Bühne sich ihres Lebens freuen, daß der Himmel, der jetzt über uns ausgespannt ist, bleiben und bestehen, und daß dieselbe Sonne und derselbe Mond, die uns in unserem Leben oft so freundlich geleuchtet haben, auch noch die Blumen bescheinen möge, die in der fernsten Zukunft über unsern Gräbern blühen werden.
Man sieht ohne mein Erinnern, daß bei Untersuchungen dieser Art nicht von solchen Störungen die Rede seyn kann, die durch unvorherzusehende, äußere Kräfte bewirkt werden. Vielleicht wird ein uns noch unbekannter Komet unsere Erde zertrümmern, oder in seinen Fluthen ersäufen, oder sie zu Asche verbrennen und die Trümmer derselben mit sich in fremde Sonnensysteme führen; vielleicht wird einst dieses ganze System, wie jener Fixstern in der Cassiopeia, durch irgend eine uns ebenfalls unbe- kannte Ursache in Brand gerathen und auflodern, so daß von allem, was uns jetzt umgibt, keine Spur mehr zu finden seyn wird. Solche Katastrophen, sie mögen nun möglich seyn oder nicht, sind nicht vorauszusehen, und stehen in keinem weitern Zu- sammenhange mit einer in der Folge der Zeiten auf natürlichem Wege nothwendigen oder vorauszuberechenden Zerstörung, von der hier allein die Rede seyn kann. Daß ein Mensch vom Blitze getödtet wird, kann keinen Einfluß auf die kürzere oder längere Dauer des ganzen Geschlechts haben. Aber daß alle Menschen und überhaupt alle lebende Wesen immerwährenden Reibungen und Abnutzungen ihrer Körper unterworfen sind, dieß läßt uns nur gar zu gewiß auf einen endlichen Stillstand der ganzen Maschine schließen. Und jene große, bewunderungswürdige Maschine über uns -- trägt sie auch solche Spuren, aus denen wir, wenn auch in der fernsten Zukunft, auf ihren Stillstand, auf ihre Auflösung schließen können?
Man sieht, daß hier vorzüglich von den Störungen die Rede ist, welchen die einzelnen Körper unseres Sonnensystems unterworfen sind. Wir haben bereits oben (S. 115) gesehen, daß diese Störungen zweierlei Art sind. Die periodischen, welche bloß den Ort des Planeten in seiner Bahn angehen, und die sä- culären, welche diese Bahn selbst mit der Zeit verändern. Die ersten können offenbar keinen Einfluß auf eine einstige Zerstörung
Dauer des Weltſyſtems.
Bühne ſich ihres Lebens freuen, daß der Himmel, der jetzt über uns ausgeſpannt iſt, bleiben und beſtehen, und daß dieſelbe Sonne und derſelbe Mond, die uns in unſerem Leben oft ſo freundlich geleuchtet haben, auch noch die Blumen beſcheinen möge, die in der fernſten Zukunft über unſern Gräbern blühen werden.
Man ſieht ohne mein Erinnern, daß bei Unterſuchungen dieſer Art nicht von ſolchen Störungen die Rede ſeyn kann, die durch unvorherzuſehende, äußere Kräfte bewirkt werden. Vielleicht wird ein uns noch unbekannter Komet unſere Erde zertrümmern, oder in ſeinen Fluthen erſäufen, oder ſie zu Aſche verbrennen und die Trümmer derſelben mit ſich in fremde Sonnenſyſteme führen; vielleicht wird einſt dieſes ganze Syſtem, wie jener Fixſtern in der Caſſiopeia, durch irgend eine uns ebenfalls unbe- kannte Urſache in Brand gerathen und auflodern, ſo daß von allem, was uns jetzt umgibt, keine Spur mehr zu finden ſeyn wird. Solche Kataſtrophen, ſie mögen nun möglich ſeyn oder nicht, ſind nicht vorauszuſehen, und ſtehen in keinem weitern Zu- ſammenhange mit einer in der Folge der Zeiten auf natürlichem Wege nothwendigen oder vorauszuberechenden Zerſtörung, von der hier allein die Rede ſeyn kann. Daß ein Menſch vom Blitze getödtet wird, kann keinen Einfluß auf die kürzere oder längere Dauer des ganzen Geſchlechts haben. Aber daß alle Menſchen und überhaupt alle lebende Weſen immerwährenden Reibungen und Abnutzungen ihrer Körper unterworfen ſind, dieß läßt uns nur gar zu gewiß auf einen endlichen Stillſtand der ganzen Maſchine ſchließen. Und jene große, bewunderungswürdige Maſchine über uns — trägt ſie auch ſolche Spuren, aus denen wir, wenn auch in der fernſten Zukunft, auf ihren Stillſtand, auf ihre Auflöſung ſchließen können?
