Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.Die Sonne. welche wir der Sonne verdanken, wieder zu unserm Gegenstande,zu der physischen Beschaffenheit dieses Centralkörpers selbst zu- rückkehren, müssen wir uns vorerst auf das Wenige beschränken, was wir von der Oberfläche desselben durch Hülfe unserer Fern- röhre kennen gelernt haben. Diese Oberfläche scheint ein unge- heueres, den eigentlichen Körper der Sonne umgebendes Lichtmeer zu seyn. Diese Photosphäre der Sonne ist aber, wie die Beob- achtungen zeigen, in immerwährender heftiger Bewegung, und in ihr gehen Revolutionen vor, mit welchen die unserer Stürme und Ungewitter nicht weiter verglichen werden können. Man sieht auf diesem Feuermeere öfter sehr große, schwarze Flecken entstehen, und nach wenig Tagen oder Wochen wieder verschwinden, Flecken, die unsere Erde im Durchmesser vier-, fünf- und mehrmal über- treffen. In der Nähe dieser schwarzen Flecken bemerkt man im Gegentheile häufig andere große Stellen der Sonne, die sich durch ihr stärkeres, helleres Licht auszeichnen, und daher Son- nenfackeln genannt werden. Aber auch der übrige Theil der Sonne, der weder Flecken noch Fackeln zeigt, ist beinahe nir- gends gleich licht, sondern durchaus mit kleinen Schuppen oder Punkten besäet, die ihren Ort immer ändern, wie man sehen kann, wenn man die Sonne mit sehr guten Fernröhren be- obachtet. Dadurch gewinnt die Oberfläche der Sonne das Anse- ben des Bodensatzes einer flockigen Substanz, die in einer durch- sichtigen Flüssigkeit aufgelöst ist. Das Ganze leitet auf die Ver- muthung, daß die Oberfläche dieses Körpers aus einem Lichtme- dium besteht, mit welchem eine wohl durchsichtige, aber an sich selbst nicht leuchtende Flüssigkeit vermischt, jedoch nicht völlig durchdrungen ist, wo dann diese Flüssigkeit in dem Lichtmeere schwimmt, wie unsere Wolken in der Luft, oder wo sie dieses Lichtmeer in mächtigen Streifen durchzieht, wie das Nordlicht unsere Atmosphäre. §. 25. (Ist die Oberfläche der Sonne ein Feuer?) Wenn Littrow's Himmel u. s. Wunder II. 3
Die Sonne. welche wir der Sonne verdanken, wieder zu unſerm Gegenſtande,zu der phyſiſchen Beſchaffenheit dieſes Centralkörpers ſelbſt zu- rückkehren, müſſen wir uns vorerſt auf das Wenige beſchränken, was wir von der Oberfläche deſſelben durch Hülfe unſerer Fern- röhre kennen gelernt haben. Dieſe Oberfläche ſcheint ein unge- heueres, den eigentlichen Körper der Sonne umgebendes Lichtmeer zu ſeyn. Dieſe Photoſphäre der Sonne iſt aber, wie die Beob- achtungen zeigen, in immerwährender heftiger Bewegung, und in ihr gehen Revolutionen vor, mit welchen die unſerer Stürme und Ungewitter nicht weiter verglichen werden können. Man ſieht auf dieſem Feuermeere öfter ſehr große, ſchwarze Flecken entſtehen, und nach wenig Tagen oder Wochen wieder verſchwinden, Flecken, die unſere Erde im Durchmeſſer vier-, fünf- und mehrmal über- treffen. In der Nähe dieſer ſchwarzen Flecken bemerkt man im Gegentheile häufig andere große Stellen der Sonne, die ſich durch ihr ſtärkeres, helleres Licht auszeichnen, und daher Son- nenfackeln genannt werden. Aber auch der übrige Theil der Sonne, der weder Flecken noch Fackeln zeigt, iſt beinahe nir- gends gleich licht, ſondern durchaus mit kleinen Schuppen oder Punkten beſäet, die ihren Ort immer ändern, wie man ſehen kann, wenn man die Sonne mit ſehr guten Fernröhren be- obachtet. Dadurch gewinnt die Oberfläche der Sonne das Anſe- ben des Bodenſatzes einer flockigen Subſtanz, die in einer durch- ſichtigen Flüſſigkeit aufgelöst iſt. Das Ganze leitet auf die Ver- muthung, daß die Oberfläche dieſes Körpers aus einem Lichtme- dium beſteht, mit welchem eine wohl durchſichtige, aber an ſich ſelbſt nicht leuchtende Flüſſigkeit vermiſcht, jedoch nicht völlig durchdrungen iſt, wo dann dieſe Flüſſigkeit in dem Lichtmeere ſchwimmt, wie unſere Wolken in der Luft, oder wo ſie dieſes Lichtmeer in mächtigen Streifen durchzieht, wie das Nordlicht unſere Atmoſphäre. §. 25. (Iſt die Oberfläche der Sonne ein Feuer?) Wenn Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder II. 3
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Die Sonne.
