der Absidenlinie, liegen müssen, und daß diese gerade bei der Mondsbahn durch den Mittelpunkt der Erde und bei der Erdbahn durch den Mittelpunkt der Sonne gehen muß. Dasselbe bemerkt man auch bei allen übrigen Planetenbahnen, deren Absidenlinien, den Beobachtungen zufolge, alle durch den Mittelpunkt der Sonne gehen.
§. 131. (Verhältnisse dieser beiden Veränderungen.) Wir haben also gefunden, daß die Verhältnisse der Extreme der Ge- schwindigkeiten dem der Durchmesser keineswegs gleich sind. Allein wenn wir diese Verhältnisse etwas näher betrachten, so werden wir doch ohne Mühe eine andere, sehr wichtige Eigenschaft derselben bemerken. Bei dem Monde war dieses Verhältniß der Geschwindigkeiten 1,2527 und das der Durchmesser 1,1194, also das letzte bedeutend kleiner. Allein, wenn man etwa zufällig verleitet werden sollte, die sogenannten Potenzen dieser Zahlen unter ein- ander zu vergleichen, so würde man finden, daß das Quadrat der letzten Zahl (1,1194)2 gleich 1,2529 also schon nahe gleich der ersten Zahl ist. Ganz dasselbe hat auch bei der Sonne statt, wo das Verhältniß der Geschwindigkeiten 1,0695 und das der Durchmesser 1,0341 betrug, und wo auch das Quadrat der letzten Zahl gleich 1,0694 oder wieder sehr nahe gleich der ersten Zahl ist. Um diese Entdeckung, wenn es eine ist, in Worten auszudrücken, würden wir also sagen, daß die Geschwindigkeiten der Planeten, nicht, wie die Alten glaubten, wie ihre Entfernungen, sondern daß sie sich, wie die Quadrate ihrer Entfernungen von der Sonne verhalten, oder mit anderen Worten: daß das Product der Geschwindigkeit in das Quadrat der Entfernung bei jedem Planeten durch alle Punkte seiner Bahn eine beständige und unveränderliche Größe sey. Bei der Sonne z. B. ist dieses Product, da man statt der Entfernung nur die Einheit dividirt durch den Durchmesser setzen darf, gleich 1,01943 dividirt durch das Quadrat von 0,54321 oder gleich 3,455 im Perihelium, und eben so groß findet man dieses Product auch im Aphelium. Wird aber dieselbe Erklärung auch für alle anderen Punkte der Erdbahn, außer jenen beiden, noch wahr seyn? -- Dieß zu entscheiden, ist aber bloß Sache der Beobachtung.
§. 132. (Erstes Gesetz Kepler's.) Solcher Beobachtungen sind aber bereits eine unzählige Menge, nicht bloß bei der Sonne
Kepler’s Geſetze.
der Abſidenlinie, liegen müſſen, und daß dieſe gerade bei der Mondsbahn durch den Mittelpunkt der Erde und bei der Erdbahn durch den Mittelpunkt der Sonne gehen muß. Daſſelbe bemerkt man auch bei allen übrigen Planetenbahnen, deren Abſidenlinien, den Beobachtungen zufolge, alle durch den Mittelpunkt der Sonne gehen.
§. 131. (Verhältniſſe dieſer beiden Veränderungen.) Wir haben alſo gefunden, daß die Verhältniſſe der Extreme der Ge- ſchwindigkeiten dem der Durchmeſſer keineswegs gleich ſind. Allein wenn wir dieſe Verhältniſſe etwas näher betrachten, ſo werden wir doch ohne Mühe eine andere, ſehr wichtige Eigenſchaft derſelben bemerken. Bei dem Monde war dieſes Verhältniß der Geſchwindigkeiten 1,2527 und das der Durchmeſſer 1,1194, alſo das letzte bedeutend kleiner. Allein, wenn man etwa zufällig verleitet werden ſollte, die ſogenannten Potenzen dieſer Zahlen unter ein- ander zu vergleichen, ſo würde man finden, daß das Quadrat der letzten Zahl (1,1194)2 gleich 1,2529 alſo ſchon nahe gleich der erſten Zahl iſt. Ganz daſſelbe hat auch bei der Sonne ſtatt, wo das Verhältniß der Geſchwindigkeiten 1,0695 und das der Durchmeſſer 1,0341 betrug, und wo auch das Quadrat der letzten Zahl gleich 1,0694 oder wieder ſehr nahe gleich der erſten Zahl iſt. Um dieſe Entdeckung, wenn es eine iſt, in Worten auszudrücken, würden wir alſo ſagen, daß die Geſchwindigkeiten der Planeten, nicht, wie die Alten glaubten, wie ihre Entfernungen, ſondern daß ſie ſich, wie die Quadrate ihrer Entfernungen von der Sonne verhalten, oder mit anderen Worten: daß das Product der Geſchwindigkeit in das Quadrat der Entfernung bei jedem Planeten durch alle Punkte ſeiner Bahn eine beſtändige und unveränderliche Größe ſey. Bei der Sonne z. B. iſt dieſes Product, da man ſtatt der Entfernung nur die Einheit dividirt durch den Durchmeſſer ſetzen darf, gleich 1,01943 dividirt durch das Quadrat von 0,54321 oder gleich 3,455 im Perihelium, und eben ſo groß findet man dieſes Product auch im Aphelium. Wird aber dieſelbe Erklärung auch für alle anderen Punkte der Erdbahn, außer jenen beiden, noch wahr ſeyn? — Dieß zu entſcheiden, iſt aber bloß Sache der Beobachtung.
