Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Der Vorsatz. §. 28. Verschieden von dem Mangel des Bewußtseins der Norm- Und das gerade Gegenstück zu dem mangelnden Bewußt- III. Es genügt zum Begriffe des Vorsatzes das Vor- Es genügt ferner die Vorstellung der nächsten unmittel- [Spaltenumbruch]
Angeführten. Gegen die im Text vertretene Ansicht scheint RGR. 28. Oktober 1879, R I 23 sich auszusprechen. 7 [Spaltenumbruch]
Anders die herrschende An-
sicht der Theoretiker. Für die im Texte vertretene Auffassung die Praxis. Der Vorſatz. §. 28. Verſchieden von dem Mangel des Bewußtſeins der Norm- Und das gerade Gegenſtück zu dem mangelnden Bewußt- III. Es genügt zum Begriffe des Vorſatzes das Vor- Es genügt ferner die Vorſtellung der nächſten unmittel- [Spaltenumbruch]
Angeführten. Gegen die im Text vertretene Anſicht ſcheint RGR. 28. Oktober 1879, R I 23 ſich auszuſprechen. 7 [Spaltenumbruch]
Anders die herrſchende An-
ſicht der Theoretiker. Für die im Texte vertretene Auffaſſung die Praxis. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0137" n="111"/> <fw place="top" type="header">Der Vorſatz. §. 28.</fw><lb/> <p>Verſchieden von dem Mangel des Bewußtſeins der Norm-<lb/> widrigkeit iſt der ſog. <hi rendition="#g">Verbrecherwahn</hi>, bei welchem<lb/> der Verbrecher die Normwidrigkeit ſeines Thuns kennt, aber<lb/> vermeintlich höheren Pflichten gehorchend, ſich bewußt über<lb/> dieſelbe hinwegſetzt (vgl. Militär-StGB. §. 48).</p><lb/> <p>Und das gerade Gegenſtück zu dem mangelnden Bewußt-<lb/> ſein der Normwidrigkeit bildet das <hi rendition="#g">Wahnverbrechen</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">Putativdelikt</hi>, bei welchem der Handelnde ſich den Er-<lb/> folg ſeines Thuns richtig vorſtellt, dieſen aber irrig unter<lb/> eine nicht exiſtirende Norm ſubſumirt, oder unter eine gege-<lb/> bene Ausnahme von der Norm nicht ſubſumirt. Beiſpiel:<lb/> irrige Annahme, daß ſcharfe Invektiven gegen einen Regenten<lb/> des 16. Jahrhunderts Majeſtätsbeleidigung ſeien; irrige<lb/> Nichtannahme eines Notſtandes uſw. Hier kann die fehlende<lb/> Normwidrigkeit nicht durch die Vorſtellung derſelben erſetzt<lb/> werden.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Es genügt zum Begriffe des Vorſatzes das Vor-<lb/> handenſein der Vorſtellung, daß die Handlung kauſal ſein<lb/> werde; es iſt <hi rendition="#g">nicht erforderlich</hi>, daß dieſe Vorſtellung<lb/> gerade <hi rendition="#g">treibendes Motiv</hi> geweſen, daß der Thäter um<lb/> dieſer Veränderungen willen die Handlung unternommen<lb/> hat.<note place="foot" n="7"><cb/> Anders die herrſchende An-<lb/> ſicht der Theoretiker. Für die<lb/> im Texte vertretene Auffaſſung<lb/> die Praxis.</note> Wir können die Vorſtellung als treibendes Motiv<lb/><hi rendition="#g">Abſicht</hi> nennen (2. Bedeutung dieſes Wortes) und dem Vor-<lb/> ſatze entgegenſtellen. In der That wird in der Reichsgeſetz-<lb/> gebung das Wort „Abſicht“ (ſelten) auch in dieſem Sinne ge-<lb/> braucht (z. B. StGB. §. 225 u. A.).</p><lb/> <p>Es genügt ferner die Vorſtellung der <hi rendition="#g">nächſten</hi> unmittel-<lb/><note xml:id="seg2pn_1_2" prev="#seg2pn_1_1" place="foot" n="6"><cb/> Angeführten. Gegen die im<lb/> Text vertretene Anſicht ſcheint<lb/> RGR. 28. Oktober 1879, <hi rendition="#aq">R I</hi><lb/> 23 ſich auszuſprechen.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0137]
Der Vorſatz. §. 28.
Verſchieden von dem Mangel des Bewußtſeins der Norm-
widrigkeit iſt der ſog. Verbrecherwahn, bei welchem
der Verbrecher die Normwidrigkeit ſeines Thuns kennt, aber
vermeintlich höheren Pflichten gehorchend, ſich bewußt über
dieſelbe hinwegſetzt (vgl. Militär-StGB. §. 48).
Und das gerade Gegenſtück zu dem mangelnden Bewußt-
ſein der Normwidrigkeit bildet das Wahnverbrechen oder
Putativdelikt, bei welchem der Handelnde ſich den Er-
folg ſeines Thuns richtig vorſtellt, dieſen aber irrig unter
eine nicht exiſtirende Norm ſubſumirt, oder unter eine gege-
bene Ausnahme von der Norm nicht ſubſumirt. Beiſpiel:
irrige Annahme, daß ſcharfe Invektiven gegen einen Regenten
des 16. Jahrhunderts Majeſtätsbeleidigung ſeien; irrige
Nichtannahme eines Notſtandes uſw. Hier kann die fehlende
Normwidrigkeit nicht durch die Vorſtellung derſelben erſetzt
werden.
III. Es genügt zum Begriffe des Vorſatzes das Vor-
handenſein der Vorſtellung, daß die Handlung kauſal ſein
werde; es iſt nicht erforderlich, daß dieſe Vorſtellung
gerade treibendes Motiv geweſen, daß der Thäter um
dieſer Veränderungen willen die Handlung unternommen
hat. 7 Wir können die Vorſtellung als treibendes Motiv
Abſicht nennen (2. Bedeutung dieſes Wortes) und dem Vor-
ſatze entgegenſtellen. In der That wird in der Reichsgeſetz-
gebung das Wort „Abſicht“ (ſelten) auch in dieſem Sinne ge-
braucht (z. B. StGB. §. 225 u. A.).
Es genügt ferner die Vorſtellung der nächſten unmittel-
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Anders die herrſchende An-
ſicht der Theoretiker. Für die
im Texte vertretene Auffaſſung
die Praxis.
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Angeführten. Gegen die im
Text vertretene Anſicht ſcheint
RGR. 28. Oktober 1879, R I
23 ſich auszuſprechen.
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