einander gegenüberstehen, ist diese Bestimmung nicht anzu- wenden.6
IV. In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an den- selben zu erlegende Buße bis zum Betrage von 6000 Mark erkannt werden. Die Zuerkennung der Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs aus (StGB. §. 231).
V.Retorsion (StGB. §. 233). Wenn leichte Körper- verletzungen (StGB. §. 223, nicht 223 a; RGR. 28. Oktober 1879, R I S. 23) mit solchen, Beleidigungen mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit ersteren auf der Stelle (d. h. in continenti, so lange die durch die Kränkung her- vorgerufene Gemütsbewegung fortdauert) erwidert werden, so kann der Richter für beide Angeschuldigte, oder für einen derselben eine der Art oder dem Maße nach mildere oder überhaupt keine Strafe eintreten lassen. Es handelt sich dabei um eine Erweiterung des dem Richter bei Be- stimmung der Strafe zugewiesenen Spielraumes, nicht aber um die Gewährung eines dem civilrechtlichen Kompensations- rechte analogen Anspruches für den Schuldigen. Dem Richter soll die Gelegenheit geboten werden, einerseits den Affekt des zuerst Angegriffenen, andererseits die Thatsache, daß dieser bereits selbst sich Sühne genommen, in um- fassendster Weise in Betracht zu ziehen. Diese Erweiterung des richterlichen Ermessens geht bis zur Gestattung der Strafumwandlung und der Verschonung von aller Strafe; sie setzt aber die Konstatierung strafbarer Handlungen auf beiden Seiten,7 mithin die Verurteilung beider Ange-
6[Spaltenumbruch]
Bestritten.
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Ebenso RGR. 16. August 1880, E II 181.
Erſtes Buch. I. Delikte gegen Leib und Leben.
einander gegenüberſtehen, iſt dieſe Beſtimmung nicht anzu- wenden.6
IV. In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an den- ſelben zu erlegende Buße bis zum Betrage von 6000 Mark erkannt werden. Die Zuerkennung der Buße ſchließt die Geltendmachung eines weiteren Entſchädigungsanſpruchs aus (StGB. §. 231).
V.Retorſion (StGB. §. 233). Wenn leichte Körper- verletzungen (StGB. §. 223, nicht 223 a; RGR. 28. Oktober 1879, R I S. 23) mit ſolchen, Beleidigungen mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit erſteren auf der Stelle (d. h. in continenti, ſo lange die durch die Kränkung her- vorgerufene Gemütsbewegung fortdauert) erwidert werden, ſo kann der Richter für beide Angeſchuldigte, oder für einen derſelben eine der Art oder dem Maße nach mildere oder überhaupt keine Strafe eintreten laſſen. Es handelt ſich dabei um eine Erweiterung des dem Richter bei Be- ſtimmung der Strafe zugewieſenen Spielraumes, nicht aber um die Gewährung eines dem civilrechtlichen Kompenſations- rechte analogen Anſpruches für den Schuldigen. Dem Richter ſoll die Gelegenheit geboten werden, einerſeits den Affekt des zuerſt Angegriffenen, andererſeits die Thatſache, daß dieſer bereits ſelbſt ſich Sühne genommen, in um- faſſendſter Weiſe in Betracht zu ziehen. Dieſe Erweiterung des richterlichen Ermeſſens geht bis zur Geſtattung der Strafumwandlung und der Verſchonung von aller Strafe; ſie ſetzt aber die Konſtatierung ſtrafbarer Handlungen auf beiden Seiten,7 mithin die Verurteilung beider Ange-
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Beſtritten.
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Ebenſo RGR. 16. Auguſt 1880, E II 181.
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Erſtes Buch. I. Delikte gegen Leib und Leben.
einander gegenüberſtehen, iſt dieſe Beſtimmung nicht anzu-
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IV. In allen Fällen der Körperverletzung kann auf
Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an den-
ſelben zu erlegende Buße bis zum Betrage von 6000 Mark
erkannt werden. Die Zuerkennung der Buße ſchließt die
Geltendmachung eines weiteren Entſchädigungsanſpruchs aus
(StGB. §. 231).
V. Retorſion (StGB. §. 233). Wenn leichte Körper-
verletzungen (StGB. §. 223, nicht 223 a; RGR. 28. Oktober
1879, R I S. 23) mit ſolchen, Beleidigungen mit leichten
Körperverletzungen oder letztere mit erſteren auf der Stelle
(d. h. in continenti, ſo lange die durch die Kränkung her-
vorgerufene Gemütsbewegung fortdauert) erwidert werden,
ſo kann der Richter für beide Angeſchuldigte, oder für einen
derſelben eine der Art oder dem Maße nach mildere oder
überhaupt keine Strafe eintreten laſſen. Es handelt ſich
dabei um eine Erweiterung des dem Richter bei Be-
ſtimmung der Strafe zugewieſenen Spielraumes, nicht aber
um die Gewährung eines dem civilrechtlichen Kompenſations-
rechte analogen Anſpruches für den Schuldigen. Dem
Richter ſoll die Gelegenheit geboten werden, einerſeits den
Affekt des zuerſt Angegriffenen, andererſeits die Thatſache,
daß dieſer bereits ſelbſt ſich Sühne genommen, in um-
faſſendſter Weiſe in Betracht zu ziehen. Dieſe Erweiterung
des richterlichen Ermeſſens geht bis zur Geſtattung der
Strafumwandlung und der Verſchonung von aller Strafe;
ſie ſetzt aber die Konſtatierung ſtrafbarer Handlungen auf
beiden Seiten, 7 mithin die Verurteilung beider Ange-
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1880, E II 181.
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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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