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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechtsverhältnis.

Der oft erörterte Gedanke eines ewigen Friedens ist Utopie
geblieben. Aus den zahlreichen Schriften, welche diese Frage be-
handeln, seien hervorgehoben: Abbe de St. Pierre (+ 1743),
Projet de traite pour rendre la paix perpetuelle entre les souve-
rains chretiens etc. 1713 (im Jahre des Utrechter Friedens; be-
sprochen von Rousseau 1761). Kant, Zum ewigen Frieden.
Ein philosophischer Entwurf. 1. Aufl. 1795, 2. Aufl. 1796. Dazu
insbesondere Staudinger, Kants Traktat zum ewigen Frieden.
Ein Jubiläumsepilog. In Vaihingers Kantstudien I. Heft 3.

Für die Bestrebungen der heute über die ganze Erde ver-
breiteten Friedensvereine bietet sich eine lohnende Doppelaufgabe:
einerseits die Bildung eines ständigen Staatengerichtshofes mit
fakultativer Kompetenz (oben II 4), andrerseits die Kodifizierung
des Kriegsrechtes. Die folgerichtige Auffassung, dass der Krieg
ein Rechtsverhältnis darstellt, eine Summe von Rechten und
Pflichten zwischen den Kriegführenden untereinander und zwischen
ihnen und den neutralen Staaten erzeugt, wird mehr als jede
andere von den Friedensvereinen vorgeschlagene Massregel dazu
beitragen, die Übel des Krieges auf ein verhältnismässig geringes
Mass zurückzuführen.

§ 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechtsverhältnis.
Allgemeine Grundsätze.

Guelle, Precis des lois de la guerre sur terre. 1884.

Pillet, Le droit de la guerre. 2 Bde. 1892--1894.

Rettich, Zur Theorie und Geschichte des Rechtes zum Krieg. 1888.

I.

Krieg ist der mit Waffengewalt geführte Kampf zweier oder
mehrerer Staaten.

1. Subjekte des Krieges und der dadurch begründeten Rechts-
verhältnisse können mithin nur souveräne Staaten als die selbständigen
Träger völkerrechtlicher Berechtigungen und Verpflichtungen sein.

Privatpersonen (Kolonialgesellschaften) und Staatsteilen (ent-
fernten, unter selbständiger Verwaltung stehenden Kolonieen) kann

§ 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechtsverhältnis.

Der oft erörterte Gedanke eines ewigen Friedens ist Utopie
geblieben. Aus den zahlreichen Schriften, welche diese Frage be-
handeln, seien hervorgehoben: Abbé de St. Pierre († 1743),
Projet de traité pour rendre la paix perpétuelle entre les souve-
rains chrétiens etc. 1713 (im Jahre des Utrechter Friedens; be-
sprochen von Rousseau 1761). Kant, Zum ewigen Frieden.
Ein philosophischer Entwurf. 1. Aufl. 1795, 2. Aufl. 1796. Dazu
insbesondere Staudinger, Kants Traktat zum ewigen Frieden.
Ein Jubiläumsepilog. In Vaihingers Kantstudien I. Heft 3.

Für die Bestrebungen der heute über die ganze Erde ver-
breiteten Friedensvereine bietet sich eine lohnende Doppelaufgabe:
einerseits die Bildung eines ständigen Staatengerichtshofes mit
fakultativer Kompetenz (oben II 4), andrerseits die Kodifizierung
des Kriegsrechtes. Die folgerichtige Auffassung, daſs der Krieg
ein Rechtsverhältnis darstellt, eine Summe von Rechten und
Pflichten zwischen den Kriegführenden untereinander und zwischen
ihnen und den neutralen Staaten erzeugt, wird mehr als jede
andere von den Friedensvereinen vorgeschlagene Maſsregel dazu
beitragen, die Übel des Krieges auf ein verhältnismäſsig geringes
Maſs zurückzuführen.

§ 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechtsverhältnis.
Allgemeine Grundsätze.

Guelle, Précis des lois de la guerre sur terre. 1884.

Pillet, Le droit de la guerre. 2 Bde. 1892—1894.

Rettich, Zur Theorie und Geschichte des Rechtes zum Krieg. 1888.

I.

Krieg ist der mit Waffengewalt geführte Kampf zweier oder
mehrerer Staaten.

1. Subjekte des Krieges und der dadurch begründeten Rechts-
verhältnisse können mithin nur souveräne Staaten als die selbständigen
Träger völkerrechtlicher Berechtigungen und Verpflichtungen sein.

Privatpersonen (Kolonialgesellschaften) und Staatsteilen (ent-
fernten, unter selbständiger Verwaltung stehenden Kolonieen) kann

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[207/0229] § 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechtsverhältnis. Der oft erörterte Gedanke eines ewigen Friedens ist Utopie geblieben. Aus den zahlreichen Schriften, welche diese Frage be- handeln, seien hervorgehoben: Abbé de St. Pierre († 1743), Projet de traité pour rendre la paix perpétuelle entre les souve- rains chrétiens etc. 1713 (im Jahre des Utrechter Friedens; be- sprochen von Rousseau 1761). Kant, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. 1. Aufl. 1795, 2. Aufl. 1796. Dazu insbesondere Staudinger, Kants Traktat zum ewigen Frieden. Ein Jubiläumsepilog. In Vaihingers Kantstudien I. Heft 3. Für die Bestrebungen der heute über die ganze Erde ver- breiteten Friedensvereine bietet sich eine lohnende Doppelaufgabe: einerseits die Bildung eines ständigen Staatengerichtshofes mit fakultativer Kompetenz (oben II 4), andrerseits die Kodifizierung des Kriegsrechtes. Die folgerichtige Auffassung, daſs der Krieg ein Rechtsverhältnis darstellt, eine Summe von Rechten und Pflichten zwischen den Kriegführenden untereinander und zwischen ihnen und den neutralen Staaten erzeugt, wird mehr als jede andere von den Friedensvereinen vorgeschlagene Maſsregel dazu beitragen, die Übel des Krieges auf ein verhältnismäſsig geringes Maſs zurückzuführen. § 39. Der Krieg als völkerrechtliches Rechtsverhältnis. Allgemeine Grundsätze. Guelle, Précis des lois de la guerre sur terre. 1884. Pillet, Le droit de la guerre. 2 Bde. 1892—1894. Rettich, Zur Theorie und Geschichte des Rechtes zum Krieg. 1888. I. Krieg ist der mit Waffengewalt geführte Kampf zweier oder mehrerer Staaten. 1. Subjekte des Krieges und der dadurch begründeten Rechts- verhältnisse können mithin nur souveräne Staaten als die selbständigen Träger völkerrechtlicher Berechtigungen und Verpflichtungen sein. Privatpersonen (Kolonialgesellschaften) und Staatsteilen (ent- fernten, unter selbständiger Verwaltung stehenden Kolonieen) kann

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/229>, abgerufen am 25.11.2024.