Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
Hochachtung für Se. Excellenz den Herrn Professor:
wir ergetzen uns recht hertzlich an seinen Schriften,
ja dürften wir, zu seinem Ruhm und unserer Belu-
stigung, etwas wünschen, so wäre es, auch künf-
tighin die Proben seiner Fähigkeit in der Dicht-
Kunst vermehret zu sehen. Er ist dem poetischen
Geiste nach so starck, als dem Leibe nach Ohnmach-
ten unterworfen: und wir erinnern uns der Stelle
des Plinius von einem kräncklichen Weisen, dem
er par animo corpus anwünschte. Herr Briontes
der Jüngere würde wohl thun, die Stunden, die er
auf die Beredsamkeit wendet, künstig in doppelter
Maaße der deutschen Poesie zu wiedmen. Alsdann
wird ihm der Lorbeer nicht entstehen, den er schon er-
eilen können, wenn er etwas mehres, als ein Hel-
den-Gedicht in gebundener Rede aufgesetzet. Jn die-
ser angenehmen Hofnung können wir uns kaum
entbrechen, ihm mit etwas veränderten Worten
aus dem von Canitz dieses zuzurufen:

Euch, ihr Zeiten, die verlaufen,
Könnt' er euch mit Dint' erkaufen.
Die er oft aus Unbedacht
Ohne Reimen zugebracht.
Sonne! schenck ihm deine Blicke;
Komm, verdopple deinen Schritt,
Eilt, ihr Zeiten, eilt zurücke
Bringt ihm aber Reimen mit.
No. VIII.

Ein gelehrter Medicus hat uns unlängst mit ei-
nem Schreiben beehret, aus dem wir in folgen-

dem

(o)
Hochachtung fuͤr Se. Excellenz den Herrn Profeſſor:
wir ergetzen uns recht hertzlich an ſeinen Schriften,
ja duͤrften wir, zu ſeinem Ruhm und unſerer Belu-
ſtigung, etwas wuͤnſchen, ſo waͤre es, auch kuͤnf-
tighin die Proben ſeiner Faͤhigkeit in der Dicht-
Kunſt vermehret zu ſehen. Er iſt dem poetiſchen
Geiſte nach ſo ſtarck, als dem Leibe nach Ohnmach-
ten unterworfen: und wir erinnern uns der Stelle
des Plinius von einem kraͤncklichen Weiſen, dem
er par animo corpus anwuͤnſchte. Herr Briontes
der Juͤngere wuͤrde wohl thun, die Stunden, die er
auf die Beredſamkeit wendet, kuͤnſtig in doppelter
Maaße der deutſchen Poeſie zu wiedmen. Alsdann
wird ihm der Lorbeer nicht entſtehen, den er ſchon er-
eilen koͤnnen, wenn er etwas mehres, als ein Hel-
den-Gedicht in gebundener Rede aufgeſetzet. Jn die-
ſer angenehmen Hofnung koͤnnen wir uns kaum
entbrechen, ihm mit etwas veraͤnderten Worten
aus dem von Canitz dieſes zuzurufen:

Euch, ihr Zeiten, die verlaufen,
Koͤnnt’ er euch mit Dint’ erkaufen.
Die er oft aus Unbedacht
Ohne Reimen zugebracht.
Sonne! ſchenck ihm deine Blicke;
Komm, verdopple deinen Schritt,
Eilt, ihr Zeiten, eilt zuruͤcke
Bringt ihm aber Reimen mit.
No. VIII.

Ein gelehrter Medicus hat uns unlaͤngſt mit ei-
nem Schreiben beehret, aus dem wir in folgen-

