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Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.

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Einfältige! was sol ich eyfern und beweinen
Die Strahlen süsser Lust/ daß sie auch andern scheinen?
Glaub't sicher: Mir entgeh't der Wollust-Frühling nicht;
Ob Nero gleich zur Zeit Poppeens Rosen bricht.
Jhr Himmlisch Antzlitz kan mich und auch ihn bestrahlen.
380.Ein schönes Weib ist ja/ die tausend Zierden mahlen/
Ein unverzehrlig Tisch/ der ihrer viel mach't satt.
Ein unverseigend Kwäll/ das allzeit Wasser hat/
Ja süsse Libes-Milch; Wenn gleich in hundert Röhre
Der linde Zukker rinn't. Es ist der Unhold Lehre/
385.Des schelen Neides Art/ wenn andern man verwehr't
Die Speise/ die sie lab't/ sich aber nicht verzehr't.
Wer zürnet: Daß das Rad der Sonnen andern leuchtet?
Daß des Gewölckes Schwamm auch frembde Wisen feuch-
tet?
Was solt' ich denn mein Licht Poppeen schäl seh'n an:
390.Daß sie das Libes-Oel/ das ich nicht brauchen kan/
Flöß't frembden Ampeln ein?
Octav. Hilf Himmel ich
erschrecke:
Daß ein so Knechtisch Geist in einem Römer stecke.
Wird der so kluge Schluß itzt ein verächtlich Traum:
Jm Ehbett' und im Thron' hat kein Gefärthe Raum?
395.Verkennt sich die Natur: Daß auch ein Staub versehre/
Ein anrühr'n thue weh den Augen und der Ehre?
Zu dem weiß Otho nicht/ in was die Anmuth steck't?
Das Küssen/ wenn der Mund nach frembden Speichel
schmek't
Jst Unlust/ Eckel/ Gifft. Die schönsten Lilgen taugen
400.Den reinen Bienen nicht das Honig außzusaugen/
Auf die ein Kefer hat den geilen Koth geschmier't/
Wo sich die Wespe speis't. Halß/ Brust und Schooß ver-
lier't
Durch Ehbruch allen Trieb.
Otho. Diß überrede Kin-
der:
Daß sich der Schönheit Reitz durch fremdes Liben min-
der'.
405.Jch halt's für einen Ruhm des Käysers Schwager seyn.
Ja glaub't: Daß diß der Brunst mehr Libes-Oel flöß't ein;
Daß
Einfaͤltige! was ſol ich eyfern und beweinen
Die Strahlen ſuͤſſer Luſt/ daß ſie auch andern ſcheinen?
Glaub’t ſicher: Mir entgeh’t der Wolluſt-Fruͤhling nicht;
Ob Nero gleich zur Zeit Poppeens Roſen bricht.
Jhr Himmliſch Antzlitz kan mich und auch ihn beſtrahlen.
380.Ein ſchoͤnes Weib iſt ja/ die tauſend Zierden mahlen/
Ein unverzehrlig Tiſch/ der ihrer viel mach’t ſatt.
Ein unverſeigend Kwaͤll/ das allzeit Waſſer hat/
Ja ſuͤſſe Libes-Milch; Wenn gleich in hundert Roͤhre
Der linde Zukker rinn’t. Es iſt der Unhold Lehre/
385.Des ſchelen Neides Art/ wenn andern man verwehr’t
Die Speiſe/ die ſie lab’t/ ſich aber nicht verzehr’t.
Wer zuͤrnet: Daß das Rad der Sonnen andern leuchtet?
Daß des Gewoͤlckes Schwam̃ auch frembde Wiſen feuch-
tet?
Was ſolt’ ich denn mein Licht Poppeen ſchaͤl ſeh’n an:
390.Daß ſie das Libes-Oel/ das ich nicht brauchen kan/
Floͤß’t frembden Ampeln ein?
Octav. Hilf Himmel ich
erſchrecke:
Daß ein ſo Knechtiſch Geiſt in einem Roͤmer ſtecke.
