Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665. Nero. Es läß't hierinnen sich aus Gleichnüssen nicht schlüssen. Agrip. Der Käyser mach't ihm nur ein allzu zart Gewis- sen/ 195.Und läß't sich binden diß/ was ihn nicht binden kan. Ward ein Gesätze doch auch damals abgethan/ Als Claudius mit uns vermählet wolte leben. Warumb kan Nero denn nicht auch Gesätz' aufheben? Nero. Von's Brudern Tochter schick't zur Mutter sich kein 200.Schluß. Agrip. Jst ichtwas/ daß sich nicht den Fürsten schicken muß? Zu dem/ wird denn von uns/ was unerhört/ begehret. Hat Macareus nicht der Canacen gewehret/ Was er auf so viel Thrän' und Säufzen uns nicht gib't. Als sich Antiochus in's Vatern Frau verlib't 205.Hat ihm Seleucus stracks die Mutter abegtretten. Nero. Kan frembder Jrrthum uns von dem Verbrechen retten? Agrip. Der Persen Recht läß't zu: daß eine Mutter sich 210.Jn's Sohnes Bette lägt. Und du besorgest dich: Daß/ was den Pöfel nicht bestrickt/ uns Fürsten binde. Nero. Viel/ was der Perse lob't/ ist bey den Römern Sünde. Agrip. Gesätzt: Daß nnsre Lieb' je ein Verbrechen sey; Gesätzt: Daß Müttern nicht was Frembden stehe frey/ So dencke: Daß wir ja hier nicht aus Vorsatz irren. Sol sich der Vogel nicht in's Netze lassen kirren/ 215.So pflantz' ihm die Natur nicht das Gelüsten ein; So tilge sie den Baum/ wo schöne Beeren seyn. Wenn in den Augen schon der Schönheit Schwefel ste- cket/ Wird in dem Hertzen leicht ein solcher Brand erwecket/ Der nicht zu leschen ist/ biß Licht und Tacht entgeh't/ 220.Und der Vernunfft Gesicht' in vollem Rauche steh't. Sol der nun strafbar seyn/ der nicht durch Nebel sihet. Der sich nicht leschen kan/ wie sehr er sich bemühet? Erwege doch mein Kind: Man nimm't geweyhtes Brodt Zuläß-
Nero. Es laͤß’t hierinnen ſich aus Gleichnuͤſſen nicht ſchluͤſſen. Agrip. Der Kaͤyſer mach’t ihm nur ein allzu zart Gewiſ- ſen/ 195.Und laͤß’t ſich binden diß/ was ihn nicht binden kan. Ward ein Geſaͤtze doch auch damals abgethan/ Als Claudius mit uns vermaͤhlet wolte leben. Warumb kan Nero denn nicht auch Geſaͤtz’ aufheben? Nero. Von’s Brudern Tochter ſchick’t zur Mutter ſich kein 200.Schluß. Agrip. Jſt ichtwas/ daß ſich nicht den Fuͤrſten ſchicken muß? Zu dem/ wird denn von uns/ was unerhoͤrt/ begehret. Hat Macareus nicht der Canacen gewehret/ Was er auf ſo viel Thraͤn’ und Saͤufzen uns nicht gib’t. Als ſich Antiochus in’s Vatern Frau verlib’t 205.Hat ihm Seleucus ſtracks die Mutter abegtretten. Nero. Kan frembder Jrrthum uns von dem Verbrechen retten? Agrip. Der Perſen Recht laͤß’t zu: daß eine Mutter ſich 210.Jn’s Sohnes Bette laͤgt. Und du beſorgeſt dich: Daß/ was den Poͤfel nicht beſtrickt/ uns Fuͤrſten binde. Nero. Viel/ was der Perſe lob’t/ iſt bey den Roͤmern Suͤnde. Agrip. Geſaͤtzt: Daß nnſre Lieb’ je ein Verbrechen ſey; Geſaͤtzt: Daß Muͤttern nicht was Frembden ſtehe frey/ So dencke: Daß wir ja hier nicht aus Vorſatz irren. Sol ſich der Vogel nicht in’s Netze laſſen kirren/ 215.So pflantz’ ihm die Natur nicht das Geluͤſten ein; So tilge ſie den Baum/ wo ſchoͤne Beeren ſeyn. Wenn in den Augen ſchon der Schoͤnheit Schwefel ſte- cket/ Wird in dem Hertzen leicht ein ſolcher Brand erwecket/ Der nicht zu leſchen iſt/ biß Licht und Tacht entgeh’t/ 220.Und der Vernunfft Geſicht’ in vollem Rauche ſteh’t. Sol der nun ſtrafbar ſeyn/ der nicht durch Nebel ſihet. Der ſich nicht leſchen kan/ wie ſehr er ſich bemuͤhet? Erwege doch mein Kind: Man nimm’t geweyhtes Brodt Zulaͤß-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0072" n="54."