welche wir der Sonne verdanken, wieder zu unſerm Gegenſtande,
zu der phyſiſchen Beſchaffenheit dieſes Centralkörpers ſelbſt zu-
rückkehren, müſſen wir uns vorerſt auf das Wenige beſchränken,
was wir von der Oberfläche deſſelben durch Hülfe unſerer Fern-
röhre kennen gelernt haben. Dieſe Oberfläche ſcheint ein unge-
heueres, den eigentlichen Körper der Sonne umgebendes Lichtmeer
zu ſeyn. Dieſe Photoſphäre der Sonne iſt aber, wie die Beob-
achtungen zeigen, in immerwährender heftiger Bewegung, und in
ihr gehen Revolutionen vor, mit welchen die unſerer Stürme und
Ungewitter nicht weiter verglichen werden können. Man ſieht auf
dieſem Feuermeere öfter ſehr große, ſchwarze Flecken entſtehen,
und nach wenig Tagen oder Wochen wieder verſchwinden, Flecken,
die unſere Erde im Durchmeſſer vier-, fünf- und mehrmal über-
treffen. In der Nähe dieſer ſchwarzen Flecken bemerkt man im
Gegentheile häufig andere große Stellen der Sonne, die ſich
durch ihr ſtärkeres, helleres Licht auszeichnen, und daher Son-
nenfackeln genannt werden. Aber auch der übrige Theil der
Sonne, der weder Flecken noch Fackeln zeigt, iſt beinahe nir-
gends gleich licht, ſondern durchaus mit kleinen Schuppen oder
Punkten beſäet, die ihren Ort immer ändern, wie man ſehen
kann, wenn man die Sonne mit ſehr guten Fernröhren be-
obachtet. Dadurch gewinnt die Oberfläche der Sonne das Anſe-
ben des Bodenſatzes einer flockigen Subſtanz, die in einer durch-
ſichtigen Flüſſigkeit aufgelöst iſt. Das Ganze leitet auf die Ver-
muthung, daß die Oberfläche dieſes Körpers aus einem Lichtme-
dium beſteht, mit welchem eine wohl durchſichtige, aber an
ſich ſelbſt nicht leuchtende Flüſſigkeit vermiſcht, jedoch nicht völlig
durchdrungen iſt, wo dann dieſe Flüſſigkeit in dem Lichtmeere
ſchwimmt, wie unſere Wolken in der Luft, oder wo ſie dieſes
Lichtmeer in mächtigen Streifen durchzieht, wie das Nordlicht
unſere Atmoſphäre.
§. 25. (Iſt die Oberfläche der Sonne ein Feuer?) Wenn
aber dieſe Photoſphäre der Sonne in der That ein Feuer ſeyn
ſoll, ſo iſt es gewiß von unſerem irdiſchen Feuer ſehr verſchieden.
Wie ließe ſich ſonſt das Eis auf den höchſten Gipfeln unſerer
Berge, ſelbſt in den Tropenländern, erklären? Oder wie ſollte
unſer Feuer, auch in noch ſo großen Maſſen angehäuft, in einer
Littrow’s Himmel u. ſ. Wunder II. 3
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