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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erst. Buch. IV. Das Verbr. als schuldh. rechtswidr. Handl.
als sie bei dem error in persona immer annehmen zu
wollen.15

VI. Die alten Einteilungen des Vorsatzes haben bis auf
Eine heute nur mehr dogmengeschichtliches Interesse. Der
dolus generalis, alternativus und eventualis wurden bereits
besprochen. Der dolus indirectus (Feuerbach's culpa
dolo determinata
) ist kein Vorsatz, denn die Vorhersehbarkeit
kann den nicht vorgestellten Erfolg auch dann nicht zu einem
vorgestellten machen, wenn derselbe durch eine strafbare
Handlung veranlaßt wurde. Und der dolus subsequens
widerspricht dem Satze (vgl. oben §. 27 III), daß im Augen-
blicke der That die Schuld, sei es als Vorsatz, sei es als
Fahrlässigkeit, vorhanden sein muß.

Dagegen ist die Einteilung in überlegten und nicht
überlegten
Vorsatz nicht nur psychologisch richtig, sondern
auch strafrechtlich von Bedeutung. Das RStGB. hat den
Gegensatz von Mord und Todschlag auf diesen Unterschied
gebaut, und damit seine allgemeine Bedeutung wenigstens
für die Strafzumessung anerkannt. Ueberlegter Vorsatz,
dolus praemeditatus, liegt vor, wenn die auftauchende Vor-
stellung von der Kausalität der vorgestellten Handlung nicht
unmittelbar zur That führte, sondern die kontrastierenden
Vorstellungen Gelegenheit hatten, zur Geltung zu gelangen;
nicht überlegter oder Affektvorsatz, dolus repentinus, wenn
dies nicht der Fall war, sondern die auftauchende Vorstellung,

15 [Spaltenumbruch] Wie dies die herrschende
Ansicht thut. Lit. bei Meyer
Lehrb. S. 165 f., auch bei Zi-
telmann
Note 410. Die rich-
tige Ansicht ist auf dem Gebiete
des Civilrechtes die herrschende;[Spaltenumbruch] man vgl. z. B. Windscheid
§. 76. Uebrigens ist die ganze
Unterscheidung zwischen ab. i.
und error in p. ohne Wert.
Vgl. v. Buri Kausalität S. 83.

Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl.
als ſie bei dem error in persona immer annehmen zu
wollen.15

VI. Die alten Einteilungen des Vorſatzes haben bis auf
Eine heute nur mehr dogmengeſchichtliches Intereſſe. Der
dolus generalis, alternativus und eventualis wurden bereits
beſprochen. Der dolus indirectus (Feuerbach’s culpa
dolo determinata
) iſt kein Vorſatz, denn die Vorherſehbarkeit
kann den nicht vorgeſtellten Erfolg auch dann nicht zu einem
vorgeſtellten machen, wenn derſelbe durch eine ſtrafbare
Handlung veranlaßt wurde. Und der dolus subsequens
widerſpricht dem Satze (vgl. oben §. 27 III), daß im Augen-
blicke der That die Schuld, ſei es als Vorſatz, ſei es als
Fahrläſſigkeit, vorhanden ſein muß.

Dagegen iſt die Einteilung in überlegten und nicht
überlegten
Vorſatz nicht nur pſychologiſch richtig, ſondern
auch ſtrafrechtlich von Bedeutung. Das RStGB. hat den
Gegenſatz von Mord und Todſchlag auf dieſen Unterſchied
gebaut, und damit ſeine allgemeine Bedeutung wenigſtens
für die Strafzumeſſung anerkannt. Ueberlegter Vorſatz,
dolus praemeditatus, liegt vor, wenn die auftauchende Vor-
ſtellung von der Kauſalität der vorgeſtellten Handlung nicht
unmittelbar zur That führte, ſondern die kontraſtierenden
Vorſtellungen Gelegenheit hatten, zur Geltung zu gelangen;
nicht überlegter oder Affektvorſatz, dolus repentinus, wenn
dies nicht der Fall war, ſondern die auftauchende Vorſtellung,

15 [Spaltenumbruch] Wie dies die herrſchende
Anſicht thut. Lit. bei Meyer
Lehrb. S. 165 f., auch bei Zi-
telmann
Note 410. Die rich-
tige Anſicht iſt auf dem Gebiete
des Civilrechtes die herrſchende;[Spaltenumbruch] man vgl. z. B. Windſcheid
§. 76. Uebrigens iſt die ganze
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und error in p. ohne Wert.
Vgl. v. Buri Kauſalität S. 83.
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[116/0142] Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl. als ſie bei dem error in persona immer annehmen zu wollen. 15 VI. Die alten Einteilungen des Vorſatzes haben bis auf Eine heute nur mehr dogmengeſchichtliches Intereſſe. Der dolus generalis, alternativus und eventualis wurden bereits beſprochen. Der dolus indirectus (Feuerbach’s culpa dolo determinata) iſt kein Vorſatz, denn die Vorherſehbarkeit kann den nicht vorgeſtellten Erfolg auch dann nicht zu einem vorgeſtellten machen, wenn derſelbe durch eine ſtrafbare Handlung veranlaßt wurde. Und der dolus subsequens widerſpricht dem Satze (vgl. oben §. 27 III), daß im Augen- blicke der That die Schuld, ſei es als Vorſatz, ſei es als Fahrläſſigkeit, vorhanden ſein muß. Dagegen iſt die Einteilung in überlegten und nicht überlegten Vorſatz nicht nur pſychologiſch richtig, ſondern auch ſtrafrechtlich von Bedeutung. Das RStGB. hat den Gegenſatz von Mord und Todſchlag auf dieſen Unterſchied gebaut, und damit ſeine allgemeine Bedeutung wenigſtens für die Strafzumeſſung anerkannt. Ueberlegter Vorſatz, dolus praemeditatus, liegt vor, wenn die auftauchende Vor- ſtellung von der Kauſalität der vorgeſtellten Handlung nicht unmittelbar zur That führte, ſondern die kontraſtierenden Vorſtellungen Gelegenheit hatten, zur Geltung zu gelangen; nicht überlegter oder Affektvorſatz, dolus repentinus, wenn dies nicht der Fall war, ſondern die auftauchende Vorſtellung, 15 Wie dies die herrſchende Anſicht thut. Lit. bei Meyer Lehrb. S. 165 f., auch bei Zi- telmann Note 410. Die rich- tige Anſicht iſt auf dem Gebiete des Civilrechtes die herrſchende; man vgl. z. B. Windſcheid §. 76. Uebrigens iſt die ganze Unterſcheidung zwiſchen ab. i. und error in p. ohne Wert. Vgl. v. Buri Kauſalität S. 83.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/142>, abgerufen am 21.11.2024.