Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870.was sollte nicht die Menge der Gläubigen mit ihrem gesammten Seufzen ausrichten? Bist du dann arm, verlaßen, betrübt, angefochten, krank, verfolgt, gefangen? Gedenke, wenn etwa deine Noth so groß wäre, daß du nicht recht beten könntest, wie in Schrecken, Krankheiten und schweren Anfechtungen wohl geschieht, daß die ganze Menge der Gläubigen täglich bittet für die armen, elenden und verlaßenen, für die angefochtenen Herzen und beängstigten Gewißen, für die Kranken, für die unschuldig Gefangenen, für die Verfolgten und Bedrängten etc., welches allgemeine Gebet seinen großen Nutzen hat, dessen alle, die in der Gemeinschaft Christi sind, vornehmlich, und dann auch öfters, die noch nicht drinnen sind, genießen. - Der Unterricht aber oder die Lehre ist diese, daß alle gläubigen Seelen nothwendig müßen mitleidig, barmherzig und gutthätig sein. Sie müßen ihres Nächsten Noth mit einem liebreichen Herzen ansehen und sich straks geneigt befinden, demselben mit Rath, Hilf und Trost beizuspringen. Die aber hartes Herzens sind und ihres Nächsten Noth nicht empfinden oder achten, die haben nicht Ursach, von ihrem Christenthum sich allzugroße Hoffnung zu machen. Erster Knabe: Das ist gewislich wahr. Christen sind Glieder am Leibe Christi. Ein Glied fühlet des andern Schmerzen. Weinen die Augen, so kommen alsbald die Hände und trocknen sie. Christen kennen sich unter einander, denn sie haben alle Christum angezogen. Kommt ein dürftiger Bruder zu ihnen, so sprechen sie: den kenn ich wohl an seinem Kleide, der ist mein HErr Jesus; sie eilen ihm entgegen und dienen ihm. Auch wohnt Ein Geist in allen Gläubigen, der verbindet ihre Herzen und zündet ein heimliches Flämmlein an, daß der eine dem andern in Gott hold und günstig wird. Zweiter Knabe: Amen, das ist gewislich war. Du darfst also nicht fragen, was du thun sollst äußerlich: siehe auf deinen Nächsten, da wirst du zu thun finden, und wenn dein tausend wären. Verführe dich nur selbst nicht; denke nur nicht, daß du mit Beten und Kirchengehen oder Stiften oder Gedächtnissen wirst gen Himmel kommen, so du vor deinem Nächsten übergehest. Gehst du vor ihm über, so wird er dort im Wege liegen, daß du mußt wieder vor des Himmels Pforte übergehen wie der reiche Mann. was sollte nicht die Menge der Gläubigen mit ihrem gesammten Seufzen ausrichten? Bist du dann arm, verlaßen, betrübt, angefochten, krank, verfolgt, gefangen? Gedenke, wenn etwa deine Noth so groß wäre, daß du nicht recht beten könntest, wie in Schrecken, Krankheiten und schweren Anfechtungen wohl geschieht, daß die ganze Menge der Gläubigen täglich bittet für die armen, elenden und verlaßenen, für die angefochtenen Herzen und beängstigten Gewißen, für die Kranken, für die unschuldig Gefangenen, für die Verfolgten und Bedrängten etc., welches allgemeine Gebet seinen großen Nutzen hat, dessen alle, die in der Gemeinschaft Christi sind, vornehmlich, und dann auch öfters, die noch nicht drinnen sind, genießen. – Der Unterricht aber oder die Lehre ist diese, daß alle gläubigen Seelen nothwendig müßen mitleidig, barmherzig und gutthätig sein. Sie müßen ihres Nächsten Noth mit einem liebreichen Herzen ansehen und sich straks geneigt befinden, demselben mit Rath, Hilf und Trost beizuspringen. Die aber hartes Herzens sind und ihres Nächsten Noth nicht empfinden oder achten, die haben nicht Ursach, von ihrem Christenthum sich allzugroße Hoffnung zu machen. Erster Knabe: Das ist gewislich wahr. Christen sind Glieder am Leibe Christi. Ein Glied fühlet des andern Schmerzen. Weinen die Augen, so kommen alsbald die Hände und trocknen sie. Christen kennen sich unter einander, denn sie haben alle Christum angezogen. Kommt ein dürftiger Bruder zu ihnen, so sprechen sie: den kenn ich wohl an seinem Kleide, der ist mein HErr Jesus; sie eilen ihm entgegen und dienen ihm. Auch wohnt Ein Geist in allen Gläubigen, der verbindet ihre Herzen und zündet ein heimliches Flämmlein an, daß der eine dem andern in Gott hold und günstig wird. Zweiter Knabe: Amen, das ist gewislich war. Du darfst also nicht fragen, was du thun sollst äußerlich: siehe auf deinen Nächsten, da wirst du zu thun finden, und wenn dein tausend wären. Verführe dich nur selbst nicht; denke nur nicht, daß du mit Beten und Kirchengehen oder Stiften oder Gedächtnissen wirst gen Himmel kommen, so du vor deinem Nächsten übergehest. Gehst du vor ihm über, so wird er dort im Wege liegen, daß du mußt wieder vor des Himmels Pforte übergehen wie der reiche Mann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0056" n="56"/> was sollte nicht die Menge der Gläubigen mit ihrem gesammten Seufzen ausrichten? Bist du dann arm, verlaßen, betrübt, angefochten, krank, verfolgt, gefangen? Gedenke, wenn etwa deine