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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Viertes Buch. II. Delikte gegen die Staatsgewalt etc.
hin, als die für die gewöhnliche Beleidigung gegebenen be-
sonderen (also nicht aus dem Begriffe des Verbrechens fol-
genden) Bestimmungen, so jene über Antragserfordernis,
Buße, Retorsion usw., auf die Majestätsbeleidigung keine
Anwendung finden.

2. Nur der monarchische Träger der Souveränität,
sowie die Mitglieder seiner Familie und sein Repräsentant
(der Regent) können nach heutigem deutschen Rechte Objekt
der Majestätsbeleidigung sein; die Träger der Souveränität
in den republikanischen Gemeinwesen Deutschlands ent-
behren des erhöhten strafrechtlichen Schutzes ihrer Ehre. Der
staatsrechtlichen Gestaltung des deutschen Reiches entsprechend,
hebt das Gesetz den Kaiser, den Landesherrn des Hei-
matsstaates
und jenen des Aufenthaltsstaates des
Thäters aus den übrigen Bundesfürsten hervor;1 eigentüm-
licher Weise kommt die Familie des Kaisers (insbesondere
der deutsche Kronprinz) nur als landesherrliche Familie
(Kronprinz von Preußen) in Betracht.

3. Eigentliche Majestätsbeleidigung ist nur gegen einen
deutschen Monarchen positiv rechtlich möglich; doch ge-
nießen auch die Landesherren und Regenten, sowie die diplo-
matischen Repräsentanten ausländischer Staatswesen
unter gewissen Voraussetzungen eines -- geringeren --
Schutzes durch das deutsche Strafrecht (vgl. unten IV).

4. Die Strafen stufen sich ab, je nachdem es sich um
eine Thätlichkeit (Begriff oben §. 80 S. 322) oder um eine
einfache Beleidigung handelt. Als Beleidigung haben wir
hier wohl die oben §. 80 II 1, 2, 3, 4 (StGB. §§. 185,

1 Gegen diese Unterscheidungen Zorn Staatsrecht S. 276 ff.

Viertes Buch. II. Delikte gegen die Staatsgewalt ꝛc.
hin, als die für die gewöhnliche Beleidigung gegebenen be-
ſonderen (alſo nicht aus dem Begriffe des Verbrechens fol-
genden) Beſtimmungen, ſo jene über Antragserfordernis,
Buße, Retorſion uſw., auf die Majeſtätsbeleidigung keine
Anwendung finden.

2. Nur der monarchiſche Träger der Souveränität,
ſowie die Mitglieder ſeiner Familie und ſein Repräſentant
(der Regent) können nach heutigem deutſchen Rechte Objekt
der Majeſtätsbeleidigung ſein; die Träger der Souveränität
in den republikaniſchen Gemeinweſen Deutſchlands ent-
behren des erhöhten ſtrafrechtlichen Schutzes ihrer Ehre. Der
ſtaatsrechtlichen Geſtaltung des deutſchen Reiches entſprechend,
hebt das Geſetz den Kaiſer, den Landesherrn des Hei-
matsſtaates
und jenen des Aufenthaltsſtaates des
Thäters aus den übrigen Bundesfürſten hervor;1 eigentüm-
licher Weiſe kommt die Familie des Kaiſers (insbeſondere
der deutſche Kronprinz) nur als landesherrliche Familie
(Kronprinz von Preußen) in Betracht.

3. Eigentliche Majeſtätsbeleidigung iſt nur gegen einen
deutſchen Monarchen poſitiv rechtlich möglich; doch ge-
nießen auch die Landesherren und Regenten, ſowie die diplo-
matiſchen Repräſentanten ausländiſcher Staatsweſen
unter gewiſſen Vorausſetzungen eines — geringeren —
Schutzes durch das deutſche Strafrecht (vgl. unten IV).

4. Die Strafen ſtufen ſich ab, je nachdem es ſich um
eine Thätlichkeit (Begriff oben §. 80 S. 322) oder um eine
einfache Beleidigung handelt. Als Beleidigung haben wir
hier wohl die oben §. 80 II 1, 2, 3, 4 (StGB. §§. 185,

1 Gegen dieſe Unterſcheidungen Zorn Staatsrecht S. 276 ff.
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[402/0428] Viertes Buch. II. Delikte gegen die Staatsgewalt ꝛc. hin, als die für die gewöhnliche Beleidigung gegebenen be- ſonderen (alſo nicht aus dem Begriffe des Verbrechens fol- genden) Beſtimmungen, ſo jene über Antragserfordernis, Buße, Retorſion uſw., auf die Majeſtätsbeleidigung keine Anwendung finden. 2. Nur der monarchiſche Träger der Souveränität, ſowie die Mitglieder ſeiner Familie und ſein Repräſentant (der Regent) können nach heutigem deutſchen Rechte Objekt der Majeſtätsbeleidigung ſein; die Träger der Souveränität in den republikaniſchen Gemeinweſen Deutſchlands ent- behren des erhöhten ſtrafrechtlichen Schutzes ihrer Ehre. Der ſtaatsrechtlichen Geſtaltung des deutſchen Reiches entſprechend, hebt das Geſetz den Kaiſer, den Landesherrn des Hei- matsſtaates und jenen des Aufenthaltsſtaates des Thäters aus den übrigen Bundesfürſten hervor; 1 eigentüm- licher Weiſe kommt die Familie des Kaiſers (insbeſondere der deutſche Kronprinz) nur als landesherrliche Familie (Kronprinz von Preußen) in Betracht. 3. Eigentliche Majeſtätsbeleidigung iſt nur gegen einen deutſchen Monarchen poſitiv rechtlich möglich; doch ge- nießen auch die Landesherren und Regenten, ſowie die diplo- matiſchen Repräſentanten ausländiſcher Staatsweſen unter gewiſſen Vorausſetzungen eines — geringeren — Schutzes durch das deutſche Strafrecht (vgl. unten IV). 4. Die Strafen ſtufen ſich ab, je nachdem es ſich um eine Thätlichkeit (Begriff oben §. 80 S. 322) oder um eine einfache Beleidigung handelt. Als Beleidigung haben wir hier wohl die oben §. 80 II 1, 2, 3, 4 (StGB. §§. 185, 1 Gegen dieſe Unterſcheidungen Zorn Staatsrecht S. 276 ff.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/428>, abgerufen am 22.11.2024.