Parallaxen u. Entfernungen d. Gestirne von d. Erde.
hier eine kurze Geschichte der Bemühungen der Astronomen zu diesem Zwecke mitzutheilen.
Schon Galilei, das erste Opfer jenes neuen Systems, war auf ein Mittel bedacht, die Parallaxe der Fixsterne durch Beobach- tungen zu bestimmen. Er schlug dazu Beobachtung des Unter- ganges eines Sterns der ersten Größe an einem einige Meilen entfernten Thurme zu verschiedenen Zeiten des Jahres vor. Allein der Vorschlag blieb unausgeführt und er würde auch kein Resultat geliefert haben, da alle Beobachtungen in der Nähe des Hori- zonts, wie wir später sehen werden, großen Unsicherheiten unter- worfen sind.
Später beschäftigten sich Tycho Brahe und Biccioli fleißig mit diesen Untersuchungen. Aber ihre Quadranten, mit welchen sie die Parallaxe der Fixsterne bestimmen wollten, waren viel zu unvollkommen, um dadurch eine so kleine Größe bestim- men zu können. Ihre Absicht war, die Lehre des Copernicus durch die Nichtexistenz dieser Parallaxe als irrig darzustellen, und so wird es kaum als ein Beweis ihres Beobachtungstalentes, wie einige Astronomen gemeint haben, angesehen werden können, daß sie auch in der That keine Parallaxe gefunden haben.
Zu Ende des 17ten Jahrhunderts nahm der berühmte engli- sche Geometer Wallis diesen Gegenstand wieder vor. Er befe- stigte das Objectiv eines Fernrohrs von sehr großer Brennweite an der Spitze eines Thurmes und beobachtete dadurch und durch ein in die Wand seines Hauses eingemauertes Ocular die Diffe- renz der Azimute größerer Sterne zu verschiedenen Jahreszeiten. Er wollte durch dieses Verfahren vorzüglich die Störungen der Refraction, von der wir später sprechen werden, vermeiden. Allein auch er fand nichts Entscheidendes, obschon er seinen Gegenstand, wie er selbst sagte, über 40 Jahre verfolgte. Bald darauf wollte Rowley dieselben Beobachtungen an einem der Thürme der Paulskirche in London wiederholen, aber Newton soll die Aus- führung gehindert haben, weil er besorgte, daß das ohnehin nicht zweckmäßige Verfahren durch sein wahrscheinliches Mißlingen die neue Lehre bei den weniger Unterrichteten in Mißcredit bringen könnte.
Newton's Zeitgenosse und Gegner, Hooke, suchte denselben
Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde.
hier eine kurze Geſchichte der Bemühungen der Aſtronomen zu dieſem Zwecke mitzutheilen.
Schon Galilei, das erſte Opfer jenes neuen Syſtems, war auf ein Mittel bedacht, die Parallaxe der Fixſterne durch Beobach- tungen zu beſtimmen. Er ſchlug dazu Beobachtung des Unter- ganges eines Sterns der erſten Größe an einem einige Meilen entfernten Thurme zu verſchiedenen Zeiten des Jahres vor. Allein der Vorſchlag blieb unausgeführt und er würde auch kein Reſultat geliefert haben, da alle Beobachtungen in der Nähe des Hori- zonts, wie wir ſpäter ſehen werden, großen Unſicherheiten unter- worfen ſind.
Später beſchäftigten ſich Tycho Brahe und Biccioli fleißig mit dieſen Unterſuchungen. Aber ihre Quadranten, mit welchen ſie die Parallaxe der Fixſterne beſtimmen wollten, waren viel zu unvollkommen, um dadurch eine ſo kleine Größe beſtim- men zu können. Ihre Abſicht war, die Lehre des Copernicus durch die Nichtexiſtenz dieſer Parallaxe als irrig darzuſtellen, und ſo wird es kaum als ein Beweis ihres Beobachtungstalentes, wie einige Aſtronomen gemeint haben, angeſehen werden können, daß ſie auch in der That keine Parallaxe gefunden haben.
