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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung.
massen + a und -- b den Punkt M im Gleichgewichte halten
und nun die hinzutretende Kraft c den Punkt nach N' be-
wegt, so können wir (ungenau) in beiden Fällen die Kraft c
als die Ursache der Bewegung von M nach N' bezeichnen;
aber nie dürfen wir vergessen, daß die Bewegung in Wahr-
heit durch das Zusammenwirken der drei Kräfte a und
b und c verursacht worden ist.

III. Daraus ergiebt sich die außerordentlich wichtige
Konsequenz, daß ein und derselbe Erfolg auf mehrere
menschliche Handlungen als seine Ursachen zurück-
geführt werden kann,
einerlei, ob ihr Zusammenwirken
ein gleichzeitiges oder ein successives ist. Insbesondere kann
der unmittelbar durch das Handeln des B herbeigeführte
Erfolg mittelbar auf das (vorsätzliche oder fahrlässige) Thun
des A zurückgeführt werden. Eine "Unterbrechung des Kausal-
zusammenhanges" wie man sich möglichst schief ausdrückt,
genauer ein (juristisches) Zurückführen des Erfolges auf die
nächste Ursache (die Handlung des B) findet nur soweit kraft
positivrechtlicher Anordnung statt, als diese nächste Ur-
sache die freie (d. h. nicht im Notstande StGB. §§. 52
und 54 begangene) von der Vorstellung ihrer Kau-
salität begleitete
Handlung eines Zurechnungsfähi-
gen
ist. Insbesondere steht der Annahme des Kausal-
zusammenhanges die eigene Fahrlässigkeit des Beschädigten
nicht entgegen, RGR. 12. April 1880, E I 373, R I 578.

Beispiel. Wenn A dem B ein geladenes Gewehr mit
der Aufforderung in die Hand giebt, auf den C loszudrücken,
und B in der Meinung es sei nicht geladen dies thut, so
kann B wegen fahrlässiger und neben ihm A wegen vor-
sätzlicher oder fahrlässiger Tötung des C zur Verantwortung
gezogen werden (so auch meist die Praxis gegen die Ansicht

Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung.
maſſen + a und — b den Punkt M im Gleichgewichte halten
und nun die hinzutretende Kraft c den Punkt nach N′ be-
wegt, ſo können wir (ungenau) in beiden Fällen die Kraft c
als die Urſache der Bewegung von M nach N′ bezeichnen;
aber nie dürfen wir vergeſſen, daß die Bewegung in Wahr-
heit durch das Zuſammenwirken der drei Kräfte a und
b und c verurſacht worden iſt.

III. Daraus ergiebt ſich die außerordentlich wichtige
Konſequenz, daß ein und derſelbe Erfolg auf mehrere
menſchliche Handlungen als ſeine Urſachen zurück-
geführt werden kann,
einerlei, ob ihr Zuſammenwirken
ein gleichzeitiges oder ein ſucceſſives iſt. Insbeſondere kann
der unmittelbar durch das Handeln des B herbeigeführte
Erfolg mittelbar auf das (vorſätzliche oder fahrläſſige) Thun
des A zurückgeführt werden. Eine „Unterbrechung des Kauſal-
zuſammenhanges“ wie man ſich möglichſt ſchief ausdrückt,
genauer ein (juriſtiſches) Zurückführen des Erfolges auf die
nächſte Urſache (die Handlung des B) findet nur ſoweit kraft
poſitivrechtlicher Anordnung ſtatt, als dieſe nächſte Ur-
ſache die freie (d. h. nicht im Notſtande StGB. §§. 52
und 54 begangene) von der Vorſtellung ihrer Kau-
ſalität begleitete
Handlung eines Zurechnungsfähi-
gen
iſt. Insbeſondere ſteht der Annahme des Kauſal-
zuſammenhanges die eigene Fahrläſſigkeit des Beſchädigten
nicht entgegen, RGR. 12. April 1880, E I 373, R I 578.

Beiſpiel. Wenn A dem B ein geladenes Gewehr mit
der Aufforderung in die Hand giebt, auf den C loszudrücken,
und B in der Meinung es ſei nicht geladen dies thut, ſo
kann B wegen fahrläſſiger und neben ihm A wegen vor-
ſätzlicher oder fahrläſſiger Tötung des C zur Verantwortung
gezogen werden (ſo auch meiſt die Praxis gegen die Anſicht

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[78/0104] Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung. maſſen + a und — b den Punkt M im Gleichgewichte halten und nun die hinzutretende Kraft c den Punkt nach N′ be- wegt, ſo können wir (ungenau) in beiden Fällen die Kraft c als die Urſache der Bewegung von M nach N′ bezeichnen; aber nie dürfen wir vergeſſen, daß die Bewegung in Wahr- heit durch das Zuſammenwirken der drei Kräfte a und b und c verurſacht worden iſt. III. Daraus ergiebt ſich die außerordentlich wichtige Konſequenz, daß ein und derſelbe Erfolg auf mehrere menſchliche Handlungen als ſeine Urſachen zurück- geführt werden kann, einerlei, ob ihr Zuſammenwirken ein gleichzeitiges oder ein ſucceſſives iſt. Insbeſondere kann der unmittelbar durch das Handeln des B herbeigeführte Erfolg mittelbar auf das (vorſätzliche oder fahrläſſige) Thun des A zurückgeführt werden. Eine „Unterbrechung des Kauſal- zuſammenhanges“ wie man ſich möglichſt ſchief ausdrückt, genauer ein (juriſtiſches) Zurückführen des Erfolges auf die nächſte Urſache (die Handlung des B) findet nur ſoweit kraft poſitivrechtlicher Anordnung ſtatt, als dieſe nächſte Ur- ſache die freie (d. h. nicht im Notſtande StGB. §§. 52 und 54 begangene) von der Vorſtellung ihrer Kau- ſalität begleitete Handlung eines Zurechnungsfähi- gen iſt. Insbeſondere ſteht der Annahme des Kauſal- zuſammenhanges die eigene Fahrläſſigkeit des Beſchädigten nicht entgegen, RGR. 12. April 1880, E I 373, R I 578. Beiſpiel. Wenn A dem B ein geladenes Gewehr mit der Aufforderung in die Hand giebt, auf den C loszudrücken, und B in der Meinung es ſei nicht geladen dies thut, ſo kann B wegen fahrläſſiger und neben ihm A wegen vor- ſätzlicher oder fahrläſſiger Tötung des C zur Verantwortung gezogen werden (ſo auch meiſt die Praxis gegen die Anſicht

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/104>, abgerufen am 24.11.2024.