Der Mond ist in seiner mittleren Distanz 51600 deutsche Meilen oder 1178647000 Par. Fuß von der Erde entfernt. Wenn wir daher die Kraft der Erde auch in dieser Entfernung noch gleich der an ihrer Oberfläche annehmen und überdieß voraus- setzen dürften, daß der Mond nicht eine ähnliche Anziehung, wie unsere Erde, auf die ihn umgebenden Körper ausübe, so würde, wie unsere Gleichungen zeigen, ein von dem Monde in gerader Linie zur Erde fallender Stein die letzte erst in 8835 Sekunden oder in 2 Stunden 27 Minuten 15 Sekunden erreichen, und auf derselben mit einer Geschwindigkeit ankommen, vermöge welcher er in einer Sekunde durch 266797 Fuß, das heißt, durch nahe 113/4 d. Meilen geht.
Allein diese Voraussetzungen sind sehr gewagt und äußerst unwahrscheinlich. In der That, wenn unsere Erde eine Kraft besitzt, mit welcher sie alle Körper an sich zieht, warum sollten diese anderen Körper, warum sollte der Mond, die Sonne und überhaupt alle Körper der Natur einer solchen Kraft beraubt seyn? Welche Vorrechte soll irgend ein Körper der Natur vor allen andern ansprechen dürfen? Und wenn sie in der That alle eine solche Kraft besitzen, durch welche sie selbst auf sehr entfernte Körper noch eine Wirkung äußern, welchen Grund hat man vor- auszusetzen, daß diese Kraft in allen, in großen und kleinen Ent- fernungen immer dieselbe bleiben soll? Diejenigen Entfernungen von der Erdoberfläche, die Berge und Höhlen derselben, in wel- chen wir unsere Beobachtungen noch anstellen können, sind in der That, gegen den Halbmesser der Erde, so klein, daß sie, ohne merklichen Fehler, alle als gleich groß und daß also auch die auf sie wirkende Kraft der Erde durchaus als dieselbe, oder als eine constante Kraft angesehen werden kann. Und wenn dieß, in viel größern Distanzen, wie es scheint, nicht der Fall ist, nach wel- chem Gesetze ändert sich dann diese Kraft in verschiedenen Ent- fernungen?
§. 20. (Allgemeine Bemerkungen über diesen Gegenstand.) Diese Frage ist noch zu beantworten übrig und die Antwort darauf soll der Gegenstand des folgenden Kapitels seyn. Ehe wir aber dahin übergehen, wollen wir noch bemerken, daß auch das meiste von dem, was den Inhalt des gegenwärtigen Kapitels
Eigenſchaften der Körper.
Der Mond iſt in ſeiner mittleren Diſtanz 51600 deutſche Meilen oder 1178647000 Par. Fuß von der Erde entfernt. Wenn wir daher die Kraft der Erde auch in dieſer Entfernung noch gleich der an ihrer Oberfläche annehmen und überdieß voraus- ſetzen dürften, daß der Mond nicht eine ähnliche Anziehung, wie unſere Erde, auf die ihn umgebenden Körper ausübe, ſo würde, wie unſere Gleichungen zeigen, ein von dem Monde in gerader Linie zur Erde fallender Stein die letzte erſt in 8835 Sekunden oder in 2 Stunden 27 Minuten 15 Sekunden erreichen, und auf derſelben mit einer Geſchwindigkeit ankommen, vermöge welcher er in einer Sekunde durch 266797 Fuß, das heißt, durch nahe 11¾ d. Meilen geht.
