Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Buße. §. 52.
im strafprozessualen Verfahren zu stellende Verlangen des
Verletzten (StPO. §§. 443--446) bedingt; ist die Buße an
den Verletzten zu entrichten, schließt die erkannte Buße die
Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches
aus; haften die zur Buße Verurteilten als Gesammtschuld-
ner;2 darf auf einen höheren Betrag der Buße als den
beantragten nicht erkannt werden (StPO. §. 445); kann der
Anspruch des Verletzten von dessen Rechtsnachfolgern nicht er-
hoben oder fortgesetzt werden (StPO. §. 444 Abs. 4); erfolgt
die Eintreibung nach den Vorschriften der CPO. (StPO. §. 495).

II. Charakter der Buße. Das Wesen der Buße ist
lebhaft bestritten; bald wird sie als Strafe, bald als Ent-
schädigung, bald als ein aus beiden Elementen zusammen-
gesetztes Institut betrachtet. Wenn wir im Auge behalten,
daß der Begriff der Entschädigung durch den Ersatz vermö-
gensrechtlicher Nachteile nicht erschöpft wird, sondern auch
die dem Verletzten gebührende Genugthuung für den von
ihm erlittenen Eingriff in seine Rechtssphäre überhaupt in
sich schließt (vgl. oben §. 42 II), so werden wir gegen die
Auffassung der Buße als reiner Entschädigung, besser viel-
leicht: als Genugthuung keine Bedenken erheben können.
Diese Auffassung schließt nicht aus, daß der Anspruch auf
Buße ein höchst persönlicher, nur dem Verletzten, nicht aber
seinen Erben zustehender ist. Direkte Bestätigung findet der
Genugthuungscharakter der Buße in den Nebengesetzen (verb.
"statt der Entschädigung kann auf Buße erkannt werden").
Von diesem Standpunkte aus können wir die meisten der
an die Buße anknüpfenden Kontroversen erledigen. So ist

2 [Spaltenumbruch] Wenn auch nur für die
Fälle unter 2--6 ausdrücklich
im Gesetze ausgesprochen, gilt[Spaltenumbruch] dieser Satz doch auch in gleicher
Weise für Fall 1.

Die Buße. §. 52.
im ſtrafprozeſſualen Verfahren zu ſtellende Verlangen des
Verletzten (StPO. §§. 443—446) bedingt; iſt die Buße an
den Verletzten zu entrichten, ſchließt die erkannte Buße die
Geltendmachung eines weiteren Entſchädigungsanſpruches
aus; haften die zur Buße Verurteilten als Geſammtſchuld-
ner;2 darf auf einen höheren Betrag der Buße als den
beantragten nicht erkannt werden (StPO. §. 445); kann der
Anſpruch des Verletzten von deſſen Rechtsnachfolgern nicht er-
hoben oder fortgeſetzt werden (StPO. §. 444 Abſ. 4); erfolgt
die Eintreibung nach den Vorſchriften der CPO. (StPO. §. 495).

II. Charakter der Buße. Das Weſen der Buße iſt
lebhaft beſtritten; bald wird ſie als Strafe, bald als Ent-
ſchädigung, bald als ein aus beiden Elementen zuſammen-
geſetztes Inſtitut betrachtet. Wenn wir im Auge behalten,
daß der Begriff der Entſchädigung durch den Erſatz vermö-
gensrechtlicher Nachteile nicht erſchöpft wird, ſondern auch
die dem Verletzten gebührende Genugthuung für den von
ihm erlittenen Eingriff in ſeine Rechtsſphäre überhaupt in
ſich ſchließt (vgl. oben §. 42 II), ſo werden wir gegen die
Auffaſſung der Buße als reiner Entſchädigung, beſſer viel-
leicht: als Genugthuung keine Bedenken erheben können.
Dieſe Auffaſſung ſchließt nicht aus, daß der Anſpruch auf
Buße ein höchſt perſönlicher, nur dem Verletzten, nicht aber
ſeinen Erben zuſtehender iſt. Direkte Beſtätigung findet der
Genugthuungscharakter der Buße in den Nebengeſetzen (verb.
ſtatt der Entſchädigung kann auf Buße erkannt werden“).
Von dieſem Standpunkte aus können wir die meiſten der
an die Buße anknüpfenden Kontroverſen erledigen. So iſt

