſt, ohne welche
niemand gluͤcklich werden kan, ſolte genommen ha-
ben. Seine Gerechtigkeit erforderte Rache, und trieb
ihn an den Menſchen zu ſtrafen: Aber ſeine Guͤte und
Weißheit hieß ihn doch auch mit dieſer Strafe mehr
des Menſchen Beſſerung, als deſſen Verderben zu ſu-
chen. Dieſes aber waͤre nicht geſchehen, wenn GOtt
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und ſchaͤdlicher Dinge, ja des Weſens und Willen
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 729. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/821>, abgerufen am 31.10.2024.
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