Allein dieſe Vorausſetzungen ſind ſehr gewagt und äußerſt unwahrſcheinlich. In der That, wenn unſere Erde eine Kraft beſitzt, mit welcher ſie alle Körper an ſich zieht, warum ſollten dieſe anderen Körper, warum ſollte der Mond, die Sonne und überhaupt alle Körper der Natur einer ſolchen Kraft beraubt ſeyn? Welche Vorrechte ſoll irgend ein Körper der Natur vor allen andern anſprechen dürfen? Und wenn ſie in der That alle eine ſolche Kraft beſitzen, durch welche ſie ſelbſt auf ſehr entfernte Körper noch eine Wirkung äußern, welchen Grund hat man vor- auszuſetzen, daß dieſe Kraft in allen, in großen und kleinen Ent- fernungen immer dieſelbe bleiben ſoll? Diejenigen Entfernungen von der Erdoberfläche, die Berge und Höhlen derſelben, in wel- chen wir unſere Beobachtungen noch anſtellen können, ſind in der That, gegen den Halbmeſſer der Erde, ſo klein, daß ſie, ohne merklichen Fehler, alle als gleich groß und daß alſo auch die auf ſie wirkende Kraft der Erde durchaus als dieſelbe, oder als eine conſtante Kraft angeſehen werden kann. Und wenn dieß, in viel größern Diſtanzen, wie es ſcheint, nicht der Fall iſt, nach wel- chem Geſetze ändert ſich dann dieſe Kraft in verſchiedenen Ent- fernungen?
§. 20. (Allgemeine Bemerkungen über dieſen Gegenſtand.) Dieſe Frage iſt noch zu beantworten übrig und die Antwort darauf ſoll der Gegenſtand des folgenden Kapitels ſeyn. Ehe wir aber dahin übergehen, wollen wir noch bemerken, daß auch das meiſte von dem, was den Inhalt des gegenwärtigen Kapitels
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Eigenſchaften der Körper.
Der Mond iſt in ſeiner mittleren Diſtanz 51600 deutſche
Meilen oder 1178647000 Par. Fuß von der Erde entfernt. Wenn
wir daher die Kraft der Erde auch in dieſer Entfernung noch
gleich der an ihrer Oberfläche annehmen und überdieß voraus-
ſetzen dürften, daß der Mond nicht eine ähnliche Anziehung, wie
unſere Erde, auf die ihn umgebenden Körper ausübe, ſo würde,
wie unſere Gleichungen zeigen, ein von dem Monde in gerader
Linie zur Erde fallender Stein die letzte erſt in 8835 Sekunden
oder in 2 Stunden 27 Minuten 15 Sekunden erreichen, und auf
derſelben mit einer Geſchwindigkeit ankommen, vermöge welcher
er in einer Sekunde durch 266797 Fuß, das heißt, durch nahe
11¾ d. Meilen geht.
Allein dieſe Vorausſetzungen ſind ſehr gewagt und äußerſt
unwahrſcheinlich. In der That, wenn unſere Erde eine Kraft
beſitzt, mit welcher ſie alle Körper an ſich zieht, warum ſollten
dieſe anderen Körper, warum ſollte der Mond, die Sonne und
überhaupt alle Körper der Natur einer ſolchen Kraft beraubt ſeyn?
Welche Vorrechte ſoll irgend ein Körper der Natur vor allen
andern anſprechen dürfen? Und wenn ſie in der That alle eine
ſolche Kraft beſitzen, durch welche ſie ſelbſt auf ſehr entfernte
Körper noch eine Wirkung äußern, welchen Grund hat man vor-
auszuſetzen, daß dieſe Kraft in allen, in großen und kleinen Ent-
fernungen immer dieſelbe bleiben ſoll? Diejenigen Entfernungen
von der Erdoberfläche, die Berge und Höhlen derſelben, in wel-
chen wir unſere Beobachtungen noch anſtellen können, ſind in der
That, gegen den Halbmeſſer der Erde, ſo klein, daß ſie, ohne
merklichen Fehler, alle als gleich groß und daß alſo auch die auf
ſie wirkende Kraft der Erde durchaus als dieſelbe, oder als eine
conſtante Kraft angeſehen werden kann. Und wenn dieß, in viel
größern Diſtanzen, wie es ſcheint, nicht der Fall iſt, nach wel-
chem Geſetze ändert ſich dann dieſe Kraft in verſchiedenen Ent-
fernungen?
§. 20. (Allgemeine Bemerkungen über dieſen Gegenſtand.)
Dieſe Frage iſt noch zu beantworten übrig und die Antwort
darauf ſoll der Gegenſtand des folgenden Kapitels ſeyn. Ehe
wir aber dahin übergehen, wollen wir noch bemerken, daß auch
das meiſte von dem, was den Inhalt des gegenwärtigen Kapitels
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/38>, abgerufen am 21.11.2024.
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