2 [Spaltenumbruch] Wenn auch nur für die
Fälle unter 2—6 ausdrücklich
im Geſetze ausgeſprochen, gilt[Spaltenumbruch] dieſer Satz doch auch in gleicher
Weiſe für Fall 1.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0231" n="205"/><fw place="top" type="header">Die Buße. §. 52.</fw><lb/>
im &#x017F;trafproze&#x017F;&#x017F;ualen Verfahren zu &#x017F;tellende Verlangen des<lb/>
Verletzten (StPO. §§. 443&#x2014;446) bedingt; i&#x017F;t die Buße an<lb/>
den Verletzten zu entrichten, &#x017F;chließt die erkannte Buße die<lb/>
Geltendmachung eines weiteren Ent&#x017F;chädigungsan&#x017F;pruches<lb/>
aus; haften die zur Buße Verurteilten als Ge&#x017F;ammt&#x017F;chuld-<lb/>
ner;<note place="foot" n="2"><cb/>
Wenn auch nur für die<lb/>
Fälle unter 2&#x2014;6 ausdrücklich<lb/>
im Ge&#x017F;etze ausge&#x017F;prochen, gilt<cb/>
die&#x017F;er Satz doch auch in gleicher<lb/>
Wei&#x017F;e für Fall 1.</note> darf auf einen höheren Betrag der Buße als den<lb/>
beantragten nicht erkannt werden (StPO. §. 445); kann der<lb/>
An&#x017F;pruch des Verletzten von de&#x017F;&#x017F;en Rechtsnachfolgern nicht er-<lb/>
hoben oder fortge&#x017F;etzt werden (StPO. §. 444 Ab&#x017F;. 4); erfolgt<lb/>
die Eintreibung nach den Vor&#x017F;chriften der CPO. (StPO. §. 495).</p><lb/>
                <p><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Charakter der Buße</hi>. Das We&#x017F;en der Buße i&#x017F;t<lb/>
lebhaft be&#x017F;tritten; bald wird &#x017F;ie als Strafe, bald als Ent-<lb/>
&#x017F;chädigung, bald als ein aus beiden Elementen zu&#x017F;ammen-<lb/>
ge&#x017F;etztes In&#x017F;titut betrachtet. Wenn wir im Auge behalten,<lb/>
daß der Begriff der Ent&#x017F;chädigung durch den Er&#x017F;atz vermö-<lb/>
gensrechtlicher Nachteile nicht er&#x017F;chöpft wird, &#x017F;ondern auch<lb/>
die dem Verletzten gebührende Genugthuung für den von<lb/>
ihm erlittenen Eingriff in &#x017F;eine Rechts&#x017F;phäre überhaupt in<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chließt (vgl. oben §. 42 <hi rendition="#aq">II</hi>), &#x017F;o werden wir gegen die<lb/>
Auffa&#x017F;&#x017F;ung der Buße als reiner Ent&#x017F;chädigung, be&#x017F;&#x017F;er viel-<lb/>
leicht: <hi rendition="#g">als Genugthuung</hi> keine Bedenken erheben können.<lb/>
Die&#x017F;e Auffa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;chließt nicht aus, daß der An&#x017F;pruch auf<lb/>
Buße ein höch&#x017F;t per&#x017F;önlicher, nur dem Verletzten, nicht aber<lb/>
&#x017F;einen Erben zu&#x017F;tehender i&#x017F;t. Direkte Be&#x017F;tätigung findet der<lb/>
Genugthuungscharakter der Buße in den Nebenge&#x017F;etzen (<hi rendition="#aq">verb.</hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">&#x017F;tatt</hi> der Ent&#x017F;chädigung kann auf Buße erkannt werden&#x201C;).<lb/>
Von die&#x017F;em Standpunkte aus können wir die mei&#x017F;ten der<lb/>
an die Buße anknüpfenden Kontrover&#x017F;en erledigen. So i&#x017F;t<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0231] Die Buße. §. 52. im ſtrafprozeſſualen Verfahren zu ſtellende Verlangen des Verletzten (StPO. §§. 443—446) bedingt; iſt die Buße an den Verletzten zu entrichten, ſchließt die erkannte Buße die Geltendmachung eines weiteren Entſchädigungsanſpruches aus; haften die zur Buße Verurteilten als Geſammtſchuld- ner; 2 darf auf einen höheren Betrag der Buße als den beantragten nicht erkannt werden (StPO. §. 445); kann der Anſpruch des Verletzten von deſſen Rechtsnachfolgern nicht er- hoben oder fortgeſetzt werden (StPO. §. 444 Abſ. 4); erfolgt die Eintreibung nach den Vorſchriften der CPO. (StPO. §. 495). II. Charakter der Buße. Das Weſen der Buße iſt lebhaft beſtritten; bald wird ſie als Strafe, bald als Ent- ſchädigung, bald als ein aus beiden Elementen zuſammen- geſetztes Inſtitut betrachtet. Wenn wir im Auge behalten, daß der Begriff der Entſchädigung durch den Erſatz vermö- gensrechtlicher Nachteile nicht erſchöpft wird, ſondern auch die dem Verletzten gebührende Genugthuung für den von ihm erlittenen Eingriff in ſeine Rechtsſphäre überhaupt in ſich ſchließt (vgl. oben §. 42 II), ſo werden wir gegen die Auffaſſung der Buße als reiner Entſchädigung, beſſer viel- leicht: als Genugthuung keine Bedenken erheben können. Dieſe Auffaſſung ſchließt nicht aus, daß der Anſpruch auf Buße ein höchſt perſönlicher, nur dem Verletzten, nicht aber ſeinen Erben zuſtehender iſt. Direkte Beſtätigung findet der Genugthuungscharakter der Buße in den Nebengeſetzen (verb. „ſtatt der Entſchädigung kann auf Buße erkannt werden“). Von dieſem Standpunkte aus können wir die meiſten der an die Buße anknüpfenden Kontroverſen erledigen. So iſt 2 Wenn auch nur für die Fälle unter 2—6 ausdrücklich im Geſetze ausgeſprochen, gilt dieſer Satz doch auch in gleicher Weiſe für Fall 1.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/231
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/231>, abgerufen am 21.11.2024.