Wird der ſo kluge Schluß itzt ein veraͤchtlich Traum:
Jm Ehbett’ und im Thron’ hat kein Gefaͤrthe Raum?
395.Verkennt ſich die Natur: Daß auch ein Staub verſehre/
Ein anruͤhr’n thue weh den Augen und der Ehre?
Zu dem weiß Otho nicht/ in was die Anmuth ſteck’t?
Das Kuͤſſen/ wenn der Mund nach frembden Speichel
ſchmek’t
Jſt Unluſt/ Eckel/ Gifft. Die ſchoͤnſten Lilgen taugen
400.Den reinen Bienen nicht das Honig außzuſaugen/
Auf die ein Kefer hat den geilen Koth geſchmier’t/
Wo ſich die Weſpe ſpeiſ’t. Halß/ Bruſt und Schooß ver-
lier’t
Durch Ehbruch allen Trieb.
Otho. Diß uͤberrede Kin-
der:
Daß ſich der Schoͤnheit Reitz durch fremdes Liben min-
der’.
405.Jch halt’s fuͤr einen Ruhm des Kaͤyſers Schwager ſeyn.
Ja glaub’t: Daß diß der Brunſt mehr Libes-Oel floͤß’t ein;
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[40./0058] Einfaͤltige! was ſol ich eyfern und beweinen Die Strahlen ſuͤſſer Luſt/ daß ſie auch andern ſcheinen? Glaub’t ſicher: Mir entgeh’t der Wolluſt-Fruͤhling nicht; Ob Nero gleich zur Zeit Poppeens Roſen bricht. Jhr Himmliſch Antzlitz kan mich und auch ihn beſtrahlen. Ein ſchoͤnes Weib iſt ja/ die tauſend Zierden mahlen/ Ein unverzehrlig Tiſch/ der ihrer viel mach’t ſatt. Ein unverſeigend Kwaͤll/ das allzeit Waſſer hat/ Ja ſuͤſſe Libes-Milch; Wenn gleich in hundert Roͤhre Der linde Zukker rinn’t. Es iſt der Unhold Lehre/ Des ſchelen Neides Art/ wenn andern man verwehr’t Die Speiſe/ die ſie lab’t/ ſich aber nicht verzehr’t. Wer zuͤrnet: Daß das Rad der Sonnen andern leuchtet? Daß des Gewoͤlckes Schwam̃ auch frembde Wiſen feuch- tet? Was ſolt’ ich denn mein Licht Poppeen ſchaͤl ſeh’n an: Daß ſie das Libes-Oel/ das ich nicht brauchen kan/ Floͤß’t frembden Ampeln ein? Octav. Hilf Himmel ich erſchrecke: Daß ein ſo Knechtiſch Geiſt in einem Roͤmer ſtecke. Wird der ſo kluge Schluß itzt ein veraͤchtlich Traum: Jm Ehbett’ und im Thron’ hat kein Gefaͤrthe Raum? Verkennt ſich die Natur: Daß auch ein Staub verſehre/ Ein anruͤhr’n thue weh den Augen und der Ehre? Zu dem weiß Otho nicht/ in was die Anmuth ſteck’t? Das Kuͤſſen/ wenn der Mund nach frembden Speichel ſchmek’t Jſt Unluſt/ Eckel/ Gifft. Die ſchoͤnſten Lilgen taugen Den reinen Bienen nicht das Honig außzuſaugen/ Auf die ein Kefer hat den geilen Koth geſchmier’t/ Wo ſich die Weſpe ſpeiſ’t. Halß/ Bruſt und Schooß ver- lier’t Durch Ehbruch allen Trieb. Otho. Diß uͤberrede Kin- der: Daß ſich der Schoͤnheit Reitz durch fremdes Liben min- der’. Jch halt’s fuͤr einen Ruhm des Kaͤyſers Schwager ſeyn. Ja glaub’t: Daß diß der Brunſt mehr Libes-Oel floͤß’t ein; Daß

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 40.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/58>, abgerufen am 19.05.2024.