§. 132. (Erſtes Geſetz Kepler’s.) Solcher Beobachtungen ſind aber bereits eine unzählige Menge, nicht bloß bei der Sonne
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Kepler’s Geſetze.
der Abſidenlinie, liegen müſſen, und daß dieſe gerade bei der
Mondsbahn durch den Mittelpunkt der Erde und bei der Erdbahn
durch den Mittelpunkt der Sonne gehen muß. Daſſelbe bemerkt
man auch bei allen übrigen Planetenbahnen, deren Abſidenlinien,
den Beobachtungen zufolge, alle durch den Mittelpunkt der Sonne
gehen.
§. 131. (Verhältniſſe dieſer beiden Veränderungen.) Wir
haben alſo gefunden, daß die Verhältniſſe der Extreme der Ge-
ſchwindigkeiten dem der Durchmeſſer keineswegs gleich ſind.
Allein wenn wir dieſe Verhältniſſe etwas näher betrachten, ſo
werden wir doch ohne Mühe eine andere, ſehr wichtige Eigenſchaft
derſelben bemerken. Bei dem Monde war dieſes Verhältniß der
Geſchwindigkeiten 1,2527 und das der Durchmeſſer 1,1194, alſo das
letzte bedeutend kleiner. Allein, wenn man etwa zufällig verleitet
werden ſollte, die ſogenannten Potenzen dieſer Zahlen unter ein-
ander zu vergleichen, ſo würde man finden, daß das Quadrat der
letzten Zahl (1,1194)2 gleich 1,2529 alſo ſchon nahe gleich der erſten
Zahl iſt. Ganz daſſelbe hat auch bei der Sonne ſtatt, wo das
Verhältniß der Geſchwindigkeiten 1,0695 und das der Durchmeſſer
1,0341 betrug, und wo auch das Quadrat der letzten Zahl gleich
1,0694 oder wieder ſehr nahe gleich der erſten Zahl iſt. Um dieſe
Entdeckung, wenn es eine iſt, in Worten auszudrücken, würden
wir alſo ſagen, daß die Geſchwindigkeiten der Planeten, nicht, wie
die Alten glaubten, wie ihre Entfernungen, ſondern daß ſie ſich,
wie die Quadrate ihrer Entfernungen von der Sonne verhalten,
oder mit anderen Worten: daß das Product der Geſchwindigkeit
in das Quadrat der Entfernung bei jedem Planeten durch alle Punkte
ſeiner Bahn eine beſtändige und unveränderliche Größe ſey. Bei
der Sonne z. B. iſt dieſes Product, da man ſtatt der Entfernung
nur die Einheit dividirt durch den Durchmeſſer ſetzen darf, gleich
1,01943 dividirt durch das Quadrat von 0,54321 oder gleich 3,455 im
Perihelium, und eben ſo groß findet man dieſes Product auch im
Aphelium. Wird aber dieſelbe Erklärung auch für alle anderen
Punkte der Erdbahn, außer jenen beiden, noch wahr ſeyn? —
Dieß zu entſcheiden, iſt aber bloß Sache der Beobachtung.
§. 132. (Erſtes Geſetz Kepler’s.) Solcher Beobachtungen
ſind aber bereits eine unzählige Menge, nicht bloß bei der Sonne
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/277>, abgerufen am 16.07.2024.
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