Man ſieht, daß hier vorzüglich von den Störungen die Rede iſt, welchen die einzelnen Körper unſeres Sonnenſyſtems unterworfen ſind. Wir haben bereits oben (S. 115) geſehen, daß dieſe Störungen zweierlei Art ſind. Die periodiſchen, welche bloß den Ort des Planeten in ſeiner Bahn angehen, und die ſä- culären, welche dieſe Bahn ſelbſt mit der Zeit verändern. Die erſten können offenbar keinen Einfluß auf eine einſtige Zerſtörung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0220"n="208"/><fwplace="top"type="header">Dauer des Weltſyſtems.</fw><lb/>
Bühne ſich ihres Lebens freuen, daß der Himmel, der jetzt über<lb/>
uns ausgeſpannt iſt, bleiben und beſtehen, und daß dieſelbe Sonne<lb/>
und derſelbe Mond, die uns in unſerem Leben oft ſo freundlich<lb/>
geleuchtet haben, auch noch die Blumen beſcheinen möge, die in<lb/>
der fernſten Zukunft über unſern Gräbern blühen werden.</p><lb/><p>Man ſieht ohne mein Erinnern, daß bei Unterſuchungen<lb/>
dieſer Art nicht von ſolchen Störungen die Rede ſeyn kann, die<lb/>
durch unvorherzuſehende, äußere Kräfte bewirkt werden. Vielleicht<lb/>
wird ein uns noch unbekannter Komet unſere Erde zertrümmern,<lb/>
oder in ſeinen Fluthen erſäufen, oder ſie zu Aſche verbrennen und<lb/>
die Trümmer derſelben mit ſich in fremde Sonnenſyſteme führen;<lb/>
vielleicht wird einſt dieſes ganze Syſtem, wie jener Fixſtern<lb/>
in der Caſſiopeia, durch irgend eine uns ebenfalls unbe-<lb/>
kannte Urſache in Brand gerathen und auflodern, ſo daß von<lb/>
allem, was uns jetzt umgibt, keine Spur mehr zu finden ſeyn<lb/>
wird. Solche Kataſtrophen, ſie mögen nun möglich ſeyn oder<lb/>
nicht, ſind nicht vorauszuſehen, und ſtehen in keinem weitern Zu-<lb/>ſammenhange mit einer in der Folge der Zeiten auf natürlichem Wege<lb/>
nothwendigen oder vorauszuberechenden Zerſtörung, von der hier<lb/>
allein die Rede ſeyn kann. Daß ein Menſch vom Blitze getödtet<lb/>
wird, kann keinen Einfluß auf die kürzere oder längere Dauer<lb/>
des ganzen Geſchlechts haben. Aber daß alle Menſchen und<lb/>
überhaupt alle lebende Weſen immerwährenden Reibungen und<lb/>
Abnutzungen ihrer Körper unterworfen ſind, dieß läßt uns nur<lb/>
gar zu gewiß auf einen endlichen Stillſtand der ganzen Maſchine<lb/>ſchließen. Und jene große, bewunderungswürdige Maſchine über<lb/>
uns — trägt ſie auch ſolche Spuren, aus denen wir, wenn auch<lb/>
in der fernſten Zukunft, auf ihren Stillſtand, auf ihre Auflöſung<lb/>ſchließen können?</p><lb/><p>Man ſieht, daß hier vorzüglich von den <hirendition="#g">Störungen</hi> die<lb/>
Rede iſt, welchen die einzelnen Körper unſeres Sonnenſyſtems<lb/>
unterworfen ſind. Wir haben bereits oben (S. 115) geſehen, daß<lb/>
dieſe Störungen zweierlei Art ſind. Die <hirendition="#g">periodiſchen</hi>, welche<lb/>
bloß den Ort des Planeten in ſeiner Bahn angehen, und die <hirendition="#g">ſä-<lb/>
culären</hi>, welche dieſe Bahn ſelbſt mit der Zeit verändern. Die<lb/>
erſten können offenbar keinen Einfluß auf eine einſtige Zerſtörung<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[208/0220]
Dauer des Weltſyſtems.