Zu Ende des 17ten Jahrhunderts nahm der berühmte engli- ſche Geometer Wallis dieſen Gegenſtand wieder vor. Er befe- ſtigte das Objectiv eines Fernrohrs von ſehr großer Brennweite an der Spitze eines Thurmes und beobachtete dadurch und durch ein in die Wand ſeines Hauſes eingemauertes Ocular die Diffe- renz der Azimute größerer Sterne zu verſchiedenen Jahreszeiten. Er wollte durch dieſes Verfahren vorzüglich die Störungen der Refraction, von der wir ſpäter ſprechen werden, vermeiden. Allein auch er fand nichts Entſcheidendes, obſchon er ſeinen Gegenſtand, wie er ſelbſt ſagte, über 40 Jahre verfolgte. Bald darauf wollte Rowley dieſelben Beobachtungen an einem der Thürme der Paulskirche in London wiederholen, aber Newton ſoll die Aus- führung gehindert haben, weil er beſorgte, daß das ohnehin nicht zweckmäßige Verfahren durch ſein wahrſcheinliches Mißlingen die neue Lehre bei den weniger Unterrichteten in Mißcredit bringen könnte.
Newton’s Zeitgenoſſe und Gegner, Hooke, ſuchte denſelben
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Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde.
hier eine kurze Geſchichte der Bemühungen der Aſtronomen zu
dieſem Zwecke mitzutheilen.
Schon Galilei, das erſte Opfer jenes neuen Syſtems, war
auf ein Mittel bedacht, die Parallaxe der Fixſterne durch Beobach-
tungen zu beſtimmen. Er ſchlug dazu Beobachtung des Unter-
ganges eines Sterns der erſten Größe an einem einige Meilen
entfernten Thurme zu verſchiedenen Zeiten des Jahres vor. Allein
der Vorſchlag blieb unausgeführt und er würde auch kein Reſultat
geliefert haben, da alle Beobachtungen in der Nähe des Hori-
zonts, wie wir ſpäter ſehen werden, großen Unſicherheiten unter-
worfen ſind.
Später beſchäftigten ſich Tycho Brahe und Biccioli
fleißig mit dieſen Unterſuchungen. Aber ihre Quadranten, mit
welchen ſie die Parallaxe der Fixſterne beſtimmen wollten, waren
viel zu unvollkommen, um dadurch eine ſo kleine Größe beſtim-
men zu können. Ihre Abſicht war, die Lehre des Copernicus
durch die Nichtexiſtenz dieſer Parallaxe als irrig darzuſtellen, und
ſo wird es kaum als ein Beweis ihres Beobachtungstalentes, wie
einige Aſtronomen gemeint haben, angeſehen werden können, daß
ſie auch in der That keine Parallaxe gefunden haben.
Zu Ende des 17ten Jahrhunderts nahm der berühmte engli-
ſche Geometer Wallis dieſen Gegenſtand wieder vor. Er befe-
ſtigte das Objectiv eines Fernrohrs von ſehr großer Brennweite
an der Spitze eines Thurmes und beobachtete dadurch und durch
ein in die Wand ſeines Hauſes eingemauertes Ocular die Diffe-
renz der Azimute größerer Sterne zu verſchiedenen Jahreszeiten.
Er wollte durch dieſes Verfahren vorzüglich die Störungen der
Refraction, von der wir ſpäter ſprechen werden, vermeiden. Allein
auch er fand nichts Entſcheidendes, obſchon er ſeinen Gegenſtand,
wie er ſelbſt ſagte, über 40 Jahre verfolgte. Bald darauf wollte
Rowley dieſelben Beobachtungen an einem der Thürme der
Paulskirche in London wiederholen, aber Newton ſoll die Aus-
führung gehindert haben, weil er beſorgte, daß das ohnehin nicht
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könnte.
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/180>, abgerufen am 16.02.2025.
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