Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Delikte gegen die persönliche Freiheit. §. 63. I. Die partielle Verletzung (Beschränkung) der persön- 1. Die Nötigung des R StGB. (§. 240), d. h. die a) physische Gewalt,2 nicht notwendig an der Person des zu Nötigenden (in homine), aber gegen den- selben (Vergewaltigung anderer Personen oder Ge- walt an Sachen) gerichtet (in hominem), als Mittel, seine Entschließung zu bestimmen. b) psychische Gewalt oder Bedrohung, und zwar: Be- drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen. Die Drohung braucht keine ernstlich gemeinte, d. h. die Ausführung derselben braucht nicht beabsichtigt zu sein, sie muß aber dem Bedrohten als eine ernstliche erscheinen.3 Die Drohung muß gegen den zu Nö- tigenden gerichtet, d. h. zur Beeinflussung seiner Ent- schließung bestimmt und geeignet sein; nicht erforderlich ist, daß das angedrohte Verbrechen oder Vergehen an dem zu Nötigenden begangen werden soll. Die Dro- hung kann sich vielmehr, ganz wie die Gewalt, auf andere Personen oder auf Sachen beziehen. Sie kann aus- drücklich ausgesprochen oder durch symbolische Hand- lungen (Erheben der Faust, Anlegen des Gewehrs usw.) angedeutet sein. Das an sich selbstverständliche Merkmal der Wider- 2 [Spaltenumbruch]
Vgl. Wanjek GA. XXVII; auch RGR. 17. Juni 1880, E II 184, R II 81. 3 [Spaltenumbruch]
Vgl. RGR. 24. Dezember
1879, R I 173; 9. Februar 1880, R I 325. Delikte gegen die perſönliche Freiheit. §. 63. I. Die partielle Verletzung (Beſchränkung) der perſön- 1. Die Nötigung des R StGB. (§. 240), d. h. die a) phyſiſche Gewalt,2 nicht notwendig an der Perſon des zu Nötigenden (in homine), aber gegen den- ſelben (Vergewaltigung anderer Perſonen oder Ge- walt an Sachen) gerichtet (in hominem), als Mittel, ſeine Entſchließung zu beſtimmen. b) pſychiſche Gewalt oder Bedrohung, und zwar: Be- drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen. Die Drohung braucht keine ernſtlich gemeinte, d. h. die Ausführung derſelben braucht nicht beabſichtigt zu ſein, ſie muß aber dem Bedrohten als eine ernſtliche erſcheinen.3 Die Drohung muß gegen den zu Nö- tigenden gerichtet, d. h. zur Beeinfluſſung ſeiner Ent- ſchließung beſtimmt und geeignet ſein; nicht erforderlich iſt, daß das angedrohte Verbrechen oder Vergehen an dem zu Nötigenden begangen werden ſoll. Die Dro- hung kann ſich vielmehr, ganz wie die Gewalt, auf andere Perſonen oder auf Sachen beziehen. Sie kann aus- drücklich ausgeſprochen oder durch ſymboliſche Hand- lungen (Erheben der Fauſt, Anlegen des Gewehrs uſw.) angedeutet ſein. Das an ſich ſelbſtverſtändliche Merkmal der Wider- 2 [Spaltenumbruch]
Vgl. Wanjek GA. XXVII; auch RGR. 17. Juni 1880, E II 184, R II 81. 3 [Spaltenumbruch]
Vgl. RGR. 24. Dezember
1879, R I 173; 9. Februar 1880, R I 325. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0277" n="251"/> <fw place="top" type="header">Delikte gegen die perſönliche Freiheit. §. 63.</fw><lb/> <p><hi rendition="#aq">I.</hi> Die <hi rendition="#g">partielle</hi> Verletzung (Beſchränkung) der perſön-<lb/> lichen Freiheit, oder die <hi rendition="#g">Nötigung</hi>.</p><lb/> <p>1. <hi rendition="#g">Die Nötigung des R StGB</hi>. (§. 240), d. h. die<lb/> Nötigung zu irgend einer Handlung, Duldung oder Unter-<lb/> laſſung, wenn durch gewiſſe Mittel bewirkt. Dieſe Mittel<lb/> ſind:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a</hi>) <hi rendition="#g">phyſiſche Gewalt</hi>,<note place="foot" n="2"><cb/> Vgl. <hi rendition="#g">Wanjek</hi> GA. <hi rendition="#aq">XXVII;</hi><lb/> auch RGR. 17. Juni 1880, <hi rendition="#aq">E<lb/> II</hi> 184, <hi rendition="#aq">R II</hi> 81.