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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet.
ausdrücklich ausgesprochen und näher bestimmt als "das Vor-
handensein einer hinreichenden Obrigkeit, um erworbene Rechte
und gegebenen Falles die Handels- und Durchgangsfreiheit zu
schützen".

Engelhardt, R. J. XVIII 438.

2. Durch die Kongoakte ist ferner als Bedingung für rechtswirk-
same Erwerbungen die Mitteilung an die übrigen Mächte (Notifikation)
aufgestellt worden (Prinzip der "Publizität").

Dieser Satz bezieht sich allerdings zunächst nur auf Er-
werbungen an den Küsten von Afrika, ist aber seither auch auf
andere Erwerbungen angewendet worden (so hat Deutschland 1886
die Okkupation der Marschalls-Inseln, Frankreich die von Mada-
gaskar sowohl 1886 als auch 1896 den übrigen Mächten mitgeteilt)
und ist dazu bestimmt, allgemeine völkerrechtliche Rechtsregel zu
werden.

Rivier I 192.

Pic, R. G. III 635.

3. Verschieden von der Gebietserwerbung ist die Erwerbung eines
Hinterlandes oder einer Interessensphäre
(oben § 9 II).

Sie ist von jener verschieden in ihrer Wirkung: denn die
Gebietshoheit wird erst durch die Begründung einer thatsächlichen
Herrschaft erworben. Sie ist von jener verschieden aber auch in
ihrer Voraussetzung: der fiktive Erwerb (etwa durch Verträge mit
den Eingeborenen oder Kraft des Prinzips der "continuite", d. h.
des Zusammenhangs) genügt.

4. In der verschiedensten Bedeutung kommt heute die Begründung
einer sogenannten Schutzherrschaft vor.

Soweit es sich nicht um ein wirkliches, völkerrechtliches Protek-
torat
(oben § 6 IV) handelt, bedeutet der Ausdruck entweder:

a) den Erwerb der Gebietshoheit, auf welchen dann die Rechts-
regeln über den selbständigen oder abgeleiteten Gebietserwerb
Anwendung finden; oder
b) den Erwerb eines ausschliesslichen Okkupationsrechtes (oben
unter 3, sowie § 9 II), also die Abgrenzung einer Interessen-
sphäre. Auch für diesen Fall hat die Kongoakte 1885, so-

§ 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet.
ausdrücklich ausgesprochen und näher bestimmt als „das Vor-
handensein einer hinreichenden Obrigkeit, um erworbene Rechte
und gegebenen Falles die Handels- und Durchgangsfreiheit zu
schützen“.

Engelhardt, R. J. XVIII 438.

2. Durch die Kongoakte ist ferner als Bedingung für rechtswirk-
same Erwerbungen die Mitteilung an die übrigen Mächte (Notifikation)
aufgestellt worden (Prinzip der „Publizität“).

Dieser Satz bezieht sich allerdings zunächst nur auf Er-
werbungen an den Küsten von Afrika, ist aber seither auch auf
andere Erwerbungen angewendet worden (so hat Deutschland 1886
die Okkupation der Marschalls-Inseln, Frankreich die von Mada-
gaskar sowohl 1886 als auch 1896 den übrigen Mächten mitgeteilt)
und ist dazu bestimmt, allgemeine völkerrechtliche Rechtsregel zu
werden.

Rivier I 192.

Pic, R. G. III 635.

3. Verschieden von der Gebietserwerbung ist die Erwerbung eines
Hinterlandes oder einer Interessensphäre
(oben § 9 II).

Sie ist von jener verschieden in ihrer Wirkung: denn die
Gebietshoheit wird erst durch die Begründung einer thatsächlichen
Herrschaft erworben. Sie ist von jener verschieden aber auch in
ihrer Voraussetzung: der fiktive Erwerb (etwa durch Verträge mit
den Eingeborenen oder Kraft des Prinzips der „continuité“, d. h.
des Zusammenhangs) genügt.

4. In der verschiedensten Bedeutung kommt heute die Begründung
einer sogenannten Schutzherrschaft vor.

Soweit es sich nicht um ein wirkliches, völkerrechtliches Protek-
torat
(oben § 6 IV) handelt, bedeutet der Ausdruck entweder:

a) den Erwerb der Gebietshoheit, auf welchen dann die Rechts-
regeln über den selbständigen oder abgeleiteten Gebietserwerb
Anwendung finden; oder
b) den Erwerb eines ausschlieſslichen Okkupationsrechtes (oben
unter 3, sowie § 9 II), also die Abgrenzung einer Interessen-
sphäre. Auch für diesen Fall hat die Kongoakte 1885, so-
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[59/0081] § 10. Erwerb und Verlust von Staatsgebiet. ausdrücklich ausgesprochen und näher bestimmt als „das Vor- handensein einer hinreichenden Obrigkeit, um erworbene Rechte und gegebenen Falles die Handels- und Durchgangsfreiheit zu schützen“. Engelhardt, R. J. XVIII 438. 2. Durch die Kongoakte ist ferner als Bedingung für rechtswirk- same Erwerbungen die Mitteilung an die übrigen Mächte (Notifikation) aufgestellt worden (Prinzip der „Publizität“). Dieser Satz bezieht sich allerdings zunächst nur auf Er- werbungen an den Küsten von Afrika, ist aber seither auch auf andere Erwerbungen angewendet worden (so hat Deutschland 1886 die Okkupation der Marschalls-Inseln, Frankreich die von Mada- gaskar sowohl 1886 als auch 1896 den übrigen Mächten mitgeteilt) und ist dazu bestimmt, allgemeine völkerrechtliche Rechtsregel zu werden. Rivier I 192. Pic, R. G. III 635. 3. Verschieden von der Gebietserwerbung ist die Erwerbung eines Hinterlandes oder einer Interessensphäre (oben § 9 II). Sie ist von jener verschieden in ihrer Wirkung: denn die Gebietshoheit wird erst durch die Begründung einer thatsächlichen Herrschaft erworben. Sie ist von jener verschieden aber auch in ihrer Voraussetzung: der fiktive Erwerb (etwa durch Verträge mit den Eingeborenen oder Kraft des Prinzips der „continuité“, d. h. des Zusammenhangs) genügt. 4. In der verschiedensten Bedeutung kommt heute die Begründung einer sogenannten Schutzherrschaft vor. Soweit es sich nicht um ein wirkliches, völkerrechtliches Protek- torat (oben § 6 IV) handelt, bedeutet der Ausdruck entweder: a) den Erwerb der Gebietshoheit, auf welchen dann die Rechts- regeln über den selbständigen oder abgeleiteten Gebietserwerb Anwendung finden; oder b) den Erwerb eines ausschlieſslichen Okkupationsrechtes (oben unter 3, sowie § 9 II), also die Abgrenzung einer Interessen- sphäre. Auch für diesen Fall hat die Kongoakte 1885, so-

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/81>, abgerufen am 21.11.2024.