Die elliptische Bahn der Erde, und der Ort der Erde selbst in dieser Bahn wird von den sie zunächst umgebenden Planeten nur sehr wenig gestört. Im ungünstigsten Falle kann dieser Ort der Erde in seiner Bahn nur um 40 Sekunden, und ihre Ent- fernung von der Sonne kaum um den zehntausendsten Theil ihrer mittleren Distanz von derselben verrückt werden. Die Ursache davon liegt, wie bereits im vorhergehenden Kapitel bemerkt wurde, vorzüglich in den geringen Massen der störenden Planeten, und in den großen Entfernungen, in welchen sie von der Erde abstehen. Eben so gering, ja noch viel geringer sind also auch die Störungen, welche der Mond von denselben Planeten erleidet, von welchen er, als der beständige Begleiter der Erde, im Mittel immer nahe eben so weit entfernt ist, als sie selbst. Aber mit der Sonne verhält es sich ganz anders. -- Der Mond bewegt sich nämlich in einer Ellipse, in deren einem Brennpunkte die Erde ist, er bewegt sich also eigentlich um die Erde, und wenn außer dieser Erde kein anderer Himmelskörper mehr groß genug oder auch nahe genug wäre, um durch seinen Einfluß diese Be- wegung des Mondes zu verändern, so würde auch der Mond un- gestört in seiner elliptischen Bahn um die Erde gehen. Die Sonne ist nun zwar nahe 400mal weiter, als der Mond, von der Erde entfernt, aber ihre Masse ist dafür auch (§. 48) über 300000mal größer, als die der Erde, und diese ungeheuere Prä- potenz ist die Ursache, daß die Wirkung der Sonne auf die Be- wegung des Mondes, ihrer großen Entfernung ungeachtet, noch so bedeutend ist, daß sie den Ort des Mondes in seiner Bahn um die Erde um mehr als zwei Grade verrücken kann. Eigent- lich ist es nicht die Erde, sondern der gemeinschaftliche Schwer- punkt der Erde und des Mondes, der in der Zeit eines Jahres seine elliptische Bahn um die Sonne zurücklegt. Wenn man zwei in ihrer Größe sehr ungleiche Kugeln durch einen Stab verbindet, an dem gemeinschaftlichen Schwerpunkt derselben ein Band befestiget, und das ganze, gleich einer Schleuder, um die Hand bewegt, so hat man ein Bild von dieser Bewegung des Mondes um die Erde, und mit dieser zugleich um die Sonne, nur mit dem Unterschiede, daß hier die beiden Kugeln, die Erde und der Mond, an Größe so sehr verschieden sind, daß der
Periodiſche Störungen.
Die elliptiſche Bahn der Erde, und der Ort der Erde ſelbſt in dieſer Bahn wird von den ſie zunächſt umgebenden Planeten nur ſehr wenig geſtört. Im ungünſtigſten Falle kann dieſer Ort der Erde in ſeiner Bahn nur um 40 Sekunden, und ihre Ent- fernung von der Sonne kaum um den zehntauſendſten Theil ihrer mittleren Diſtanz von derſelben verrückt werden. Die Urſache davon liegt, wie bereits im vorhergehenden Kapitel bemerkt wurde, vorzüglich in den geringen Maſſen der ſtörenden Planeten, und in den großen Entfernungen, in welchen ſie von der Erde abſtehen. Eben ſo gering, ja noch viel geringer ſind alſo auch die Störungen, welche der Mond von denſelben Planeten erleidet, von welchen er, als der beſtändige Begleiter der Erde, im Mittel immer nahe eben ſo weit entfernt iſt, als ſie ſelbſt. Aber mit der Sonne verhält es ſich ganz anders. — Der Mond bewegt ſich nämlich in einer Ellipſe, in deren einem Brennpunkte die Erde iſt, er bewegt ſich alſo eigentlich um die Erde, und wenn außer dieſer Erde kein anderer Himmelskörper mehr groß genug oder auch nahe genug wäre, um durch ſeinen Einfluß dieſe Be- wegung des Mondes zu verändern, ſo würde auch der Mond un- geſtört in ſeiner elliptiſchen Bahn um die Erde gehen. Die Sonne iſt nun zwar nahe 400mal weiter, als der Mond, von der Erde entfernt, aber ihre Maſſe iſt dafür auch (§. 