</note> nicht notwendig <hi rendition="#g">an</hi> der Perſon<lb/> des zu Nötigenden (<hi rendition="#aq">in homine</hi>), aber <hi rendition="#g">gegen den-<lb/> ſelben</hi> (Vergewaltigung anderer Perſonen oder Ge-<lb/> walt an Sachen) <hi rendition="#g">gerichtet</hi> (<hi rendition="#aq">in hominem</hi>), als Mittel,<lb/> ſeine Entſchließung zu beſtimmen.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">b</hi>) pſychiſche Gewalt oder <hi rendition="#g">Bedrohung</hi>, und zwar: Be-<lb/> drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen. Die<lb/> Drohung braucht keine ernſtlich gemeinte, d. h. die<lb/> Ausführung derſelben braucht nicht beabſichtigt zu<lb/> ſein, ſie muß aber dem Bedrohten als eine ernſtliche<lb/> erſcheinen.<note place="foot" n="3"><cb/> Vgl. RGR. 24. Dezember<lb/> 1879, <hi rendition="#aq">R I</hi> 173; 9. Februar<lb/> 1880, <hi rendition="#aq">R I</hi> 325.</note> Die Drohung muß <hi rendition="#g">gegen</hi> den zu Nö-<lb/> tigenden gerichtet, d. h. zur Beeinfluſſung ſeiner Ent-<lb/> ſchließung beſtimmt und geeignet ſein; nicht erforderlich<lb/> iſt, daß das angedrohte Verbrechen oder Vergehen <hi rendition="#g">an</hi><lb/> dem zu Nötigenden begangen werden ſoll. Die Dro-<lb/> hung kann ſich vielmehr, ganz wie die Gewalt, auf andere<lb/> Perſonen oder auf Sachen beziehen. Sie kann aus-<lb/> drücklich ausgeſprochen oder durch ſymboliſche Hand-<lb/> lungen (Erheben der Fauſt, Anlegen des Gewehrs uſw.)<lb/> angedeutet ſein.</item> </list><lb/> <p>Das an ſich ſelbſtverſtändliche Merkmal der <hi rendition="#g">Wider-<lb/> rechtlichkeit</hi> der Nötigung iſt in den Thatbeſtand auf-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [251/0277]
Delikte gegen die perſönliche Freiheit. §. 63.
I. Die partielle Verletzung (Beſchränkung) der perſön-
lichen Freiheit, oder die Nötigung.
1. Die Nötigung des R StGB. (§. 240), d. h. die
Nötigung zu irgend einer Handlung, Duldung oder Unter-
laſſung, wenn durch gewiſſe Mittel bewirkt. Dieſe Mittel
ſind:
a) phyſiſche Gewalt, 2 nicht notwendig an der Perſon
des zu Nötigenden (in homine), aber gegen den-
ſelben (Vergewaltigung anderer Perſonen oder Ge-
walt an Sachen) gerichtet (in hominem), als Mittel,
ſeine Entſchließung zu beſtimmen.
b) pſychiſche Gewalt oder Bedrohung, und zwar: Be-
drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen. Die
Drohung braucht keine ernſtlich gemeinte, d. h. die
Ausführung derſelben braucht nicht beabſichtigt zu
ſein, ſie muß aber dem Bedrohten als eine ernſtliche
erſcheinen. 3 Die Drohung muß gegen den zu Nö-
tigenden gerichtet, d. h. zur Beeinfluſſung ſeiner Ent-
ſchließung beſtimmt und geeignet ſein; nicht erforderlich
iſt, daß das angedrohte Verbrechen oder Vergehen an
dem zu Nötigenden begangen werden ſoll. Die Dro-
hung kann ſich vielmehr, ganz wie die Gewalt, auf andere
Perſonen oder auf Sachen beziehen. Sie kann aus-
drücklich ausgeſprochen oder durch ſymboliſche Hand-
lungen (Erheben der Fauſt, Anlegen des Gewehrs uſw.)
angedeutet ſein.
Das an ſich ſelbſtverſtändliche Merkmal der Wider-
rechtlichkeit der Nötigung iſt in den Thatbeſtand auf-
2
Vgl. Wanjek GA. XXVII;
auch RGR. 17. Juni 1880, E
II 184, R II 81.
3
Vgl. RGR. 24. Dezember
1879, R I 173; 9. Februar
1880, R I 325.
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