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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Dauer des Weltsystems.
Bühne sich ihres Lebens freuen, daß der Himmel, der jetzt über
uns ausgespannt ist, bleiben und bestehen, und daß dieselbe Sonne
und derselbe Mond, die uns in unserem Leben oft so freundlich
geleuchtet haben, auch noch die Blumen bescheinen möge, die in
der fernsten Zukunft über unsern Gräbern blühen werden.

Man sieht ohne mein Erinnern, daß bei Untersuchungen
dieser Art nicht von solchen Störungen die Rede seyn kann, die
durch unvorherzusehende, äußere Kräfte bewirkt werden. Vielleicht
wird ein uns noch unbekannter Komet unsere Erde zertrümmern,
oder in seinen Fluthen ersäufen, oder sie zu Asche verbrennen und
die Trümmer derselben mit sich in fremde Sonnensysteme führen;
vielleicht wird einst dieses ganze System, wie jener Fixstern
in der Cassiopeia, durch irgend eine uns ebenfalls unbe-
kannte Ursache in Brand gerathen und auflodern, so daß von
allem, was uns jetzt umgibt, keine Spur mehr zu finden seyn
wird. Solche Katastrophen, sie mögen nun möglich seyn oder
nicht, sind nicht vorauszusehen, und stehen in keinem weitern Zu-
sammenhange mit einer in der Folge der Zeiten auf natürlichem Wege
nothwendigen oder vorauszuberechenden Zerstörung, von der hier
allein die Rede seyn kann. Daß ein Mensch vom Blitze getödtet
wird, kann keinen Einfluß auf die kürzere oder längere Dauer
des ganzen Geschlechts haben. Aber daß alle Menschen und
überhaupt alle lebende Wesen immerwährenden Reibungen und
Abnutzungen ihrer Körper unterworfen sind, dieß läßt uns nur
gar zu gewiß auf einen endlichen Stillstand der ganzen Maschine
schließen. Und jene große, bewunderungswürdige Maschine über
uns -- trägt sie auch solche Spuren, aus denen wir, wenn auch
in der fernsten Zukunft, auf ihren Stillstand, auf ihre Auflösung
schließen können?

Man sieht, daß hier vorzüglich von den Störungen die
Rede ist, welchen die einzelnen Körper unseres Sonnensystems
unterworfen sind. Wir haben bereits oben (S. 115) gesehen, daß
diese Störungen zweierlei Art sind. Die periodischen, welche
bloß den Ort des Planeten in seiner Bahn angehen, und die sä-
culären
, welche diese Bahn selbst mit der Zeit verändern. Die
ersten können offenbar keinen Einfluß auf eine einstige Zerstörung

Dauer des Weltſyſtems.
Bühne ſich ihres Lebens freuen, daß der Himmel, der jetzt über
uns ausgeſpannt iſt, bleiben und beſtehen, und daß dieſelbe Sonne
und derſelbe Mond, die uns in unſerem Leben oft ſo freundlich
geleuchtet haben, auch noch die Blumen beſcheinen möge, die in
der fernſten Zukunft über unſern Gräbern blühen werden.

Man ſieht ohne mein Erinnern, daß bei Unterſuchungen
dieſer Art nicht von ſolchen Störungen die Rede ſeyn kann, die
durch unvorherzuſehende, äußere Kräfte bewirkt werden. Vielleicht
wird ein uns noch unbekannter Komet unſere Erde zertrümmern,
oder in ſeinen Fluthen erſäufen, oder ſie zu Aſche verbrennen und
die Trümmer derſelben mit ſich in fremde Sonnenſyſteme führen;
vielleicht wird einſt dieſes ganze Syſtem, wie jener Fixſtern
in der Caſſiopeia, durch irgend eine uns ebenfalls unbe-
kannte Urſache in Brand gerathen und auflodern, ſo daß von
allem, was uns jetzt umgibt, keine Spur mehr zu finden ſeyn
wird. Solche Kataſtrophen, ſie mögen nun möglich ſeyn oder
nicht, ſind nicht vorauszuſehen, und ſtehen in keinem weitern Zu-
ſammenhange mit einer in der Folge der Zeiten auf natürlichem Wege
nothwendigen oder vorauszuberechenden Zerſtörung, von der hier
allein die Rede ſeyn kann. Daß ein Menſch vom Blitze getödtet
wird, kann keinen Einfluß auf die kürzere oder längere Dauer
des ganzen Geſchlechts haben. Aber daß alle Menſchen und
überhaupt alle lebende Weſen immerwährenden Reibungen und
Abnutzungen ihrer Körper unterworfen ſind, dieß läßt uns nur
gar zu gewiß auf einen endlichen Stillſtand der ganzen Maſchine
ſchließen. Und jene große, bewunderungswürdige Maſchine über
uns — trägt ſie auch ſolche Spuren, aus denen wir, wenn auch
in der fernſten Zukunft, auf ihren Stillſtand, auf ihre Auflöſung
ſchließen können?

