Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Thäterschaft und Mitthäterschaft. §. 36. Handlung eines Zurechnungsfähigen dagegen schließt nurdann die Thäterschaft nicht aus, wenn der Gebrauchte ent- weder unfrei (d. h. genötigt) oder unvorsätzlich (d. h. ohne die Vorstellung der Kausalität seines Thuns) gehandelt hat.1 Man spricht in solchen Fällen (nicht ganz genau) von fin- gierter Thäterschaft. Diese mittelbare Begehung ermöglicht die Annahme der Thäterschaft auch dort, wo körperliche oder überhaupt unmittelbare Begehung unmöglich wäre: so kann sich eine Frauensperson der Notzucht oder der Päderastie, ein Nichtverwandter der Blutschande, ein Nichtbeamter eines eigentlichen Amtsdeliktes auf dem Wege der fingierten Thäter- schaft schuldig machen. Das Gesetz hat diesen ziemlich all- gemein anerkannten Satz nur in §. 160 StGB. (Verleitung zum Falscheide) verleugnet. Dagegen unterbricht die freie und vorsätzliche Handlung eines Zurechnungsfähigen den Kau- salzusammenhang (vgl. RGR. 17. Januar 1880, E I 146).2 II. Mitthäter ist derjenige, der in Gemeinschaft mit 1 [Spaltenumbruch]
Vgl. RGR. 5. März 1880, R I 429. 2 [Spaltenumbruch]
Ueber die eigentümliche Konstruktion und Präsumption der Thäterschaft des Redakteurs in §. 20 Abs. 2 Preßgesetz vom[Spaltenumbruch] 7. Mai 1874 vgl. Liszt Preß- recht §§. 49 und 50. 3 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch S. 213 Note 1. 4 [Spaltenumbruch]
Von der Praxis häufig
übersehen. Thäterſchaft und Mitthäterſchaft. §. 36. Handlung eines Zurechnungsfähigen dagegen ſchließt nurdann die Thäterſchaft nicht aus, wenn der Gebrauchte ent- weder unfrei (d. h. genötigt) oder unvorſätzlich (d. h. ohne die Vorſtellung der Kauſalität ſeines Thuns) gehandelt hat.1 Man ſpricht in ſolchen Fällen (nicht ganz genau) von fin- gierter Thäterſchaft. Dieſe mittelbare Begehung ermöglicht die Annahme der Thäterſchaft auch dort, wo körperliche oder überhaupt unmittelbare Begehung unmöglich wäre: ſo kann ſich eine Frauensperſon der Notzucht oder der Päderaſtie, ein Nichtverwandter der Blutſchande, ein Nichtbeamter eines eigentlichen Amtsdeliktes auf dem Wege der fingierten Thäter- ſchaft ſchuldig machen. Das Geſetz hat dieſen ziemlich all- gemein anerkannten Satz nur in §. 160 StGB. (Verleitung zum Falſcheide) verleugnet. Dagegen unterbricht die freie und vorſätzliche Handlung eines Zurechnungsfähigen den Kau- ſalzuſammenhang (vgl. RGR. 17. Januar 1880, E I 146).2 II. Mitthäter iſt derjenige, der in Gemeinſchaft mit 1 [Spaltenumbruch]
Vgl. RGR. 5. März 1880, R I 429. 2 [Spaltenumbruch]
Ueber die eigentümliche Konſtruktion und Präſumption der Thäterſchaft des Redakteurs in §. 20 Abſ. 2 Preßgeſetz vom[Spaltenumbruch] 7. Mai 1874 vgl. Liszt Preß- recht §§. 49 und 50. 3 [Spaltenumbruch]
Lit. bei Meyer Lehrbuch S. 213 Note 1. 4 [Spaltenumbruch]
Von der Praxis häufig
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Thäterſchaft und Mitthäterſchaft. §. 36.
Handlung eines Zurechnungsfähigen dagegen ſchließt nur
dann die Thäterſchaft nicht aus, wenn der Gebrauchte ent-
weder unfrei (d. h. genötigt) oder unvorſätzlich (d. h. ohne
die Vorſtellung der Kauſalität ſeines Thuns) gehandelt hat. 1
Man ſpricht in ſolchen Fällen (nicht ganz genau) von fin-
gierter Thäterſchaft. Dieſe mittelbare Begehung ermöglicht
die Annahme der Thäterſchaft auch dort, wo körperliche oder
überhaupt unmittelbare Begehung unmöglich wäre: ſo kann
ſich eine Frauensperſon der Notzucht oder der Päderaſtie,
ein Nichtverwandter der Blutſchande, ein Nichtbeamter eines
eigentlichen Amtsdeliktes auf dem Wege der fingierten Thäter-
ſchaft ſchuldig machen. Das Geſetz hat dieſen ziemlich all-
gemein anerkannten Satz nur in §. 160 StGB. (Verleitung
zum Falſcheide) verleugnet. Dagegen unterbricht die freie
und vorſätzliche Handlung eines Zurechnungsfähigen den Kau-
ſalzuſammenhang (vgl. RGR. 17. Januar 1880, E I 146). 2
II. Mitthäter iſt derjenige, der in Gemeinſchaft mit
einem Andern vorſätzlich einen Teil der Ausfüh-
rungshandlung ſetzt (StGB. §. 47). 3 Eine Handlung,
die nicht Ausführungshandlung iſt, d. h. nicht in den Kreis
des vom Geſetze mit Strafe bedrohten Thuns hineinfällt,
kann nie Mitthäterſchaft begründen. 4 So ſind A und B Mit-
thäter, wenn A die Frauensperſon C vergewaltigt oder den
D mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben bedroht
und B die C mißbraucht oder dem D die Brieftaſche weg-
1
Vgl. RGR. 5. März 1880,
R I 429.
2
Ueber die eigentümliche
Konſtruktion und Präſumption
der Thäterſchaft des Redakteurs
in §. 20 Abſ. 2 Preßgeſetz vom
7. Mai 1874 vgl. Liszt Preß-
recht §§. 49 und 50.
3
Lit. bei Meyer Lehrbuch
S. 213 Note 1.
4
Von der Praxis häufig
überſehen.
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