Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.Einleitung. I. Die Grundbegriffe. welchem der Gesetzgeber gerade gewisse Thatbestände zuVoraussetzungen für den Eintritt seiner Strafgewalt erklärt. I. Jedes Verbrechen erscheint zunächst als eine Ueber- 1. In weitaus den meisten Fällen bedroht der Gesetz- 2. In anderen Fällen muß zu der Normübertretung die 3. Insbesondere aber ist der Umstand ins Auge zu 1 Zum Folgenden vgl. Binding Normen.
Einleitung. I. Die Grundbegriffe. welchem der Geſetzgeber gerade gewiſſe Thatbeſtände zuVorausſetzungen für den Eintritt ſeiner Strafgewalt erklärt. I. Jedes Verbrechen erſcheint zunächſt als eine Ueber- 1. In weitaus den meiſten Fällen bedroht der Geſetz- 2. In anderen Fällen muß zu der Normübertretung die 3. Insbeſondere aber iſt der Umſtand ins Auge zu 1 Zum Folgenden vgl. Binding Normen.
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Einleitung. I. Die Grundbegriffe.
welchem der Geſetzgeber gerade gewiſſe Thatbeſtände zu
Vorausſetzungen für den Eintritt ſeiner Strafgewalt erklärt.
I. Jedes Verbrechen erſcheint zunächſt als eine Ueber-
tretung des der Strafdrohung zu Grunde liegenden Impe-
rativs. Die ſchuldhafte Uebertretung einer ſtaat-
lichen Norm nennen wir (mit Binding) Delikt. Jedes
Verbrechen iſt alſo Delikt und muß alle Merkmale desſelben
an ſich tragen. Aber noch ein Merkmal mehr: Verbrechen
iſt das mit Strafe belegte Delikt. Nicht jedes Delikt
iſt mithin Verbrechen. 1
1. In weitaus den meiſten Fällen bedroht der Geſetz-
geber vielmehr nur die durch irgend einen Umſtand quali-
fizirte Normübertretung mit Strafe. So iſt jede Kuppelei
Delikt, aber nur die gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz
begangene iſt Verbrechen (StGB. §. 180).
2. In anderen Fällen muß zu der Normübertretung die
Erfüllung einer weiteren, ganz außerhalb dieſer liegenden
Bedingung hinzutreten, um die Strafbarkeit des Deliktes
herbeizuführen: ſo der Antrag des Verletzten, oder die Ver-
bürgung der Gegenſeitigkeit (StGB. §§. 102, 103); Straf-
drohung einer auswärtigen Geſetzgebung (StGB. §. 4 Nr. 3);
Auflöſung oder Scheidung einer Ehe (StGB. §§. 170, 172,
238); Oeffentlichkeit der Verübung (StGB. §. 183 u. A.) uſw.
Es ſind dieß die doppelt bedingten Strafdrohungen, wie
Binding ſie genannt hat.
3. Insbeſondere aber iſt der Umſtand ins Auge zu
faſſen, daß an die Uebertretungen einer und derſelben Norm
je nach der verſchiedenen Qualifikation der Uebertretung ver-
ſchiedene Straffolgen geknüpft ſein können, ſo daß dem einen
1 Zum Folgenden vgl. Binding Normen.
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