war, als in bedeutenden Distanzen von dem Mittelpunkte. Wir sehen in der That diese Art der Entstehung und Fortbildung bei allen flüssigen Körpern der Erde, und jeder Regentropfen kann uns als Beispiel für jene großen Tropfen des Himmels dienen.
§. 99. (Abplattung durch Rotation.) Da aber diese Ablage- rungen ohne Zweifel nicht in ganz ungestörter Ordnung vor sich gehen, und da während der allmählichen Ausbildung des neuen Weltkörpers, auch andere, ihm benachbarte, auf ihn einwirken mußten, so ist es auch nicht wahrscheinlich, daß diese Kugelgestalt derselben ganz rein erhalten werden konnte. Der anfangs noch weiche Planet, dessen feste und flüssige Theile noch unter einander gemischt waren, und der, durch die Anziehung der benachbarten Körper in eine Bewegung um sich selbst, in Rotation gesetzt wurde, mußte durch die Centrifugalkraft (I. §. 21) dieser Ro- tation an seinem Aequator sich erheben, und die Gestalt einer an ihren beiden Polen abgeplatteten Kugel erhalten. Die Beob- achtungen zeigen uns in der That diese Gestalt bei allen Him- melskörpern, die uns nahe genug sind, um ihre Abplattung noch zu unterscheiden.
Man kann durch Rechnung streng beweisen, daß eine Masse von durchaus gleicher Dichte durch die Rotation die Gestalt eines Sphäroids, d. h. eines Körpers erhalten müsse, der durch die Umdrehung einer Ellipse um ihre kleine Axe entstanden ist. Wendet man diese Rechnungen unmittelbar auf unsere Erde an, so findet man ihre Abplattung nahe gleich 1/580. Allein nach den Beobachtungen ist sie gleich 1/300, also nahe doppelt so groß, zum Zeichen, daß die Voraussetzung einer durchaus gleichen Dichte der Erdmasse unzulässig ist.
§. 100. (Rücksicht auf die verschiedene Dichtigkeit der Erd- masse.) In der That ist es auch nebst den so eben angeführten, auch noch aus anderen Gründen sehr wahrscheinlich, daß die Dichte der Erde gegen ihren Mittelpunkt zunimmt. Schon die zur Bewohnbarkeit der Erde für Thiere und Pflanzen so noth- wendige Stabilität der Meere fordert es, daß die mittlere Dichte der festen Erde viel größer sey, als die Dichte des Was- sers, weil sonst die von Winden bewegten Wellen des Oceans
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Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.
war, als in bedeutenden Diſtanzen von dem Mittelpunkte. Wir ſehen in der That dieſe Art der Entſtehung und Fortbildung bei allen flüſſigen Körpern der Erde, und jeder Regentropfen kann uns als Beiſpiel für jene großen Tropfen des Himmels dienen.
§. 99. (Abplattung durch Rotation.) Da aber dieſe Ablage- rungen ohne Zweifel nicht in ganz ungeſtörter Ordnung vor ſich gehen, und da während der allmählichen Ausbildung des neuen Weltkörpers, auch andere, ihm benachbarte, auf ihn einwirken mußten, ſo iſt es auch nicht wahrſcheinlich, daß dieſe Kugelgeſtalt derſelben ganz rein erhalten werden konnte. Der anfangs noch weiche Planet, deſſen feſte und flüſſige Theile noch unter einander gemiſcht waren, und der, durch die Anziehung der benachbarten Körper in eine Bewegung um ſich ſelbſt, in Rotation geſetzt wurde, mußte durch die Centrifugalkraft (I. §. 21) dieſer Ro- tation an ſeinem Aequator ſich erheben, und die Geſtalt einer an ihren beiden Polen abgeplatteten Kugel erhalten. Die Beob- achtungen zeigen uns in der That dieſe Geſtalt bei allen Him- melskörpern, die uns nahe genug ſind, um ihre Abplattung noch zu unterſcheiden.