Bühne ſich ihres Lebens freuen, daß der Himmel, der jetzt über
uns ausgeſpannt iſt, bleiben und beſtehen, und daß dieſelbe Sonne
und derſelbe Mond, die uns in unſerem Leben oft ſo freundlich
geleuchtet haben, auch noch die Blumen beſcheinen möge, die in
der fernſten Zukunft über unſern Gräbern blühen werden.
Man ſieht ohne mein Erinnern, daß bei Unterſuchungen
dieſer Art nicht von ſolchen Störungen die Rede ſeyn kann, die
durch unvorherzuſehende, äußere Kräfte bewirkt werden. Vielleicht
wird ein uns noch unbekannter Komet unſere Erde zertrümmern,
oder in ſeinen Fluthen erſäufen, oder ſie zu Aſche verbrennen und
die Trümmer derſelben mit ſich in fremde Sonnenſyſteme führen;
vielleicht wird einſt dieſes ganze Syſtem, wie jener Fixſtern
in der Caſſiopeia, durch irgend eine uns ebenfalls unbe-
kannte Urſache in Brand gerathen und auflodern, ſo daß von
allem, was uns jetzt umgibt, keine Spur mehr zu finden ſeyn
wird. Solche Kataſtrophen, ſie mögen nun möglich ſeyn oder
nicht, ſind nicht vorauszuſehen, und ſtehen in keinem weitern Zu-
ſammenhange mit einer in der Folge der Zeiten auf natürlichem Wege
nothwendigen oder vorauszuberechenden Zerſtörung, von der hier
allein die Rede ſeyn kann. Daß ein Menſch vom Blitze getödtet
wird, kann keinen Einfluß auf die kürzere oder längere Dauer
des ganzen Geſchlechts haben. Aber daß alle Menſchen und
überhaupt alle lebende Weſen immerwährenden Reibungen und
Abnutzungen ihrer Körper unterworfen ſind, dieß läßt uns nur
gar zu gewiß auf einen endlichen Stillſtand der ganzen Maſchine
ſchließen. Und jene große, bewunderungswürdige Maſchine über
uns — trägt ſie auch ſolche Spuren, aus denen wir, wenn auch
in der fernſten Zukunft, auf ihren Stillſtand, auf ihre Auflöſung
ſchließen können?
Man ſieht, daß hier vorzüglich von den Störungen die
Rede iſt, welchen die einzelnen Körper unſeres Sonnenſyſtems
unterworfen ſind. Wir haben bereits oben (S. 115) geſehen, daß
dieſe Störungen zweierlei Art ſind. Die periodiſchen, welche
bloß den Ort des Planeten in ſeiner Bahn angehen, und die ſä-
culären, welche dieſe Bahn ſelbſt mit der Zeit verändern. Die
erſten können offenbar keinen Einfluß auf eine einſtige Zerſtörung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/220>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.