Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente. Zukunft gebietet uns die Vernunft sowohl, als auch jene Rech-nung, vor allem Vorsicht und Vermeidung aller heftigen Aen- derung, bei welcher, wie bei einem gewaltsamen Stoße in der ma- teriellen Welt, immer sehr viel von dem verloren geht, was man in der Mechanik die lebendige Kraft des Systems zu nennen pflegt. §. 70. (Wahrscheinlichkeitsrechnung bei Zeugenaussagen.) Die Ein Zeuge sagt vor Gericht aus, daß unter mehreren Fäl- Aus dieser allgemeinen Formel lassen sich eine Menge Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. Zukunft gebietet uns die Vernunft ſowohl, als auch jene Rech-nung, vor allem Vorſicht und Vermeidung aller heftigen Aen- derung, bei welcher, wie bei einem gewaltſamen Stoße in der ma- teriellen Welt, immer ſehr viel von dem verloren geht, was man in der Mechanik die lebendige Kraft des Syſtems zu nennen pflegt. §. 70. (Wahrſcheinlichkeitsrechnung bei Zeugenausſagen.) Die Ein Zeuge ſagt vor Gericht aus, daß unter mehreren Fäl- Aus dieſer allgemeinen Formel laſſen ſich eine Menge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0434" n="422"/><fw place="top" type="header">Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.</fw><lb/> Zukunft gebietet uns die Vernunft ſowohl, als auch jene Rech-<lb/> nung, vor allem <hi rendition="#g">Vorſicht</hi> und Vermeidung aller <hi rendition="#g">heftigen Aen-<lb/> derung</hi>, bei welcher, wie bei einem gewaltſamen Stoße in der ma-<lb/> teriellen Welt, immer ſehr viel von dem verloren geht, was man in der<lb/> Mechanik die <hi rendition="#g">lebendige Kraft</hi> des Syſtems zu nennen pflegt.</p><lb/> <p>§. 70. (Wahrſcheinlichkeitsrechnung bei Zeugenausſagen.) Die<lb/> Wahrſcheinlichkeit der Zeugenausſagen bei unſeren Gerichten<lb/> zu kennen, muß für den Richter ſowohl, als auch für den<lb/> Gerichteten von der größten Wichtigkeit ſeyn. Oft zwar wird<lb/> es ſehr ſchwer und oft ſogar unmöglich ſeyn, auf dieſem Wege<lb/> die geſuchte Wahrheit zu erhalten, da die meiſtens unbekannte Wahr-<lb/> heitsliebe des Menſchen und der Grad ſeiner Einſicht des Gegenſtan-<lb/> des die Sache ſelbſt mannigfaltig verändern kann. Wenn aber dieſe<lb/> beiden Umſtände einigermaßen bekannt ſind, ſo läßt ſich unſere<lb/> neue Rechnung in der That darauf anwenden.</p><lb/> <p>Ein Zeuge ſagt vor Gericht aus, daß unter mehreren Fäl-<lb/> len, von denen man nur <hi rendition="#aq">n</hi> als möglich erkennt, ein beſtimmter<lb/> dieſer <hi rendition="#aq">n</hi> Fälle in der That ſtatt gehabt habe. Iſt dann <hi rendition="#aq">w</hi> die<lb/> Wahrhaftigkeit des Zeugen, das heißt der Grad der Verläßlich-<lb/> keit, daß er die von ihm als Wahrheit erkannte Sache auch in<lb/> der That ausſagen will und iſt <hi rendition="#aq">s</hi> die Sicherheit deſſelben, d. h.<lb/> der Grad der Verläßlichkeit, daß er ſich in ſeiner eigenen Anſicht<lb/> nicht ſelbſt geirrt habe, ſo iſt, wie unſere Analyſe zeigt, die Wahr-<lb/> ſcheinlichkeit, daß jener beſtimmte Fall in der That ſtatt gehabt<lb/> hat, gleich dem Producte von <hi rendition="#aq">w</hi> in <hi rendition="#aq">s</hi>, mehr dem Producte von<lb/> 1 — <hi rendition="#aq">w</hi> in 1 — <hi rendition="#aq">s</hi> durch <hi rendition="#aq">n</hi> — 1 dividirt.