48) über 300000mal größer, als die der Erde, und dieſe ungeheuere Prä- potenz iſt die Urſache, daß die Wirkung der Sonne auf die Be- wegung des Mondes, ihrer großen Entfernung ungeachtet, noch ſo bedeutend iſt, daß ſie den Ort des Mondes in ſeiner Bahn um die Erde um mehr als zwei Grade verrücken kann. Eigent- lich iſt es nicht die Erde, ſondern der gemeinſchaftliche Schwer- punkt der Erde und des Mondes, der in der Zeit eines Jahres ſeine elliptiſche Bahn um die Sonne zurücklegt. Wenn man zwei in ihrer Größe ſehr ungleiche Kugeln durch einen Stab verbindet, an dem gemeinſchaftlichen Schwerpunkt derſelben ein Band befeſtiget, und das ganze, gleich einer Schleuder, um die Hand bewegt, ſo hat man ein Bild von dieſer Bewegung des Mondes um die Erde, und mit dieſer zugleich um die Sonne, nur mit dem Unterſchiede, daß hier die beiden Kugeln, die Erde und der Mond, an Größe ſo ſehr verſchieden ſind, daß der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0129"n="117"/><fwplace="top"type="header">Periodiſche Störungen.</fw><lb/><p>Die elliptiſche Bahn der Erde, und der Ort der Erde ſelbſt<lb/>
in dieſer Bahn wird von den ſie zunächſt umgebenden Planeten<lb/>
nur ſehr wenig geſtört. Im ungünſtigſten Falle kann dieſer Ort<lb/>
der Erde in ſeiner Bahn nur um 40 Sekunden, und ihre Ent-<lb/>
fernung von der Sonne kaum um den zehntauſendſten Theil ihrer<lb/>
mittleren Diſtanz von derſelben verrückt werden. Die Urſache<lb/>
davon liegt, wie bereits im vorhergehenden Kapitel bemerkt wurde,<lb/>
vorzüglich in den geringen Maſſen der ſtörenden Planeten,<lb/>
und in den großen Entfernungen, in welchen ſie von der Erde<lb/>
abſtehen. Eben ſo gering, ja noch viel geringer ſind alſo auch die<lb/>
Störungen, welche der Mond von denſelben Planeten erleidet, von<lb/>
welchen er, als der beſtändige Begleiter der Erde, im Mittel<lb/>
immer nahe eben ſo weit entfernt iſt, als ſie ſelbſt. Aber mit<lb/>
der <hirendition="#g">Sonne</hi> verhält es ſich ganz anders. — Der Mond bewegt<lb/>ſich nämlich in einer Ellipſe, in deren einem Brennpunkte die<lb/>
Erde iſt, er bewegt ſich alſo eigentlich um die Erde, und wenn<lb/>
außer dieſer Erde kein anderer Himmelskörper mehr groß genug<lb/>
oder auch nahe genug wäre, um durch ſeinen Einfluß dieſe Be-<lb/>
wegung des Mondes zu verändern, ſo würde auch der Mond un-<lb/>
geſtört in ſeiner elliptiſchen Bahn um die Erde gehen. Die<lb/>
Sonne iſt nun zwar nahe 400mal weiter, als der Mond, von<lb/>
der Erde entfernt, aber ihre Maſſe iſt dafür auch (§. 48) über<lb/>
300000mal größer, als die der Erde, und dieſe ungeheuere Prä-<lb/>
potenz iſt die Urſache, daß die Wirkung der Sonne auf die Be-<lb/>
wegung des Mondes, ihrer großen Entfernung ungeachtet, noch<lb/>ſo bedeutend iſt, daß ſie den Ort des Mondes in ſeiner Bahn<lb/>
um die Erde um mehr als zwei Grade verrücken kann. Eigent-<lb/>
lich iſt es nicht die Erde, ſondern der gemeinſchaftliche Schwer-<lb/>
punkt der Erde und des Mondes, der in der Zeit eines Jahres<lb/>ſeine elliptiſche Bahn um die Sonne zurücklegt. Wenn man<lb/>
zwei in ihrer Größe ſehr ungleiche Kugeln durch einen Stab<lb/>
verbindet, an dem gemeinſchaftlichen Schwerpunkt derſelben ein<lb/>
Band befeſtiget, und das ganze, gleich einer Schleuder, um die<lb/>
Hand bewegt, ſo hat man ein Bild von dieſer Bewegung des<lb/>
Mondes um die Erde, und mit dieſer zugleich um die Sonne,<lb/>
nur mit dem Unterſchiede, daß hier die beiden Kugeln, die Erde<lb/>
und der Mond, an Größe ſo ſehr verſchieden ſind, daß der<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[117/0129]
Periodiſche Störungen.
