Fehler wird wohl nicht leicht ein Astronom, selbst unter den un- günstigsten Verhältnissen, begehen können. Der Fehler, dem man bei der gegenwärtigen Vervollkommnung der Instrumente und der Beobachtungskunst noch ausgesetzt ist, kann bei dieser Art von Beobachtungen höchstens eine einzige Secunde betragen, und so- nach würde man, durch die Anwendung der hier erläuterten Me- thode, die Parallaxendifferenz der Venus und der Sonne wenigstens bis auf 0,06 oder bis auf 1/17 einer Raumsecunde genau erhalten.
Man sieht aus allem Vorhergehenden, daß der eigentliche Vortheil dieser Methode darin besteht, daß erstens die Venus, in ihrer untern Conjunction, sehr nahe bei der Erde ist, wodurch die Parallaxe derselben so groß wird, und daß zweitens ihre von der Erde gesehene Bewegung, in Beziehung auf die Sonne, zu dieser Zeit so klein ist. Hätten wir noch einen andern Planeten, der uns in seiner untern Conjunction noch näher käme und der sich daselbst noch langsamer bewegte, so würde derselbe noch viel geschickter zur Bestimmung der Parallaxe seyn.
§. 73. (Nachträgliche Bemerkungen zu dieser Methode.) Bei der vorhergehenden Darstellung wird ein aufmerksamer Leser noch zwei Dinge vermissen, die wir, um den Vortrag zu erleich- tern, absichtlich übergangen haben und daher hier nachtragen wollen.
Wir haben oben voraus gesetzt, daß nicht nur der Beobach- ter auf der Oberfläche der Erde, sondern daß auch noch ein an- derer, im Mittelpunkte e der Erde, die Dauer des Durchgangs gesehen habe, und auf die Vergleichung dieser beiden Beobach- tungen beruht eigentlich, wie man bemerkt haben wird, die ganze Methode unserer Parallaxen-Bestimmung. Allein wie sollen wir diese Beobachtung, die im Mittelpunkt der Erde angestellt wor- den ist, erhalten? -- Sie unmittelbar anzustellen, ist allerdings unmöglich, aber die Rechnung gibt hier, wie in so vielen andern Fällen den Astronomen ein leichtes Mittel an die Hand, diesen Mangel zu ersetzen. Da nämlich die Tafeln der Venus schon in so hohem Grade genau sind, da man die Bewegung dieses Pla- neten und den scheinbaren Durchmesser derselben sowohl, als auch jenen der Sonne schon mit so viel Schärfe kennt, so ist es sehr
Littrow's Himmel u. s. Wunder. II. 7
Venus.
Fehler wird wohl nicht leicht ein Aſtronom, ſelbſt unter den un- günſtigſten Verhältniſſen, begehen können. Der Fehler, dem man bei der gegenwärtigen Vervollkommnung der Inſtrumente und der Beobachtungskunſt noch ausgeſetzt iſt, kann bei dieſer Art von Beobachtungen höchſtens eine einzige Secunde betragen, und ſo- nach würde man, durch die Anwendung der hier erläuterten Me- thode, die Parallaxendifferenz der Venus und der Sonne wenigſtens bis auf 0,06 oder bis auf 1/17 einer Raumſecunde genau erhalten.
Man ſieht aus allem Vorhergehenden, daß der eigentliche Vortheil dieſer Methode darin beſteht, daß erſtens die Venus, in ihrer untern Conjunction, ſehr nahe bei der Erde iſt, wodurch die Parallaxe derſelben ſo groß wird, und daß zweitens ihre von der Erde geſehene Bewegung, in Beziehung auf die Sonne, zu dieſer Zeit ſo klein iſt. Hätten wir noch einen andern Planeten, der uns in ſeiner untern Conjunction noch näher käme und der ſich daſelbſt noch langſamer bewegte, ſo würde derſelbe noch viel geſchickter zur Beſtimmung der Parallaxe ſeyn.
§. 73. (Nachträgliche Bemerkungen zu dieſer Methode.) Bei der vorhergehenden Darſtellung wird ein aufmerkſamer Leſer noch zwei Dinge vermiſſen, die wir, um den Vortrag zu erleich- tern, abſichtlich übergangen haben und daher hier nachtragen wollen.
Wir haben oben voraus geſetzt, daß nicht nur der Beobach- ter auf der Oberfläche der Erde, ſondern daß auch noch ein an- derer, im Mittelpunkte e der Erde, die Dauer des Durchgangs geſehen habe, und auf die Vergleichung dieſer beiden Beobach- tungen beruht eigentlich, wie man bemerkt haben wird, die ganze Methode unſerer Parallaxen-Beſtimmung. Allein wie ſollen wir dieſe Beobachtung, die im Mittelpunkt der Erde angeſtellt wor- den iſt, erhalten? — Sie unmittelbar anzuſtellen, iſt allerdings unmöglich, aber die Rechnung gibt hier, wie in ſo vielen andern Fällen den Aſtronomen ein leichtes Mittel an die Hand, dieſen Mangel zu erſetzen. Da nämlich die Tafeln der Venus ſchon in ſo hohem Grade genau ſind, da man die Bewegung dieſes Pla- neten und den ſcheinbaren Durchmeſſer derſelben ſowohl, als auch jenen der Sonne ſchon mit ſo viel Schärfe kennt, ſo iſt es ſehr
Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder. II. 7
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Venus.
Fehler wird wohl nicht leicht ein Aſtronom, ſelbſt unter den un-
günſtigſten Verhältniſſen, begehen können. Der Fehler, dem man
bei der gegenwärtigen Vervollkommnung der Inſtrumente und der
Beobachtungskunſt noch ausgeſetzt iſt, kann bei dieſer Art von
Beobachtungen höchſtens eine einzige Secunde betragen, und ſo-
nach würde man, durch die Anwendung der hier erläuterten Me-
thode, die Parallaxendifferenz der Venus und der Sonne wenigſtens
bis auf 0,06 oder bis auf 1/17 einer Raumſecunde genau erhalten.
Man ſieht aus allem Vorhergehenden, daß der eigentliche
Vortheil dieſer Methode darin beſteht, daß erſtens die Venus, in
ihrer untern Conjunction, ſehr nahe bei der Erde iſt, wodurch
die Parallaxe derſelben ſo groß wird, und daß zweitens ihre von
der Erde geſehene Bewegung, in Beziehung auf die Sonne, zu
dieſer Zeit ſo klein iſt. Hätten wir noch einen andern Planeten,
der uns in ſeiner untern Conjunction noch näher käme und der
ſich daſelbſt noch langſamer bewegte, ſo würde derſelbe noch viel
geſchickter zur Beſtimmung der Parallaxe ſeyn.
§. 73. (Nachträgliche Bemerkungen zu dieſer Methode.) Bei
der vorhergehenden Darſtellung wird ein aufmerkſamer Leſer
noch zwei Dinge vermiſſen, die wir, um den Vortrag zu erleich-
tern, abſichtlich übergangen haben und daher hier nachtragen
wollen.
Wir haben oben voraus geſetzt, daß nicht nur der Beobach-
ter auf der Oberfläche der Erde, ſondern daß auch noch ein an-
derer, im Mittelpunkte e der Erde, die Dauer des Durchgangs
geſehen habe, und auf die Vergleichung dieſer beiden Beobach-
tungen beruht eigentlich, wie man bemerkt haben wird, die ganze
Methode unſerer Parallaxen-Beſtimmung. Allein wie ſollen wir
dieſe Beobachtung, die im Mittelpunkt der Erde angeſtellt wor-
den iſt, erhalten? — Sie unmittelbar anzuſtellen, iſt allerdings
unmöglich, aber die Rechnung gibt hier, wie in ſo vielen andern
Fällen den Aſtronomen ein leichtes Mittel an die Hand, dieſen
Mangel zu erſetzen. Da nämlich die Tafeln der Venus ſchon in
ſo hohem Grade genau ſind, da man die Bewegung dieſes Pla-
neten und den ſcheinbaren Durchmeſſer derſelben ſowohl, als auch
jenen der Sonne ſchon mit ſo viel Schärfe kennt, ſo iſt es ſehr
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/107>, abgerufen am 18.02.2025.
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