Es ist kein Zweifel, daß wir bald noch mehrere Doppelsterne kennen lernen werden, deren Umlaufszeit wir nicht angeben können, da es erst 50 Jahre ist, seitdem sich die Astronomen mit ihnen be- sonders beschäftiget haben, so daß dieser interessante Gegenstand noch zu den neuen gezählt werden muß, deren weitere Ausbildung erst erwartet wird.
§. 211. (Bedeckungen der Fixsterne unter einander.) Wir be- merken öfter, daß der Mond vor der Sonne oder vor den Fix- sternen vorübergeht und uns dadurch den Anblick dieser Gestirne auf einige Zeit raubt. Diese Sonnenfinsternisse und Stern- bedeckungen (I. 175) beobachten die Astronomen mit besonderem Fleiße, weil sie die besten Mittel zur Bestimmung der geographi- schen Längen der Beobachtungsorte auf der Oberfläche der Erde darbieten. Auch sieht man zuweilen diese Sterne durch die Pla- neten, oder selbst, obwohl selten genug, einen Planeten durch den andern bedecken; aber daß auch die Fixsterne sich unter einander bedecken sollten, dieß würde man noch vor wenig Jahren für un- möglich gehalten haben.
Wenn aber die Ebene der Bahn des Doppelsterns so schief gegen unsere Gesichtslinie liegt, daß uns dieselbe nur mehr nahe wie eine gerade Linie erscheint, und solcher Bahnen gibt es, wie wir oben gesehen haben, mehrere, so wird uns eine solche Erschei- nung nicht mehr wunderbar vorkommen können. In diesem Fall scheint nämlich der Begleiter um seinen Centralstern eine gerade, durch diesen Stern gehende Linie zu beschreiben, und wenn er demselben auf diesem Wege nahe genug kömmt, so wird er ihn entweder bedecken oder von ihm bedeckt werden, je nachdem er, in Beziehung auf uns, vor oder hinter seinem Centralkörper vorüber- geht. Dieß ist z. B. der Fall mit dem Doppelstern t im Schlan- genträger (AR = 17h 53', Pold. = 98° 10'). Der ältere Herschel sah ihn i. J. 1781 noch als einen, obschon bereits sehr nahen Doppelstern. Sein Sohn und Struve sahen ihn i. J. 1828 nur mehr einfach, aber doch noch in einer länglichen Gestalt. Jetzt aber erscheint er, selbst durch die besten Fernröhre, als ein voll- kommen einfacher, runder Stern. Nach einigen Jahren werden wir ihn ohne Zweifel wieder doppelt sehen.
Doppelſterne.
Es iſt kein Zweifel, daß wir bald noch mehrere Doppelſterne kennen lernen werden, deren Umlaufszeit wir nicht angeben können, da es erſt 50 Jahre iſt, ſeitdem ſich die Aſtronomen mit ihnen be- ſonders beſchäftiget haben, ſo daß dieſer intereſſante Gegenſtand noch zu den neuen gezählt werden muß, deren weitere Ausbildung erſt erwartet wird.
§. 211. (Bedeckungen der Fixſterne unter einander.) Wir be- merken öfter, daß der Mond vor der Sonne oder vor den Fix- ſternen vorübergeht und uns dadurch den Anblick dieſer Geſtirne auf einige Zeit raubt. Dieſe Sonnenfinſterniſſe und Stern- bedeckungen (I. 175) beobachten die Aſtronomen mit beſonderem Fleiße, weil ſie die beſten Mittel zur Beſtimmung der geographi- ſchen Längen der Beobachtungsorte auf der Oberfläche der Erde darbieten. Auch ſieht man zuweilen dieſe Sterne durch die Pla- neten, oder ſelbſt, obwohl ſelten genug, einen Planeten durch den andern bedecken; aber daß auch die Fixſterne ſich unter einander bedecken ſollten, dieß würde man noch vor wenig Jahren für un- möglich gehalten haben.
