Der andere ist ein elender Schulmeister, den niemand kennen würde, wenn ich ihn gleich mit Nahmen nennete: Ein Mensch von so erstaunender Unwissenheit, daß er auch die Knaben in seiner eige- nen Classe, welche von unten auf die erste ist, in diesem Stücke übertrift. Dieser ehrliche Mann hat lästerlich auf mich gescholten, und endlich gar ge- drohet, er wolle wieder mich schreiben.
Qvaenam te mala mens, miselle Ravidi, Agit praecipitem in meos jambos? Quis Deus tibi non bene advocatus Vecordem parat excitare ripam(15)?
Aber sein Schelten rührt mich so wenig, als sein Drohen. Er schreibe wider mich, wenn er es vor gut findet. Dieses ist das ärgste, was ich ihm wünschen könnte, wenn ich noch so rachgierig wäre. Doch muß er wissen, daß ich ihm nim- mer antworten werde.
Allatres licet usque nos & usque Et gannitibus improbis lacessas. Certum est, hanc tibi pernegare famam, Olim quam petis in meis libellis, Qvaliscunque legaris ut per orbem. Nam te cur aliquis sciat fuisse? Jgnotus pereas, miser, necesse est(16).
Wenn er sich diese Verse von einem guten Freun- de erklären lässet, so wird er erfahren, wessen er sich
zu
(15)Catullus Ep. 37.
(16)Martiab. Lib. V. Ep. 81.
f 2
(o)
Der andere iſt ein elender Schulmeiſter, den niemand kennen wuͤrde, wenn ich ihn gleich mit Nahmen nennete: Ein Menſch von ſo erſtaunender Unwiſſenheit, daß er auch die Knaben in ſeiner eige- nen Claſſe, welche von unten auf die erſte iſt, in dieſem Stuͤcke uͤbertrift. Dieſer ehrliche Mann hat laͤſterlich auf mich geſcholten, und endlich gar ge- drohet, er wolle wieder mich ſchreiben.
Qvænam te mala mens, miſelle Ravidi, Agit præcipitem in meos jambos? Quis Deus tibi non bene advocatus Vecordem parat excitare ripam(15)?
Aber ſein Schelten ruͤhrt mich ſo wenig, als ſein Drohen. Er ſchreibe wider mich, wenn er es vor gut findet. Dieſes iſt das aͤrgſte, was ich ihm wuͤnſchen koͤnnte, wenn ich noch ſo rachgierig waͤre. Doch muß er wiſſen, daß ich ihm nim- mer antworten werde.
Allatres licet usque nos & usque Et gannitibus improbis laceſſas. Certum eſt, hanc tibi pernegare famam, Olim quam petis in meis libellis, Qvaliſcunque legaris ut per orbem. Nam te cur aliquis ſciat fuiſſe? Jgnotus pereas, miſer, neceſſe eſt(16).
Wenn er ſich dieſe Verſe von einem guten Freun- de erklaͤren laͤſſet, ſo wird er erfahren, weſſen er ſich
zu
(15)Catullus Ep. 37.
(16)Martiab. Lib. V. Ep. 81.
f 2
<TEI><text><front><divtype="preface"n="1"><pbfacs="#f0087"n="83"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/><p>Der andere iſt ein <hirendition="#fr">elender Schulmeiſter,</hi> den<lb/>
niemand kennen wuͤrde, wenn ich ihn gleich mit<lb/>
Nahmen nennete: Ein Menſch von ſo erſtaunender<lb/>
Unwiſſenheit, daß er auch die Knaben in ſeiner eige-<lb/>
nen Claſſe, welche von unten auf die erſte iſt, in<lb/>
dieſem Stuͤcke uͤbertrift. Dieſer ehrliche Mann<lb/>
hat laͤſterlich auf mich geſcholten, und endlich gar ge-<lb/>
drohet, er wolle wieder mich ſchreiben.</p><lb/><cit><quote><hirendition="#aq">Qvænam te mala mens, miſelle Ravidi,<lb/>
Agit præcipitem in meos jambos?<lb/>
Quis Deus tibi non bene advocatus<lb/>
Vecordem parat excitare ripam</hi><noteplace="foot"n="(15)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Catullus Ep. 37.</hi></hi></note>?</quote></cit><lb/><p>Aber ſein Schelten ruͤhrt mich ſo wenig, als<lb/>ſein Drohen. Er ſchreibe wider mich, wenn er<lb/>
es vor gut findet. Dieſes iſt das aͤrgſte, was ich<lb/>
ihm wuͤnſchen koͤnnte, wenn ich noch ſo rachgierig<lb/>
waͤre. Doch muß er wiſſen, daß ich ihm nim-<lb/>
mer antworten werde.</p><lb/><cit><quote><hirendition="#aq">Allatres licet usque nos & usque<lb/>
Et gannitibus improbis laceſſas.<lb/>
Certum eſt, hanc tibi pernegare famam,<lb/>
Olim quam petis in meis libellis,<lb/>
Qvaliſcunque legaris ut per orbem.<lb/>
Nam te cur aliquis ſciat fuiſſe?<lb/>
Jgnotus pereas, miſer, neceſſe eſt</hi><noteplace="foot"n="(16)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Martiab. Lib. V. Ep. 81.</hi></hi></note>.</quote></cit><lb/><p>Wenn er ſich dieſe Verſe von einem guten Freun-<lb/>
de erklaͤren laͤſſet, ſo wird er erfahren, weſſen er ſich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">f 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[83/0087]
(o)
Der andere iſt ein elender Schulmeiſter, den
niemand kennen wuͤrde, wenn ich ihn gleich mit
Nahmen nennete: Ein Menſch von ſo erſtaunender
Unwiſſenheit, daß er auch die Knaben in ſeiner eige-
nen Claſſe, welche von unten auf die erſte iſt, in
dieſem Stuͤcke uͤbertrift. Dieſer ehrliche Mann
hat laͤſterlich auf mich geſcholten, und endlich gar ge-
drohet, er wolle wieder mich ſchreiben.
Qvænam te mala mens, miſelle Ravidi,
Agit præcipitem in meos jambos?
Quis Deus tibi non bene advocatus
Vecordem parat excitare ripam (15)?
Aber ſein Schelten ruͤhrt mich ſo wenig, als
ſein Drohen. Er ſchreibe wider mich, wenn er
es vor gut findet. Dieſes iſt das aͤrgſte, was ich
ihm wuͤnſchen koͤnnte, wenn ich noch ſo rachgierig
waͤre. Doch muß er wiſſen, daß ich ihm nim-
mer antworten werde.
Allatres licet usque nos & usque
Et gannitibus improbis laceſſas.
Certum eſt, hanc tibi pernegare famam,
Olim quam petis in meis libellis,
Qvaliſcunque legaris ut per orbem.
Nam te cur aliquis ſciat fuiſſe?
Jgnotus pereas, miſer, neceſſe eſt (16).
Wenn er ſich dieſe Verſe von einem guten Freun-
de erklaͤren laͤſſet, ſo wird er erfahren, weſſen er ſich
zu
(15) Catullus Ep. 37.
(16) Martiab. Lib. V. Ep. 81.
f 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/87>, abgerufen am 11.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.