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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Die sogenannten Unterlassungsdelikte. §. 21.
der Mehrzahl der Theoretiker). Hat dagegen B die Kausa-
lität seiner Handlung gekannt, so kann A nur, wenn Vorsatz
bei ihm vorliegt, als Anstifter strafbar gemacht werden; hat
er fahrlässig gehandelt, so bleibt er straflos. (Vgl. darüber
das Nähere unten §. 35.)

IV. Zurechnen (vgl. unten §. 27 IV) heißt einen Erfolg
auf die Schuld eines Menschen zurückführen. Daraus folgt
ein Doppeltes. Bei mangelndem Kausalzusammenhang ist
Zurechnung ausgeschlossen. Ist dagegen der Kausalzusammen-
hang konstatiert, so muß überdies Schuld (Vorsatz oder
Fahrlässigkeit) vorliegen, damit der Erfolg zugerechnet werden
kann. Die Kausalitätsfrage und die Schuldfrage
sind strenge zu trennen
(anders v. Bar); mit dieser
Trennung entfallen auch alle Bedenken, die gegen die im
Texte vertretene "laxe" (soll heißen: streng-logische) Fassung
des Ursachenbegriffes erhoben zu werden pflegen.

§. 21.
Die sogenannten Unterlassungsdelikte.1

I. Wir haben das Verbrechen als Handlung definiert;
wie verhalten sich dieser Definition gegenüber die Unter-
lassungsd
elikte? Wenn sie keine Handlungen sind, so war
unsere Definition, weil zu eng, falsch und bedarf der Kor-

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer Lehrbuch
S. 182 Note 1. Schriften von
Luden, Krug, Glaser, Mer-
kel, v. Bar, v. Buri, Ort-
mann, Binding.
Dazu
neuerdings Cohn S. 533 ff.,
Hertz S. 196 ff., Schwalbach[Spaltenumbruch] GS. XXXI. Am besten immer
noch die Ausführungen von
Luden. Binding's Behand-
lung der Unterlassungsdelikte ist
mir der sicherste Beweis für die
Unhaltbarkeit seines Ursachen-
begriffes.

Die ſogenannten Unterlaſſungsdelikte. §. 21.
der Mehrzahl der Theoretiker). Hat dagegen B die Kauſa-
lität ſeiner Handlung gekannt, ſo kann A nur, wenn Vorſatz
bei ihm vorliegt, als Anſtifter ſtrafbar gemacht werden; hat
er fahrläſſig gehandelt, ſo bleibt er ſtraflos. (Vgl. darüber
das Nähere unten §. 35.)

IV. Zurechnen (vgl. unten §. 27 IV) heißt einen Erfolg
auf die Schuld eines Menſchen zurückführen. Daraus folgt
ein Doppeltes. Bei mangelndem Kauſalzuſammenhang iſt
Zurechnung ausgeſchloſſen. Iſt dagegen der Kauſalzuſammen-
hang konſtatiert, ſo muß überdies Schuld (Vorſatz oder
Fahrläſſigkeit) vorliegen, damit der Erfolg zugerechnet werden
kann. Die Kauſalitätsfrage und die Schuldfrage
ſind ſtrenge zu trennen
(anders v. Bar); mit dieſer
Trennung entfallen auch alle Bedenken, die gegen die im
Texte vertretene „laxe“ (ſoll heißen: ſtreng-logiſche) Faſſung
des Urſachenbegriffes erhoben zu werden pflegen.

§. 21.
Die ſogenannten Unterlaſſungsdelikte.1

I. Wir haben das Verbrechen als Handlung definiert;
wie verhalten ſich dieſer Definition gegenüber die Unter-
laſſungsd
elikte? Wenn ſie keine Handlungen ſind, ſo war
unſere Definition, weil zu eng, falſch und bedarf der Kor-

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer Lehrbuch
S. 182 Note 1. Schriften von
Luden, Krug, Glaſer, Mer-
kel, v. Bar, v. Buri, Ort-
mann, Binding.
Dazu
neuerdings Cohn S. 533 ff.,
Hertz S. 196 ff., Schwalbach[Spaltenumbruch] GS. XXXI. Am beſten immer
noch die Ausführungen von
Luden. Binding’s Behand-
lung der Unterlaſſungsdelikte iſt
mir der ſicherſte Beweis für die
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begriffes.
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[79/0105] Die ſogenannten Unterlaſſungsdelikte. §. 21. der Mehrzahl der Theoretiker). Hat dagegen B die Kauſa- lität ſeiner Handlung gekannt, ſo kann A nur, wenn Vorſatz bei ihm vorliegt, als Anſtifter ſtrafbar gemacht werden; hat er fahrläſſig gehandelt, ſo bleibt er ſtraflos. (Vgl. darüber das Nähere unten §. 35.) IV. Zurechnen (vgl. unten §. 27 IV) heißt einen Erfolg auf die Schuld eines Menſchen zurückführen. Daraus folgt ein Doppeltes. Bei mangelndem Kauſalzuſammenhang iſt Zurechnung ausgeſchloſſen. Iſt dagegen der Kauſalzuſammen- hang konſtatiert, ſo muß überdies Schuld (Vorſatz oder Fahrläſſigkeit) vorliegen, damit der Erfolg zugerechnet werden kann. Die Kauſalitätsfrage und die Schuldfrage ſind ſtrenge zu trennen (anders v. Bar); mit dieſer Trennung entfallen auch alle Bedenken, die gegen die im Texte vertretene „laxe“ (ſoll heißen: ſtreng-logiſche) Faſſung des Urſachenbegriffes erhoben zu werden pflegen. §. 21. Die ſogenannten Unterlaſſungsdelikte. 1 I. Wir haben das Verbrechen als Handlung definiert; wie verhalten ſich dieſer Definition gegenüber die Unter- laſſungsdelikte? Wenn ſie keine Handlungen ſind, ſo war unſere Definition, weil zu eng, falſch und bedarf der Kor- 1 Lit. bei Meyer Lehrbuch S. 182 Note 1. Schriften von Luden, Krug, Glaſer, Mer- kel, v. Bar, v. Buri, Ort- mann, Binding. Dazu neuerdings Cohn S. 533 ff., Hertz S. 196 ff., Schwalbach GS. XXXI. Am beſten immer noch die Ausführungen von Luden. Binding’s Behand- lung der Unterlaſſungsdelikte iſt mir der ſicherſte Beweis für die Unhaltbarkeit ſeines Urſachen- begriffes.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/105>, abgerufen am 24.11.2024.