</p><lb/> <p>Aus dieſer allgemeinen Formel laſſen ſich eine Menge<lb/> beſonderer Fälle ableiten. Iſt man z. B. von der Wahrhaf-<lb/> tigkeit oder Redlichkeit des Zeugen vollkommen überzeugt,<lb/> ſo iſt die Wahrſcheinlichkeit ſeiner Ausſage gleich dem Pro-<lb/> ducte von <hi rendition="#aq">w</hi> in <hi rendition="#aq">s</hi>. Ganz daſſelbe hat auch ſtatt, wenn man<lb/> von ſeiner Sicherheit, d. h. von der Richtigkeit ſeiner Ein-<lb/> ſicht vollkommen überzeugt iſt. Muß man aber vorausſetzen, daß<lb/> er eben ſo leicht redlich als unredlich ſeyn, und daß er eben ſo<lb/> leicht die wahre als auch eine falſche Anſicht von der Sache haben<lb/> kann, welche Vorausſetzung meiſtens ſtatt haben wird, ſo iſt die<lb/> Wahrſcheinlichkeit ſeiner Ausſage gleich ⅜, alſo etwas kleiner als ½.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [422/0434]
Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
Zukunft gebietet uns die Vernunft ſowohl, als auch jene Rech-
nung, vor allem Vorſicht und Vermeidung aller heftigen Aen-
derung, bei welcher, wie bei einem gewaltſamen Stoße in der ma-
teriellen Welt, immer ſehr viel von dem verloren geht, was man in der
Mechanik die lebendige Kraft des Syſtems zu nennen pflegt.
§. 70. (Wahrſcheinlichkeitsrechnung bei Zeugenausſagen.) Die
Wahrſcheinlichkeit der Zeugenausſagen bei unſeren Gerichten
zu kennen, muß für den Richter ſowohl, als auch für den
Gerichteten von der größten Wichtigkeit ſeyn. Oft zwar wird
es ſehr ſchwer und oft ſogar unmöglich ſeyn, auf dieſem Wege
die geſuchte Wahrheit zu erhalten, da die meiſtens unbekannte Wahr-
heitsliebe des Menſchen und der Grad ſeiner Einſicht des Gegenſtan-
des die Sache ſelbſt mannigfaltig verändern kann. Wenn aber dieſe
beiden Umſtände einigermaßen bekannt ſind, ſo läßt ſich unſere
neue Rechnung in der That darauf anwenden.
Ein Zeuge ſagt vor Gericht aus, daß unter mehreren Fäl-
len, von denen man nur n als möglich erkennt, ein beſtimmter
dieſer n Fälle in der That ſtatt gehabt habe. Iſt dann w die
Wahrhaftigkeit des Zeugen, das heißt der Grad der Verläßlich-
keit, daß er die von ihm als Wahrheit erkannte Sache auch in
der That ausſagen will und iſt s die Sicherheit deſſelben, d. h.
der Grad der Verläßlichkeit, daß er ſich in ſeiner eigenen Anſicht
nicht ſelbſt geirrt habe, ſo iſt, wie unſere Analyſe zeigt, die Wahr-
ſcheinlichkeit, daß jener beſtimmte Fall in der That ſtatt gehabt
hat, gleich dem Producte von w in s, mehr dem Producte von
1 — w in 1 — s durch n — 1 dividirt.
Aus dieſer allgemeinen Formel laſſen ſich eine Menge
beſonderer Fälle ableiten. Iſt man z. B. von der Wahrhaf-
tigkeit oder Redlichkeit des Zeugen vollkommen überzeugt,
ſo iſt die Wahrſcheinlichkeit ſeiner Ausſage gleich dem Pro-
ducte von w in s. Ganz daſſelbe hat auch ſtatt, wenn man
von ſeiner Sicherheit, d. h. von der Richtigkeit ſeiner Ein-
ſicht vollkommen überzeugt iſt. Muß man aber vorausſetzen, daß
er eben ſo leicht redlich als unredlich ſeyn, und daß er eben ſo
leicht die wahre als auch eine falſche Anſicht von der Sache haben
kann, welche Vorausſetzung meiſtens ſtatt haben wird, ſo iſt die
Wahrſcheinlichkeit ſeiner Ausſage gleich ⅜, alſo etwas kleiner als ½.
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