Man kann durch Rechnung ſtreng beweiſen, daß eine Maſſe von durchaus gleicher Dichte durch die Rotation die Geſtalt eines Sphäroids, d. h. eines Körpers erhalten müſſe, der durch die Umdrehung einer Ellipſe um ihre kleine Axe entſtanden iſt. Wendet man dieſe Rechnungen unmittelbar auf unſere Erde an, ſo findet man ihre Abplattung nahe gleich 1/580. Allein nach den Beobachtungen iſt ſie gleich 1/300, alſo nahe doppelt ſo groß, zum Zeichen, daß die Vorausſetzung einer durchaus gleichen Dichte der Erdmaſſe unzuläſſig iſt.
§. 100. (Rückſicht auf die verſchiedene Dichtigkeit der Erd- maſſe.) In der That iſt es auch nebſt den ſo eben angeführten, auch noch aus anderen Gründen ſehr wahrſcheinlich, daß die Dichte der Erde gegen ihren Mittelpunkt zunimmt. Schon die zur Bewohnbarkeit der Erde für Thiere und Pflanzen ſo noth- wendige Stabilität der Meere fordert es, daß die mittlere Dichte der feſten Erde viel größer ſey, als die Dichte des Waſ- ſers, weil ſonſt die von Winden bewegten Wellen des Oceans
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Geſtalt und Atmoſphären der Planeten.
war, als in bedeutenden Diſtanzen von dem Mittelpunkte. Wir
ſehen in der That dieſe Art der Entſtehung und Fortbildung bei
allen flüſſigen Körpern der Erde, und jeder Regentropfen kann
uns als Beiſpiel für jene großen Tropfen des Himmels dienen.
§. 99. (Abplattung durch Rotation.) Da aber dieſe Ablage-
rungen ohne Zweifel nicht in ganz ungeſtörter Ordnung vor ſich
gehen, und da während der allmählichen Ausbildung des neuen
Weltkörpers, auch andere, ihm benachbarte, auf ihn einwirken
mußten, ſo iſt es auch nicht wahrſcheinlich, daß dieſe Kugelgeſtalt
derſelben ganz rein erhalten werden konnte. Der anfangs noch
weiche Planet, deſſen feſte und flüſſige Theile noch unter einander
gemiſcht waren, und der, durch die Anziehung der benachbarten
Körper in eine Bewegung um ſich ſelbſt, in Rotation geſetzt
wurde, mußte durch die Centrifugalkraft (I. §. 21) dieſer Ro-
tation an ſeinem Aequator ſich erheben, und die Geſtalt einer
an ihren beiden Polen abgeplatteten Kugel erhalten. Die Beob-
achtungen zeigen uns in der That dieſe Geſtalt bei allen Him-
melskörpern, die uns nahe genug ſind, um ihre Abplattung noch
zu unterſcheiden.
Man kann durch Rechnung ſtreng beweiſen, daß eine Maſſe
von durchaus gleicher Dichte durch die Rotation die Geſtalt eines
Sphäroids, d. h. eines Körpers erhalten müſſe, der durch die
Umdrehung einer Ellipſe um ihre kleine Axe entſtanden iſt.
Wendet man dieſe Rechnungen unmittelbar auf unſere Erde an,
ſo findet man ihre Abplattung nahe gleich 1/580. Allein nach den
Beobachtungen iſt ſie gleich 1/300, alſo nahe doppelt ſo groß, zum
Zeichen, daß die Vorausſetzung einer durchaus gleichen Dichte der
Erdmaſſe unzuläſſig iſt.
§. 100. (Rückſicht auf die verſchiedene Dichtigkeit der Erd-
maſſe.) In der That iſt es auch nebſt den ſo eben angeführten,
auch noch aus anderen Gründen ſehr wahrſcheinlich, daß die
Dichte der Erde gegen ihren Mittelpunkt zunimmt. Schon die
zur Bewohnbarkeit der Erde für Thiere und Pflanzen ſo noth-
wendige Stabilität der Meere fordert es, daß die mittlere
Dichte der feſten Erde viel größer ſey, als die Dichte des Waſ-
ſers, weil ſonſt die von Winden bewegten Wellen des Oceans
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/159>, abgerufen am 23.11.2024.
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