Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Einleitung. Bewunderung erfüllen: das moralische Gesetz in uns, undder gestirnte Himmel über uns. Jenes erste trägt jeder Mensch in seinem eigenen Busen, und Der Anblick desselben allein kann es nicht seyn, so wenig als Sollte es nicht eben diese Gedankenlosigkeit seyn, die den Das Nachdenken über diese Gegenstände, und die nähere Einleitung. Bewunderung erfüllen: das moraliſche Geſetz in uns, undder geſtirnte Himmel über uns. Jenes erſte trägt jeder Menſch in ſeinem eigenen Buſen, und Der Anblick deſſelben allein kann es nicht ſeyn, ſo wenig als Sollte es nicht eben dieſe Gedankenloſigkeit ſeyn, die den Das Nachdenken über dieſe Gegenſtände, und die nähere <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0024" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> Bewunderung erfüllen: <hi rendition="#g">das moraliſche Geſetz in uns, und<lb/> der geſtirnte Himmel über uns</hi>.</p><lb/> <p>Jenes erſte trägt jeder Menſch in ſeinem eigenen Buſen, und<lb/> es liegt ihm nahe genug, um hier keiner Erläuterung zu bedürfen.<lb/> Das zweite aber — was iſt es, das uns an ihm ergötzt, und<lb/> das, auch noch ſo oft betrachtet, uns immer wieder zu ihm zu-<lb/> rückzieht? Worin beſteht eigentlich der ſo oft gerühmte, große<lb/> Genuß, den der Anblick des geſtirnten Himmels jedem gebildeten<lb/> und gefühlvollen Menſchen gewährt?</p><lb/> <p>Der Anblick deſſelben allein kann es nicht ſeyn, ſo wenig als<lb/> der Anblick einer großen, zur Nachtzeit von unzähligen Lampen<lb/> beleuchteten Stadt, ſo wenig, als der eines endloſen Fackelzuges<lb/> oder als jener des unermeßlichen Meeres. Die Einförmigkeit<lb/> aller dieſer Dinge, ſo groß ſie auch an ſich ſeyn mögen, wird uns<lb/> bald ermüden, und auch das über uns ausgeſpannte Gewölbe des<lb/> Himmels mit ſeinen Tauſenden von Sternen würde uns nicht<lb/> länger feſſeln, als etwa das eines mit eben ſo vielen Lampen be-<lb/> ſetzten Doms, den wir das erſtemal anſtaunen, und an dem<lb/> wir ſpäter vielleicht gleichgültig und gedankenlos vorübergehen.</p><lb/> <p>Sollte es nicht eben dieſe Gedankenloſigkeit ſeyn, die den<lb/> Anblick des geſtirnten Himmels, der ſich für den Gebildeten bei<lb/> jeder folgenden Betrachtung mit immer neuen Reizen ſchmückt,<lb/> für den Wilden nur zu einer höchſt gleichgültigen Sache macht?<lb/> Wie viele derſelben gibt es, und nicht bloß in den Wäldern von<lb/> Amerika und Neuholland, ſondern auch in den Hauptſtädten<lb/> Europas, die die Sonne und den Mond und dieſes zahlloſe Heer<lb/> von Sternen täglich vor ſich auf- und untergehen ſehen, ohne ſich<lb/> auch nur ein einziges Mal zu fragen, woher ſie kommen, und<lb/> wohin ſie gehen, und warum ſie ewig in denſelben Kreiſen um ſie<lb/> ziehen.</p><lb/> <p>Das Nachdenken über dieſe Gegenſtände, und die nähere<lb/> Betrachtung derſelben mit unſerem <hi rendition="#g">geiſtigen</hi> Auge, dieſes muß<lb/> es alſo ſeyn, das uns ſo mächtig an ſie zieht, und das, weit ent-<lb/> fernt, uns durch die Einförmigkeit des Anblicks zu ermüden, uns<lb/> vielmehr immer neue, und immer größere Schönheiten dieſer Ge-<lb/> genſtände entdecken läßt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [12/0024]
Einleitung.
Bewunderung erfüllen: das moraliſche Geſetz in uns, und
der geſtirnte Himmel über uns.
Jenes erſte trägt jeder Menſch in ſeinem eigenen Buſen, und
es liegt ihm nahe genug, um hier keiner Erläuterung zu bedürfen.
Das zweite aber — was iſt es, das uns an ihm ergötzt, und
das, auch noch ſo oft betrachtet, uns immer wieder zu ihm zu-
rückzieht? Worin beſteht eigentlich der ſo oft gerühmte, große
Genuß, den der Anblick des geſtirnten Himmels jedem gebildeten
und gefühlvollen Menſchen gewährt?
Der Anblick deſſelben allein kann es nicht ſeyn, ſo wenig als
der Anblick einer großen, zur Nachtzeit von unzähligen Lampen
beleuchteten Stadt, ſo wenig, als der eines endloſen Fackelzuges
oder als jener des unermeßlichen Meeres. Die Einförmigkeit
aller dieſer Dinge, ſo groß ſie auch an ſich ſeyn mögen, wird uns
bald ermüden, und auch das über uns ausgeſpannte Gewölbe des
Himmels mit ſeinen Tauſenden von Sternen würde uns nicht
länger feſſeln, als etwa das eines mit eben ſo vielen Lampen be-
ſetzten Doms, den wir das erſtemal anſtaunen, und an dem
wir ſpäter vielleicht gleichgültig und gedankenlos vorübergehen.
Sollte es nicht eben dieſe Gedankenloſigkeit ſeyn, die den
Anblick des geſtirnten Himmels, der ſich für den Gebildeten bei
jeder folgenden Betrachtung mit immer neuen Reizen ſchmückt,
für den Wilden nur zu einer höchſt gleichgültigen Sache macht?
Wie viele derſelben gibt es, und nicht bloß in den Wäldern von
Amerika und Neuholland, ſondern auch in den Hauptſtädten
Europas, die die Sonne und den Mond und dieſes zahlloſe Heer
von Sternen täglich vor ſich auf- und untergehen ſehen, ohne ſich
auch nur ein einziges Mal zu fragen, woher ſie kommen, und
wohin ſie gehen, und warum ſie ewig in denſelben Kreiſen um ſie
ziehen.
Das Nachdenken über dieſe Gegenſtände, und die nähere
Betrachtung derſelben mit unſerem geiſtigen Auge, dieſes muß
es alſo ſeyn, das uns ſo mächtig an ſie zieht, und das, weit ent-
fernt, uns durch die Einförmigkeit des Anblicks zu ermüden, uns
vielmehr immer neue, und immer größere Schönheiten dieſer Ge-
genſtände entdecken läßt.
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