Die elliptiſche Bahn der Erde, und der Ort der Erde ſelbſt
in dieſer Bahn wird von den ſie zunächſt umgebenden Planeten
nur ſehr wenig geſtört. Im ungünſtigſten Falle kann dieſer Ort
der Erde in ſeiner Bahn nur um 40 Sekunden, und ihre Ent-
fernung von der Sonne kaum um den zehntauſendſten Theil ihrer
mittleren Diſtanz von derſelben verrückt werden. Die Urſache
davon liegt, wie bereits im vorhergehenden Kapitel bemerkt wurde,
vorzüglich in den geringen Maſſen der ſtörenden Planeten,
und in den großen Entfernungen, in welchen ſie von der Erde
abſtehen. Eben ſo gering, ja noch viel geringer ſind alſo auch die
Störungen, welche der Mond von denſelben Planeten erleidet, von
welchen er, als der beſtändige Begleiter der Erde, im Mittel
immer nahe eben ſo weit entfernt iſt, als ſie ſelbſt. Aber mit
der Sonne verhält es ſich ganz anders. — Der Mond bewegt
ſich nämlich in einer Ellipſe, in deren einem Brennpunkte die
Erde iſt, er bewegt ſich alſo eigentlich um die Erde, und wenn
außer dieſer Erde kein anderer Himmelskörper mehr groß genug
oder auch nahe genug wäre, um durch ſeinen Einfluß dieſe Be-
wegung des Mondes zu verändern, ſo würde auch der Mond un-
geſtört in ſeiner elliptiſchen Bahn um die Erde gehen. Die
Sonne iſt nun zwar nahe 400mal weiter, als der Mond, von
der Erde entfernt, aber ihre Maſſe iſt dafür auch (§. 48) über
300000mal größer, als die der Erde, und dieſe ungeheuere Prä-
potenz iſt die Urſache, daß die Wirkung der Sonne auf die Be-
wegung des Mondes, ihrer großen Entfernung ungeachtet, noch
ſo bedeutend iſt, daß ſie den Ort des Mondes in ſeiner Bahn
um die Erde um mehr als zwei Grade verrücken kann. Eigent-
lich iſt es nicht die Erde, ſondern der gemeinſchaftliche Schwer-
punkt der Erde und des Mondes, der in der Zeit eines Jahres
ſeine elliptiſche Bahn um die Sonne zurücklegt. Wenn man
zwei in ihrer Größe ſehr ungleiche Kugeln durch einen Stab
verbindet, an dem gemeinſchaftlichen Schwerpunkt derſelben ein
Band befeſtiget, und das ganze, gleich einer Schleuder, um die
Hand bewegt, ſo hat man ein Bild von dieſer Bewegung des
Mondes um die Erde, und mit dieſer zugleich um die Sonne,
nur mit dem Unterſchiede, daß hier die beiden Kugeln, die Erde
und der Mond, an Größe ſo ſehr verſchieden ſind, daß der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/129>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.