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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 40. Die einzelnen Kriegsrechtssätze.

Der Kriegsschauplatz kann durch die Neutralisierung einzelner Ge-
bietsteile eingeschränkt werden. Auf diesen Gebieten dürfen kriegerische
Operationen nicht vorgenommen werden. Die Neutralisierung kann
entweder auf einer besonderen, für einen bestimmten Krieg getroffenen
Vereinbarung der streitenden Teile, oder aber auf allgemeinen und
dauernden Abmachungen beruhen.

Besondere Vereinbarungen sind auch in früheren Zeiten
häufig (so bezüglich besuchter Badeorte) getroffen worden. Durch
Artikel 11 der Kongoakte von 1885 verpflichten sich die Signatar-
mächte, ihre guten Dienste zu leihen, damit durch Vereinbarung
der Kriegführenden deren in dem konventionellen Kongobecken be-
legene Besitzungen "den Gesetzen der Neutralität" unterstellt werden.

Die dauernde Neutralisierung gewisser Gebiete, zu unter-
scheiden von der Neutralisierung ganzer Staaten (oben § 6 III) und
daher besser "Befriedung" genannt, kann sich auf Landgebiet wie
auf Wassergebiet der Kriegführenden erstrecken.

Dabei tritt, insbesondere soweit es sich um die Neutrali-
sierung von Wasserstrassen handelt, eine wichtige Verschiedenheit
hervor.

a) Es kann sein, und das ist die ältere Form der Abmachungen,
dass den Truppen und Kriegsschiffen der Kriegführenden
der Zutritt zu dem neutralisierten Gebiet unbedingt unter-
sagt ist (sogenannte negative Neutralisierung).
b) Es kann aber auch sein, dass die neutralisierten Gebiete
(Wasserstrassen) auch in Kriegszeiten den Truppen und
Kriegsschiffen der Kriegführenden offen stehen, dass diese
aber keinerlei kriegerische Operationen in diesen Gebieten
vornehmen dürfen (sogenannte positive Neutralisierung
oder Internationalisierung).

In jedem dieser beiden Fälle sind kriegerische Unternehmungen
irgend welcher Art auf den neutralisierten Gebieten ausgeschlossen.
Daraus folgt, dass insbesondere auch die Blokierung von neu-
tralisierten Stromläufen
als völkerrechtswidrig angesehen werden
muss. Doch weiss die Geschichte von mancher Verletzung dieser
Rechtsregel zu berichten. Daher ist mehrfach der Ausschluss der

§ 40. Die einzelnen Kriegsrechtssätze.

Der Kriegsschauplatz kann durch die Neutralisierung einzelner Ge-
bietsteile eingeschränkt werden. Auf diesen Gebieten dürfen kriegerische
Operationen nicht vorgenommen werden. Die Neutralisierung kann
entweder auf einer besonderen, für einen bestimmten Krieg getroffenen
Vereinbarung der streitenden Teile, oder aber auf allgemeinen und
dauernden Abmachungen beruhen.

Besondere Vereinbarungen sind auch in früheren Zeiten
häufig (so bezüglich besuchter Badeorte) getroffen worden. Durch
Artikel 11 der Kongoakte von 1885 verpflichten sich die Signatar-
mächte, ihre guten Dienste zu leihen, damit durch Vereinbarung
der Kriegführenden deren in dem konventionellen Kongobecken be-
legene Besitzungen „den Gesetzen der Neutralität“ unterstellt werden.

Die dauernde Neutralisierung gewisser Gebiete, zu unter-
scheiden von der Neutralisierung ganzer Staaten (oben § 6 III) und
daher besser „Befriedung“ genannt, kann sich auf Landgebiet wie
auf Wassergebiet der Kriegführenden erstrecken.

Dabei tritt, insbesondere soweit es sich um die Neutrali-
sierung von Wasserstraſsen handelt, eine wichtige Verschiedenheit
hervor.

a) Es kann sein, und das ist die ältere Form der Abmachungen,
daſs den Truppen und Kriegsschiffen der Kriegführenden
der Zutritt zu dem neutralisierten Gebiet unbedingt unter-
sagt ist (sogenannte negative Neutralisierung).
b) Es kann aber auch sein, daſs die neutralisierten Gebiete
(Wasserstraſsen) auch in Kriegszeiten den Truppen und
Kriegsschiffen der Kriegführenden offen stehen, daſs diese
aber keinerlei kriegerische Operationen in diesen Gebieten
vornehmen dürfen (sogenannte positive Neutralisierung
oder Internationalisierung).

In jedem dieser beiden Fälle sind kriegerische Unternehmungen
irgend welcher Art auf den neutralisierten Gebieten ausgeschlossen.
Daraus folgt, daſs insbesondere auch die Blokierung von neu-
tralisierten Stromläufen
als völkerrechtswidrig angesehen werden
muſs. Doch weiſs die Geschichte von mancher Verletzung dieser
Rechtsregel zu berichten. Daher ist mehrfach der Ausschluſs der

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[217/0239] § 40. Die einzelnen Kriegsrechtssätze. Der Kriegsschauplatz kann durch die Neutralisierung einzelner Ge- bietsteile eingeschränkt werden. Auf diesen Gebieten dürfen kriegerische Operationen nicht vorgenommen werden. Die Neutralisierung kann entweder auf einer besonderen, für einen bestimmten Krieg getroffenen Vereinbarung der streitenden Teile, oder aber auf allgemeinen und dauernden Abmachungen beruhen. Besondere Vereinbarungen sind auch in früheren Zeiten häufig (so bezüglich besuchter Badeorte) getroffen worden. Durch Artikel 11 der Kongoakte von 1885 verpflichten sich die Signatar- mächte, ihre guten Dienste zu leihen, damit durch Vereinbarung der Kriegführenden deren in dem konventionellen Kongobecken be- legene Besitzungen „den Gesetzen der Neutralität“ unterstellt werden. Die dauernde Neutralisierung gewisser Gebiete, zu unter- scheiden von der Neutralisierung ganzer Staaten (oben § 6 III) und daher besser „Befriedung“ genannt, kann sich auf Landgebiet wie auf Wassergebiet der Kriegführenden erstrecken. Dabei tritt, insbesondere soweit es sich um die Neutrali- sierung von Wasserstraſsen handelt, eine wichtige Verschiedenheit hervor. a) Es kann sein, und das ist die ältere Form der Abmachungen, daſs den Truppen und Kriegsschiffen der Kriegführenden der Zutritt zu dem neutralisierten Gebiet unbedingt unter- sagt ist (sogenannte negative Neutralisierung). b) Es kann aber auch sein, daſs die neutralisierten Gebiete (Wasserstraſsen) auch in Kriegszeiten den Truppen und Kriegsschiffen der Kriegführenden offen stehen, daſs diese aber keinerlei kriegerische Operationen in diesen Gebieten vornehmen dürfen (sogenannte positive Neutralisierung oder Internationalisierung). In jedem dieser beiden Fälle sind kriegerische Unternehmungen irgend welcher Art auf den neutralisierten Gebieten ausgeschlossen. Daraus folgt, daſs insbesondere auch die Blokierung von neu- tralisierten Stromläufen als völkerrechtswidrig angesehen werden muſs. Doch weiſs die Geschichte von mancher Verletzung dieser Rechtsregel zu berichten. Daher ist mehrfach der Ausschluſs der

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/239>, abgerufen am 25.11.2024.