Noth so groß wäre, daß du nicht recht beten könntest, wie in Schrecken, Krankheiten und schweren Anfechtungen wohl geschieht, daß die ganze Menge der Gläubigen täglich bittet für die armen, elenden und verlaßenen, für die angefochtenen Herzen und beängstigten Gewißen, für die Kranken, für die unschuldig Gefangenen, für die Verfolgten und Bedrängten etc., welches allgemeine Gebet seinen großen Nutzen hat, dessen alle, die in der Gemeinschaft Christi sind, vornehmlich, und dann auch öfters, die noch nicht drinnen sind, genießen. – Der <hi rendition="#g">Unterricht</hi> aber oder die Lehre ist diese, daß alle gläubigen Seelen <hi rendition="#g">nothwendig müßen mitleidig, barmherzig und gutthätig sein</hi>. Sie müßen ihres Nächsten Noth mit einem liebreichen Herzen ansehen und sich straks geneigt befinden, demselben mit Rath, Hilf und Trost beizuspringen. Die aber hartes Herzens sind und ihres Nächsten Noth nicht empfinden oder achten, die haben nicht Ursach, von ihrem Christenthum sich allzugroße Hoffnung zu machen.</p> <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">Erster Knabe:</hi> </p> <p>Das ist gewislich wahr. Christen sind Glieder am Leibe Christi. Ein Glied fühlet des andern Schmerzen. Weinen die Augen, so kommen alsbald die Hände und trocknen sie. Christen kennen sich unter einander, denn sie haben alle Christum angezogen. Kommt ein dürftiger Bruder zu ihnen, so sprechen sie: den kenn ich wohl an seinem Kleide, der ist mein HErr Jesus; sie eilen ihm entgegen und dienen ihm. Auch wohnt Ein Geist in allen Gläubigen, der verbindet ihre Herzen und zündet ein heimliches Flämmlein an, daß der eine dem andern in Gott hold und günstig wird.</p> <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">Zweiter Knabe:</hi> </p> <p>Amen, das ist gewislich war. Du darfst also nicht fragen, was du thun sollst äußerlich: siehe auf deinen Nächsten, da wirst du zu thun finden, und wenn dein tausend wären. Verführe dich nur selbst nicht; denke nur nicht, daß du mit Beten und Kirchengehen oder Stiften oder Gedächtnissen wirst gen Himmel kommen, so du vor deinem Nächsten übergehest. Gehst du vor ihm über, so wird er dort im Wege liegen, daß du mußt wieder vor des Himmels Pforte übergehen wie der reiche Mann.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0056]
was sollte nicht die Menge der Gläubigen mit ihrem gesammten Seufzen ausrichten? Bist du dann arm, verlaßen, betrübt, angefochten, krank, verfolgt, gefangen? Gedenke, wenn etwa deine Noth so groß wäre, daß du nicht recht beten könntest, wie in Schrecken, Krankheiten und schweren Anfechtungen wohl geschieht, daß die ganze Menge der Gläubigen täglich bittet für die armen, elenden und verlaßenen, für die angefochtenen Herzen und beängstigten Gewißen, für die Kranken, für die unschuldig Gefangenen, für die Verfolgten und Bedrängten etc., welches allgemeine Gebet seinen großen Nutzen hat, dessen alle, die in der Gemeinschaft Christi sind, vornehmlich, und dann auch öfters, die noch nicht drinnen sind, genießen. – Der Unterricht aber oder die Lehre ist diese, daß alle gläubigen Seelen nothwendig müßen mitleidig, barmherzig und gutthätig sein. Sie müßen ihres Nächsten Noth mit einem liebreichen Herzen ansehen und sich straks geneigt befinden, demselben mit Rath, Hilf und Trost beizuspringen. Die aber hartes Herzens sind und ihres Nächsten Noth nicht empfinden oder achten, die haben nicht Ursach, von ihrem Christenthum sich allzugroße Hoffnung zu machen.
Erster Knabe:
Das ist gewislich wahr. Christen sind Glieder am Leibe Christi. Ein Glied fühlet des andern Schmerzen. Weinen die Augen, so kommen alsbald die Hände und trocknen sie. Christen kennen sich unter einander, denn sie haben alle Christum angezogen. Kommt ein dürftiger Bruder zu ihnen, so sprechen sie: den kenn ich wohl an seinem Kleide, der ist mein HErr Jesus; sie eilen ihm entgegen und dienen ihm. Auch wohnt Ein Geist in allen Gläubigen, der verbindet ihre Herzen und zündet ein heimliches Flämmlein an, daß der eine dem andern in Gott hold und günstig wird.
Zweiter Knabe:
Amen, das ist gewislich war. Du darfst also nicht fragen, was du thun sollst äußerlich: siehe auf deinen Nächsten, da wirst du zu thun finden, und wenn dein tausend wären. Verführe dich nur selbst nicht; denke nur nicht, daß du mit Beten und Kirchengehen oder Stiften oder Gedächtnissen wirst gen Himmel kommen, so du vor deinem Nächsten übergehest. Gehst du vor ihm über, so wird er dort im Wege liegen, daß du mußt wieder vor des Himmels Pforte übergehen wie der reiche Mann.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-03T16:04:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-03T16:04:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-03T16:04:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |