Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Kometen. Zeit, über die Folgen eines solchen Zusammentreffens sagt. "DemSchrecken, welchen früher die Erscheinung eines Kometen in aber- gläubischen Gemüthern verbreitete, folgte in unsern Tagen die Besorgniß, daß einer dieser zahllosen Himmelskörper, welche in allen Richtungen das Planetensystem durchkreuzen, an die Erde stoßen und die Lage ihrer Axe verändern möchte. Es ist nicht schwer, sich die Folgen eines solchen Zusammenstoßes vorzustellen. -- Die Axe und die Umwälzungszeit der Erde (die Länge des Tages) würden allerdings eine Aenderung erleiden; die Meere würden ihr altes Lager verlassen, um sich gegen den neuen Aequator hinzustürzen; ein gro- ßer Theil der Menschen und Thiere würden in dieser allgemeinen Wasserfluth oder auch durch den heftigen Stoß, den die Erde er- halten hat, zu Grunde gehen; ganze Geschlechter von lebenden Wesen würden ihren Untergang finden und alle Denkmäler des menschlichen Fleißes und Kunstsinnes würden vernichtet werden u. s. f." Dieses Gemälde ist finster genug, aber nicht übertrieben. Wer Kometen. Zeit, über die Folgen eines ſolchen Zuſammentreffens ſagt. „DemSchrecken, welchen früher die Erſcheinung eines Kometen in aber- gläubiſchen Gemüthern verbreitete, folgte in unſern Tagen die Beſorgniß, daß einer dieſer zahlloſen Himmelskörper, welche in allen Richtungen das Planetenſyſtem durchkreuzen, an die Erde ſtoßen und die Lage ihrer Axe verändern möchte. Es iſt nicht ſchwer, ſich die Folgen eines ſolchen Zuſammenſtoßes vorzuſtellen. — Die Axe und die Umwälzungszeit der Erde (die Länge des Tages) würden allerdings eine Aenderung erleiden; die Meere würden ihr altes Lager verlaſſen, um ſich gegen den neuen Aequator hinzuſtürzen; ein gro- ßer Theil der Menſchen und Thiere würden in dieſer allgemeinen Waſſerfluth oder auch durch den heftigen Stoß, den die Erde er- halten hat, zu Grunde gehen; ganze Geſchlechter von lebenden Weſen würden ihren Untergang finden und alle Denkmäler des menſchlichen Fleißes und Kunſtſinnes würden vernichtet werden u. ſ. f.“ Dieſes Gemälde iſt finſter genug, aber nicht übertrieben. Wer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0286" n="276"/><fw place="top" type="header">Kometen.</fw><lb/> Zeit, über die Folgen eines ſolchen Zuſammentreffens ſagt. „Dem<lb/> Schrecken, welchen früher die Erſcheinung eines Kometen in aber-<lb/> gläubiſchen Gemüthern verbreitete, folgte in unſern Tagen die<lb/> Beſorgniß, daß einer dieſer zahlloſen Himmelskörper, welche in<lb/> allen Richtungen das Planetenſyſtem durchkreuzen, an die Erde<lb/> ſtoßen und die Lage ihrer Axe verändern möchte. Es iſt nicht ſchwer,<lb/> ſich die Folgen eines ſolchen Zuſammenſtoßes vorzuſtellen. — Die<lb/> Axe und die Umwälzungszeit der Erde (die Länge des Tages) würden<lb/> allerdings eine Aenderung erleiden; die Meere würden ihr altes Lager<lb/> verlaſſen, um ſich gegen den neuen Aequator hinzuſtürzen; ein gro-<lb/> ßer Theil der Menſchen und Thiere würden in dieſer allgemeinen<lb/> Waſſerfluth oder auch durch den heftigen Stoß, den die Erde er-<lb/> halten hat, zu Grunde gehen; ganze Geſchlechter von lebenden<lb/> Weſen würden ihren Untergang finden und alle Denkmäler des<lb/> menſchlichen Fleißes und Kunſtſinnes würden vernichtet werden u. ſ. f.“</p><lb/> <p>Dieſes Gemälde iſt finſter genug, aber nicht übertrieben. Wer<lb/> von uns hat nicht ſchon ſelbſt die Erfahrung gemacht, daß man,<lb/> in einem ſchnell fahrenden Wagen, wenn die Pferde plötzlich ſtille<lb/> ſtehen, oder wenn der Wagen an ein nicht zu überwindendes Hin-<lb/> derniß ſtößt, von ſeinem Sitze gleichſam <hi rendition="#g">vorwärts geſtoßen</hi><lb/> wird, und zwar deſto heftiger, je größer die Geſchwindigkeit des<lb/> Wagens war, die durch jenes Hinderniß aufgehoben oder geſtört<lb/> worden iſt. Ganz dieſelbe Erfahrung, nur in einem viel größern<lb/> Maaßſtabe, würden wir auch zu machen Gelegenheit haben, wenn<lb/> wir einmal mit einem Kometen zuſammenſtoßen ſollten. Unſere<lb/> Erde iſt in der That einem Wagen zu vergleichen, in welchem wir<lb/> alle um die Sonne herum fahren, und zwar mit einer ſo großen<lb/> Schnelligkeit, daß wir in jeder Stunde gegen 17000 Meilen, alſo<lb/> 120 mal mehr als eine Kanonenkugel zurücklegen, wenn ſie eben<lb/> aus der Mündung des Geſchützes tritt. Wenn nun dieſe Erde an<lb/> einen Kometen von ſolider Maſſe anſtoßen ſollte, ſo würden wir<lb/> und alles, was in dem großen Wagen Bewegliches iſt, die<lb/> Gewäſſer der Flüſſe und Meere, unſere Häuſer ſelbſt und unſere<lb/> Felſen, gegen den geſtoßenen Punkt der Erde hinſtürzen und<lb/> gleichſam vorwärts fallen; der ganze Ocean würde ſein Geſtade<lb/> verlaſſen und von allen Seiten an jenen Ort hineilen, auf ſei-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0286]
Kometen.
Zeit, über die Folgen eines ſolchen Zuſammentreffens ſagt. „Dem
Schrecken, welchen früher die Erſcheinung eines Kometen in aber-
gläubiſchen Gemüthern verbreitete, folgte in unſern Tagen die
Beſorgniß, daß einer dieſer zahlloſen Himmelskörper, welche in
allen Richtungen das Planetenſyſtem durchkreuzen, an die Erde
ſtoßen und die Lage ihrer Axe verändern möchte. Es iſt nicht ſchwer,
ſich die Folgen eines ſolchen Zuſammenſtoßes vorzuſtellen. — Die
Axe und die Umwälzungszeit der Erde (die Länge des Tages) würden
allerdings eine Aenderung erleiden; die Meere würden ihr altes Lager
verlaſſen, um ſich gegen den neuen Aequator hinzuſtürzen; ein gro-
ßer Theil der Menſchen und Thiere würden in dieſer allgemeinen
Waſſerfluth oder auch durch den heftigen Stoß, den die Erde er-
halten hat, zu Grunde gehen; ganze Geſchlechter von lebenden
Weſen würden ihren Untergang finden und alle Denkmäler des
menſchlichen Fleißes und Kunſtſinnes würden vernichtet werden u. ſ. f.“
Dieſes Gemälde iſt finſter genug, aber nicht übertrieben. Wer
von uns hat nicht ſchon ſelbſt die Erfahrung gemacht, daß man,
in einem ſchnell fahrenden Wagen, wenn die Pferde plötzlich ſtille
ſtehen, oder wenn der Wagen an ein nicht zu überwindendes Hin-
derniß ſtößt, von ſeinem Sitze gleichſam vorwärts geſtoßen
wird, und zwar deſto heftiger, je größer die Geſchwindigkeit des
Wagens war, die durch jenes Hinderniß aufgehoben oder geſtört
worden iſt. Ganz dieſelbe Erfahrung, nur in einem viel größern
Maaßſtabe, würden wir auch zu machen Gelegenheit haben, wenn
wir einmal mit einem Kometen zuſammenſtoßen ſollten. Unſere
Erde iſt in der That einem Wagen zu vergleichen, in welchem wir
alle um die Sonne herum fahren, und zwar mit einer ſo großen
Schnelligkeit, daß wir in jeder Stunde gegen 17000 Meilen, alſo
120 mal mehr als eine Kanonenkugel zurücklegen, wenn ſie eben
aus der Mündung des Geſchützes tritt. Wenn nun dieſe Erde an
einen Kometen von ſolider Maſſe anſtoßen ſollte, ſo würden wir
und alles, was in dem großen Wagen Bewegliches iſt, die
Gewäſſer der Flüſſe und Meere, unſere Häuſer ſelbſt und unſere
Felſen, gegen den geſtoßenen Punkt der Erde hinſtürzen und
gleichſam vorwärts fallen; der ganze Ocean würde ſein Geſtade
verlaſſen und von allen Seiten an jenen Ort hineilen, auf ſei-
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