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0912" n="820"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
Hochachtung fu&#x0364;r Se. Excellenz den Herrn Profe&#x017F;&#x017F;or:<lb/>
wir ergetzen uns recht hertzlich an &#x017F;einen Schriften,<lb/>
ja du&#x0364;rften wir, zu &#x017F;einem Ruhm und un&#x017F;erer Belu-<lb/>
&#x017F;tigung, etwas wu&#x0364;n&#x017F;chen, &#x017F;o wa&#x0364;re es, auch ku&#x0364;nf-<lb/>
tighin die Proben &#x017F;einer Fa&#x0364;higkeit in der Dicht-<lb/>
Kun&#x017F;t vermehret zu &#x017F;ehen. Er i&#x017F;t dem poeti&#x017F;chen<lb/>
Gei&#x017F;te nach &#x017F;o &#x017F;tarck, als dem Leibe nach Ohnmach-<lb/>
ten unterworfen: und wir erinnern uns der Stelle<lb/>
des Plinius von einem kra&#x0364;ncklichen Wei&#x017F;en, dem<lb/>
er <hi rendition="#aq">par animo corpus</hi> anwu&#x0364;n&#x017F;chte. Herr <hi rendition="#aq">Briontes</hi><lb/>
der Ju&#x0364;ngere wu&#x0364;rde wohl thun, die Stunden, die er<lb/>
auf die Bered&#x017F;amkeit wendet, ku&#x0364;n&#x017F;tig in doppelter<lb/>
Maaße der deut&#x017F;chen Poe&#x017F;ie zu wiedmen. Alsdann<lb/>
wird ihm der Lorbeer nicht ent&#x017F;tehen, den er &#x017F;chon er-<lb/>
eilen ko&#x0364;nnen, wenn er etwas mehres, als ein Hel-<lb/>
den-Gedicht in gebundener Rede aufge&#x017F;etzet. Jn die-<lb/>
&#x017F;er angenehmen Hofnung ko&#x0364;nnen wir uns kaum<lb/>
entbrechen, ihm mit etwas vera&#x0364;nderten Worten<lb/>
aus dem von Canitz die&#x017F;es zuzurufen:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Euch, ihr Zeiten, die verlaufen,</l><lb/>
            <l>Ko&#x0364;nnt&#x2019; er euch mit Dint&#x2019; erkaufen.</l><lb/>
            <l>Die er oft aus Unbedacht</l><lb/>
            <l>Ohne Reimen zugebracht.</l><lb/>
            <l>Sonne! &#x017F;chenck ihm deine Blicke;</l><lb/>
            <l>Komm, verdopple deinen Schritt,</l><lb/>
            <l>Eilt, ihr Zeiten, eilt zuru&#x0364;cke</l><lb/>
            <l>Bringt ihm aber Reimen mit.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">No. VIII.</hi> </head><lb/>
          <p>Ein gelehrter <hi rendition="#aq">Medicus</hi> hat uns unla&#x0364;ng&#x017F;t mit ei-<lb/>
nem Schreiben beehret, aus dem wir in folgen-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[820/0912] (o) Hochachtung fuͤr Se. Excellenz den Herrn Profeſſor: wir ergetzen uns recht hertzlich an ſeinen Schriften, ja duͤrften wir, zu ſeinem Ruhm und unſerer Belu- ſtigung, etwas wuͤnſchen, ſo waͤre es, auch kuͤnf- tighin die Proben ſeiner Faͤhigkeit in der Dicht- Kunſt vermehret zu ſehen. Er iſt dem poetiſchen Geiſte nach ſo ſtarck, als dem Leibe nach Ohnmach- ten unterworfen: und wir erinnern uns der Stelle des Plinius von einem kraͤncklichen Weiſen, dem er par animo corpus anwuͤnſchte. Herr Briontes der Juͤngere wuͤrde wohl thun, die Stunden, die er auf die Beredſamkeit wendet, kuͤnſtig in doppelter Maaße der deutſchen Poeſie zu wiedmen. Alsdann wird ihm der Lorbeer nicht entſtehen, den er ſchon er- eilen koͤnnen, wenn er etwas mehres, als ein Hel- den-Gedicht in gebundener Rede aufgeſetzet. Jn die- ſer angenehmen Hofnung koͤnnen wir uns kaum entbrechen, ihm mit etwas veraͤnderten Worten aus dem von Canitz dieſes zuzurufen: Euch, ihr Zeiten, die verlaufen, Koͤnnt’ er euch mit Dint’ erkaufen. Die er oft aus Unbedacht Ohne Reimen zugebracht. Sonne! ſchenck ihm deine Blicke; Komm, verdopple deinen Schritt, Eilt, ihr Zeiten, eilt zuruͤcke Bringt ihm aber Reimen mit. No. VIII. Ein gelehrter Medicus hat uns unlaͤngſt mit ei- nem Schreiben beehret, aus dem wir in folgen- dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/912
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/912>, abgerufen am 22.11.2024.