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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.

Von einzelnen Vereinbarungen abgesehen (so Pariser Dekla-
ration von 1856, Genfer Konvention von 1864, Petersburger Kon-
vention von 1868), gehören diese Rechtsregeln dem ungeschriebenen
Rechte an. Die von der russischen Regierung 1874 einberufene
Staatenkonferenz, deren Aufgabe die Vereinbarung eines umfassenden
Kriegsgesetzbuchs war, scheiterte insbesondere an dem Widerstreben
Englands (Lord Derby). Die "Brüsseler Deklaration", das Er-
gebnis dieser Beratungen, hat jedoch nicht nur dem Institut für
Völkerrecht als Grundlage für das von diesem 1880 ausgearbeitete
und 1881 an die verschiedenen Regierungen verschickte Manuel des
lois de la guerre sur terre (Briefwechsel zwischen Bluntschli und
Moltke), sondern auch verschiedenen Mächten als Vorbild für die
von diesen erlassenen Gesetze und Verordnungen gedient.

Vereinbarungen über die Beachtung des Kriegsrechts finden
sich mehrfach in den Staatenverträgen. Vgl. den deutschen Freund-
schafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Mexiko vom 5. De-
zember 1882 (R. G. Bl. 1883 S. 247) Artikel 17: "Hinsichtlich
ihrer Beziehungen in Kriegszeiten, sei es als Kriegführende, sei
es als Neutrale, werden sich die vertragschliessenden Teile nach
den Normen des Völkerrechts richten, welche von den gesitteten
Nationen allgemein anerkannt sind. Auf dem Gebiete des inter-
nationalen Seerechts insbesondere verpflichten sie sich, gegen ein-
ander die Regeln 2, 3 und 4 der Pariser Deklaration vom 16. April
1856 (also mit Ausschluss der auf die Kaperei bezüglichen Regel 1)
zu beobachten, jedoch mit dem Vorbehalt von Seiten der Vereinigten
Staaten von Mexiko, dass diese, sofern sie sich im Kriege mit
einer dritten Macht befinden sollten, das unter neutraler Flagge
befindliche Gut des Feindes nur in dem Fall als frei anerkennen
werden, wenn die genannte Macht den gleichen Grundsatz des
Seerechts auch ihrerseits gegen Mexiko gelten lässt."

Auf die sämtlichen "Regeln von 1856" bezieht sich der
deutsche Freundschafts- u. s. w. Vertrag mit Salvador vom 13. Juni
1870 (R. G. Bl. 1872 S. 377) Artikel XIX und XX.


IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.

Von einzelnen Vereinbarungen abgesehen (so Pariser Dekla-
ration von 1856, Genfer Konvention von 1864, Petersburger Kon-
vention von 1868), gehören diese Rechtsregeln dem ungeschriebenen
Rechte an. Die von der russischen Regierung 1874 einberufene
Staatenkonferenz, deren Aufgabe die Vereinbarung eines umfassenden
Kriegsgesetzbuchs war, scheiterte insbesondere an dem Widerstreben
Englands (Lord Derby). Die „Brüsseler Deklaration“, das Er-
gebnis dieser Beratungen, hat jedoch nicht nur dem Institut für
Völkerrecht als Grundlage für das von diesem 1880 ausgearbeitete
und 1881 an die verschiedenen Regierungen verschickte Manuel des
lois de la guerre sur terre (Briefwechsel zwischen Bluntschli und
Moltke), sondern auch verschiedenen Mächten als Vorbild für die
von diesen erlassenen Gesetze und Verordnungen gedient.

Vereinbarungen über die Beachtung des Kriegsrechts finden
sich mehrfach in den Staatenverträgen. Vgl. den deutschen Freund-
schafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Mexiko vom 5. De-
zember 1882 (R. G. Bl. 1883 S. 247) Artikel 17: „Hinsichtlich
ihrer Beziehungen in Kriegszeiten, sei es als Kriegführende, sei
es als Neutrale, werden sich die vertragschlieſsenden Teile nach
den Normen des Völkerrechts richten, welche von den gesitteten
Nationen allgemein anerkannt sind. Auf dem Gebiete des inter-
nationalen Seerechts insbesondere verpflichten sie sich, gegen ein-
ander die Regeln 2, 3 und 4 der Pariser Deklaration vom 16. April
1856 (also mit Ausschluſs der auf die Kaperei bezüglichen Regel 1)
zu beobachten, jedoch mit dem Vorbehalt von Seiten der Vereinigten
Staaten von Mexiko, daſs diese, sofern sie sich im Kriege mit
einer dritten Macht befinden sollten, das unter neutraler Flagge
befindliche Gut des Feindes nur in dem Fall als frei anerkennen
werden, wenn die genannte Macht den gleichen Grundsatz des
Seerechts auch ihrerseits gegen Mexiko gelten läſst.“

Auf die sämtlichen „Regeln von 1856“ bezieht sich der
deutsche Freundschafts- u. s. w. Vertrag mit Salvador vom 13. Juni
1870 (R. G. Bl. 1872 S. 377) Artikel XIX und XX.


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[210/0232] IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung. Von einzelnen Vereinbarungen abgesehen (so Pariser Dekla- ration von 1856, Genfer Konvention von 1864, Petersburger Kon- vention von 1868), gehören diese Rechtsregeln dem ungeschriebenen Rechte an. Die von der russischen Regierung 1874 einberufene Staatenkonferenz, deren Aufgabe die Vereinbarung eines umfassenden Kriegsgesetzbuchs war, scheiterte insbesondere an dem Widerstreben Englands (Lord Derby). Die „Brüsseler Deklaration“, das Er- gebnis dieser Beratungen, hat jedoch nicht nur dem Institut für Völkerrecht als Grundlage für das von diesem 1880 ausgearbeitete und 1881 an die verschiedenen Regierungen verschickte Manuel des lois de la guerre sur terre (Briefwechsel zwischen Bluntschli und Moltke), sondern auch verschiedenen Mächten als Vorbild für die von diesen erlassenen Gesetze und Verordnungen gedient. Vereinbarungen über die Beachtung des Kriegsrechts finden sich mehrfach in den Staatenverträgen. Vgl. den deutschen Freund- schafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Mexiko vom 5. De- zember 1882 (R. G. Bl. 1883 S. 247) Artikel 17: „Hinsichtlich ihrer Beziehungen in Kriegszeiten, sei es als Kriegführende, sei es als Neutrale, werden sich die vertragschlieſsenden Teile nach den Normen des Völkerrechts richten, welche von den gesitteten Nationen allgemein anerkannt sind. Auf dem Gebiete des inter- nationalen Seerechts insbesondere verpflichten sie sich, gegen ein- ander die Regeln 2, 3 und 4 der Pariser Deklaration vom 16. April 1856 (also mit Ausschluſs der auf die Kaperei bezüglichen Regel 1) zu beobachten, jedoch mit dem Vorbehalt von Seiten der Vereinigten Staaten von Mexiko, daſs diese, sofern sie sich im Kriege mit einer dritten Macht befinden sollten, das unter neutraler Flagge befindliche Gut des Feindes nur in dem Fall als frei anerkennen werden, wenn die genannte Macht den gleichen Grundsatz des Seerechts auch ihrerseits gegen Mexiko gelten läſst.“ Auf die sämtlichen „Regeln von 1856“ bezieht sich der deutsche Freundschafts- u. s. w. Vertrag mit Salvador vom 13. Juni 1870 (R. G. Bl. 1872 S. 377) Artikel XIX und XX.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/232>, abgerufen am 25.11.2024.