Man ſieht, daß hier vorzüglich von den Störungen die
Rede iſt, welchen die einzelnen Körper unſeres Sonnenſyſtems
unterworfen ſind. Wir haben bereits oben (S. 115) geſehen, daß
dieſe Störungen zweierlei Art ſind. Die periodiſchen, welche
bloß den Ort des Planeten in ſeiner Bahn angehen, und die ſä-
culären
, welche dieſe Bahn ſelbſt mit der Zeit verändern. Die
erſten können offenbar keinen Einfluß auf eine einſtige Zerſtörung

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[208/0220] Dauer des Weltſyſtems. Bühne ſich ihres Lebens freuen, daß der Himmel, der jetzt über uns ausgeſpannt iſt, bleiben und beſtehen, und daß dieſelbe Sonne und derſelbe Mond, die uns in unſerem Leben oft ſo freundlich geleuchtet haben, auch noch die Blumen beſcheinen möge, die in der fernſten Zukunft über unſern Gräbern blühen werden. Man ſieht ohne mein Erinnern, daß bei Unterſuchungen dieſer Art nicht von ſolchen Störungen die Rede ſeyn kann, die durch unvorherzuſehende, äußere Kräfte bewirkt werden. Vielleicht wird ein uns noch unbekannter Komet unſere Erde zertrümmern, oder in ſeinen Fluthen erſäufen, oder ſie zu Aſche verbrennen und die Trümmer derſelben mit ſich in fremde Sonnenſyſteme führen; vielleicht wird einſt dieſes ganze Syſtem, wie jener Fixſtern in der Caſſiopeia, durch irgend eine uns ebenfalls unbe- kannte Urſache in Brand gerathen und auflodern, ſo daß von allem, was uns jetzt umgibt, keine Spur mehr zu finden ſeyn wird. Solche Kataſtrophen, ſie mögen nun möglich ſeyn oder nicht, ſind nicht vorauszuſehen, und ſtehen in keinem weitern Zu- ſammenhange mit einer in der Folge der Zeiten auf natürlichem Wege nothwendigen oder vorauszuberechenden Zerſtörung, von der hier allein die Rede ſeyn kann. Daß ein Menſch vom Blitze getödtet wird, kann keinen Einfluß auf die kürzere oder längere Dauer des ganzen Geſchlechts haben. Aber daß alle Menſchen und überhaupt alle lebende Weſen immerwährenden Reibungen und Abnutzungen ihrer Körper unterworfen ſind, dieß läßt uns nur gar zu gewiß auf einen endlichen Stillſtand der ganzen Maſchine ſchließen. Und jene große, bewunderungswürdige Maſchine über uns — trägt ſie auch ſolche Spuren, aus denen wir, wenn auch in der fernſten Zukunft, auf ihren Stillſtand, auf ihre Auflöſung ſchließen können? Man ſieht, daß hier vorzüglich von den Störungen die Rede iſt, welchen die einzelnen Körper unſeres Sonnenſyſtems unterworfen ſind. Wir haben bereits oben (S. 115) geſehen, daß dieſe Störungen zweierlei Art ſind. Die periodiſchen, welche bloß den Ort des Planeten in ſeiner Bahn angehen, und die ſä- culären, welche dieſe Bahn ſelbſt mit der Zeit verändern. Die erſten können offenbar keinen Einfluß auf eine einſtige Zerſtörung

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/220>, abgerufen am 21.11.2024.