Wenn aber die Ebene der Bahn des Doppelſterns ſo ſchief gegen unſere Geſichtslinie liegt, daß uns dieſelbe nur mehr nahe wie eine gerade Linie erſcheint, und ſolcher Bahnen gibt es, wie wir oben geſehen haben, mehrere, ſo wird uns eine ſolche Erſchei- nung nicht mehr wunderbar vorkommen können. In dieſem Fall ſcheint nämlich der Begleiter um ſeinen Centralſtern eine gerade, durch dieſen Stern gehende Linie zu beſchreiben, und wenn er demſelben auf dieſem Wege nahe genug kömmt, ſo wird er ihn entweder bedecken oder von ihm bedeckt werden, je nachdem er, in Beziehung auf uns, vor oder hinter ſeinem Centralkörper vorüber- geht. Dieß iſt z. B. der Fall mit dem Doppelſtern τ im Schlan- genträger (AR = 17h 53′, Pold. = 98° 10′). Der ältere Herſchel ſah ihn i. J. 1781 noch als einen, obſchon bereits ſehr nahen Doppelſtern. Sein Sohn und Struve ſahen ihn i. J. 1828 nur mehr einfach, aber doch noch in einer länglichen Geſtalt. Jetzt aber erſcheint er, ſelbſt durch die beſten Fernröhre, als ein voll- kommen einfacher, runder Stern. Nach einigen Jahren werden wir ihn ohne Zweifel wieder doppelt ſehen.
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Doppelſterne.
Es iſt kein Zweifel, daß wir bald noch mehrere Doppelſterne
kennen lernen werden, deren Umlaufszeit wir nicht angeben können,
da es erſt 50 Jahre iſt, ſeitdem ſich die Aſtronomen mit ihnen be-
ſonders beſchäftiget haben, ſo daß dieſer intereſſante Gegenſtand
noch zu den neuen gezählt werden muß, deren weitere Ausbildung
erſt erwartet wird.
§. 211. (Bedeckungen der Fixſterne unter einander.) Wir be-
merken öfter, daß der Mond vor der Sonne oder vor den Fix-
ſternen vorübergeht und uns dadurch den Anblick dieſer Geſtirne
auf einige Zeit raubt. Dieſe Sonnenfinſterniſſe und Stern-
bedeckungen (I. 175) beobachten die Aſtronomen mit beſonderem
Fleiße, weil ſie die beſten Mittel zur Beſtimmung der geographi-
ſchen Längen der Beobachtungsorte auf der Oberfläche der Erde
darbieten. Auch ſieht man zuweilen dieſe Sterne durch die Pla-
neten, oder ſelbſt, obwohl ſelten genug, einen Planeten durch den
andern bedecken; aber daß auch die Fixſterne ſich unter einander
bedecken ſollten, dieß würde man noch vor wenig Jahren für un-
möglich gehalten haben.
Wenn aber die Ebene der Bahn des Doppelſterns ſo ſchief
gegen unſere Geſichtslinie liegt, daß uns dieſelbe nur mehr nahe
wie eine gerade Linie erſcheint, und ſolcher Bahnen gibt es, wie
wir oben geſehen haben, mehrere, ſo wird uns eine ſolche Erſchei-
nung nicht mehr wunderbar vorkommen können. In dieſem Fall
ſcheint nämlich der Begleiter um ſeinen Centralſtern eine gerade,
durch dieſen Stern gehende Linie zu beſchreiben, und wenn er
demſelben auf dieſem Wege nahe genug kömmt, ſo wird er ihn
entweder bedecken oder von ihm bedeckt werden, je nachdem er, in
Beziehung auf uns, vor oder hinter ſeinem Centralkörper vorüber-
geht. Dieß iſt z. B. der Fall mit dem Doppelſtern τ im Schlan-
genträger (AR = 17h 53′, Pold. = 98° 10′). Der ältere Herſchel
ſah ihn i. J. 1781 noch als einen, obſchon bereits ſehr nahen
Doppelſtern. Sein Sohn und Struve ſahen ihn i. J. 1828 nur
mehr einfach, aber doch noch in einer länglichen Geſtalt. Jetzt
aber erſcheint er, ſelbſt durch die beſten Fernröhre, als ein voll-
kommen einfacher, runder Stern. Nach einigen Jahren werden
wir ihn ohne Zweifel wieder doppelt ſehen.
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/337>, abgerufen am 21.11.2024.
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