chen in einem sehr uneigentlichen Verstand nimmt. Jch bin der Meynung, daß dieser Beweiß, den er vor- giebt, eben so unmöglich, als es unmöglich ist, aus- zumachen, ob mehr Haare, oder mehr Augen in der Welt sind, und ob die Anzahl der Augen und Haare gerade oder ungerade sey?
Jch wolte also dem Hrn. Prof. wenn ich die Ehre hätte mit ihm bekannt zu seyn, unmaßgeblich rathen, sich nicht eine Last aufzulegen, die ihm zu schwer ist; sondern, wenn ihn jemand fragen solte, woher er dann beweisen wolle, daß GOtt die Männer und Weiber in gleicher Anzahl erschafen, aufrichtig zu antworten; es müsten eben so viel Männer, als Weiber anfäng- lich erschafen seyn, weil sonst die Vielweiberey im Stande der Unschuld Statt gehabt: dieses aber wol- le er nicht haben. Wenn er so antwortete, so würde es eine Unbescheidenheit seyn, ihn weiter zu ängstigen. Denn wer kan ihm das Recht streitig machen, sein Utopien so einzurichten, als er es gut findet?
Kraft eben dieses ihm unstreitig zustehenden Rechts hat er auch, wie er (§. 65.) thut, die Ehen unter Brü- dern und Schwestern in seinem Reiche verbieten kön- nen. Denn ich sehe auch diese Verordnung als einen Macht-Spruch an, der seinen Grund eintzig und al- lein in dem Willen des Gesetzgebers hat. Weil der Hr. Prof. Manzel von den Ehen zwischen Bruder und Schwester nichts wissen will, so richtet er seinen Stand der Unschuld so ein, daß diese Ehen unmöglich seyn müssen. Jch habe dawider nichts zu sagen: Doch kan ich Ew. Hochwohlg. nicht bergen, daß ich mir getraue die Möglichkeit dieser Ehen gar wohl zu beweisen, der Hr. Manzel mag auch seine Sachen noch so künstlich
ein-
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chen in einem ſehr uneigentlichen Verſtand nimmt. Jch bin der Meynung, daß dieſer Beweiß, den er vor- giebt, eben ſo unmoͤglich, als es unmoͤglich iſt, aus- zumachen, ob mehr Haare, oder mehr Augen in der Welt ſind, und ob die Anzahl der Augen und Haare gerade oder ungerade ſey?
Jch wolte alſo dem Hrn. Prof. wenn ich die Ehre haͤtte mit ihm bekannt zu ſeyn, unmaßgeblich rathen, ſich nicht eine Laſt aufzulegen, die ihm zu ſchwer iſt; ſondern, wenn ihn jemand fragen ſolte, woher er dann beweiſen wolle, daß GOtt die Maͤnner und Weiber in gleicher Anzahl erſchafen, aufrichtig zu antworten; es muͤſten eben ſo viel Maͤnner, als Weiber anfaͤng- lich erſchafen ſeyn, weil ſonſt die Vielweiberey im Stande der Unſchuld Statt gehabt: dieſes aber wol- le er nicht haben. Wenn er ſo antwortete, ſo wuͤrde es eine Unbeſcheidenheit ſeyn, ihn weiter zu aͤngſtigen. Denn wer kan ihm das Recht ſtreitig machen, ſein Utopien ſo einzurichten, als er es gut findet?
Kraft eben dieſes ihm unſtreitig zuſtehenden Rechts hat er auch, wie er (§. 65.) thut, die Ehen unter Bruͤ- dern und Schweſtern in ſeinem Reiche verbieten koͤn- nen. Denn ich ſehe auch dieſe Verordnung als einen Macht-Spruch an, der ſeinen Grund eintzig und al- lein in dem Willen des Geſetzgebers hat. Weil der Hr. Prof. Manzel von den Ehen zwiſchen Bruder und Schweſter nichts wiſſen will, ſo richtet er ſeinẽ Stand der Unſchuld ſo ein, daß dieſe Ehen unmoͤglich ſeyn muͤſſen. Jch habe dawider nichts zu ſagen: Doch kan ich Ew. Hochwohlg. nicht bergen, daß ich mir getraue die Moͤglichkeit dieſer Ehen gar wohl zu beweiſen, der Hr. Manzel mag auch ſeine Sachen noch ſo kuͤnſtlich
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chen in einem ſehr uneigentlichen Verſtand nimmt.
Jch bin der Meynung, daß dieſer Beweiß, den er vor-
giebt, eben ſo unmoͤglich, als es unmoͤglich iſt, aus-
zumachen, ob mehr Haare, oder mehr Augen in der
Welt ſind, und ob die Anzahl der Augen und Haare
gerade oder ungerade ſey?
Jch wolte alſo dem Hrn. Prof. wenn ich die Ehre
haͤtte mit ihm bekannt zu ſeyn, unmaßgeblich rathen,
ſich nicht eine Laſt aufzulegen, die ihm zu ſchwer iſt;
ſondern, wenn ihn jemand fragen ſolte, woher er dann
beweiſen wolle, daß GOtt die Maͤnner und Weiber
in gleicher Anzahl erſchafen, aufrichtig zu antworten;
es muͤſten eben ſo viel Maͤnner, als Weiber anfaͤng-
lich erſchafen ſeyn, weil ſonſt die Vielweiberey im
Stande der Unſchuld Statt gehabt: dieſes aber wol-
le er nicht haben. Wenn er ſo antwortete, ſo wuͤrde es
eine Unbeſcheidenheit ſeyn, ihn weiter zu aͤngſtigen.
Denn wer kan ihm das Recht ſtreitig machen, ſein
Utopien ſo einzurichten, als er es gut findet?
Kraft eben dieſes ihm unſtreitig zuſtehenden Rechts
hat er auch, wie er (§. 65.) thut, die Ehen unter Bruͤ-
dern und Schweſtern in ſeinem Reiche verbieten koͤn-
nen. Denn ich ſehe auch dieſe Verordnung als einen
Macht-Spruch an, der ſeinen Grund eintzig und al-
lein in dem Willen des Geſetzgebers hat. Weil der
Hr. Prof. Manzel von den Ehen zwiſchen Bruder und
Schweſter nichts wiſſen will, ſo richtet er ſeinẽ Stand
der Unſchuld ſo ein, daß dieſe Ehen unmoͤglich ſeyn
muͤſſen. Jch habe dawider nichts zu ſagen: Doch kan
ich Ew. Hochwohlg. nicht bergen, daß ich mir getraue
die Moͤglichkeit dieſer Ehen gar wohl zu beweiſen, der
Hr. Manzel mag auch ſeine Sachen noch ſo kuͤnſtlich
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 763. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/855>, abgerufen am 23.11.2024.
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