/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq">Nero.</hi> </speaker> <p>Es laͤß’t hierinnen ſich aus Gleichnuͤſſen nicht<lb/><hi rendition="#et">ſchluͤſſen.</hi></p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq">Agrip.</hi> </speaker> <p>Der Kaͤyſer mach’t ihm nur ein allzu zart Gewiſ-<lb/><hi rendition="#et">ſen/</hi><lb/><note place="left">195.</note>Und laͤß’t ſich binden diß/ was ihn nicht binden kan.<lb/> Ward ein Geſaͤtze doch auch damals abgethan/<lb/> Als Claudius mit uns vermaͤhlet wolte leben.<lb/> Warumb kan Nero denn nicht auch Geſaͤtz’ aufheben?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq">Nero.</hi> </speaker> <p>Von’s Brudern Tochter ſchick’t zur Mutter ſich kein<lb/><hi rendition="#et">Schluß.</hi></p> </sp><lb/> <note place="left">200.</note> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq">Agrip.</hi> </speaker> <p>Jſt ichtwas/ daß ſich nicht den Fuͤrſten ſchicken<lb/><hi rendition="#et">muß?</hi><lb/> Zu dem/ wird denn von uns/ was unerhoͤrt/ begehret.<lb/> Hat Macareus nicht der Canacen gewehret/<lb/> Was er auf ſo viel Thraͤn’ und Saͤufzen uns nicht gib’t.<lb/> Als ſich Antiochus in’s Vatern Frau verlib’t<lb/><note place="left">205.</note>Hat ihm Seleucus ſtracks die Mutter abegtretten.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq">Nero.</hi> </speaker> <p>Kan frembder Jrrthum uns von dem Verbrechen<lb/><hi rendition="#et">retten?</hi></p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq">Agrip.</hi> </speaker> <p>Der Perſen Recht laͤß’t zu: daß eine Mutter ſich<lb/> Jn’s Sohnes Bette laͤgt. Und du beſorgeſt dich:<lb/> Daß/ was den Poͤfel nicht beſtrickt/ uns Fuͤrſten binde.</p> </sp><lb/> <note place="left">210.</note> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq">Nero.</hi> </speaker> <p>Viel/ was der Perſe lob’t/ iſt bey den Roͤmern<lb/><hi rendition="#et">Suͤnde.</hi></p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq">Agrip.</hi> </speaker> <p>Geſaͤtzt: Daß nnſre Lieb’ je ein Verbrechen ſey;<lb/> Geſaͤtzt: Daß Muͤttern nicht was Frembden ſtehe frey/<lb/> So dencke: Daß wir ja hier nicht aus Vorſatz irren.<lb/> Sol ſich der Vogel nicht in’s Netze laſſen kirren/<lb/><note place="left">215.</note>So pflantz’ ihm die Natur nicht das Geluͤſten ein;<lb/> So tilge ſie den Baum/ wo ſchoͤne Beeren ſeyn.<lb/> Wenn in den Augen ſchon der Schoͤnheit Schwefel ſte-<lb/><hi rendition="#et">cket/</hi><lb/> Wird in dem Hertzen leicht ein ſolcher Brand erwecket/<lb/> Der nicht zu leſchen iſt/ biß Licht und Tacht entgeh’t/<lb/><note place="left">220.</note>Und der Vernunfft Geſicht’ in vollem Rauche ſteh’t.<lb/> Sol der nun ſtrafbar ſeyn/ der nicht durch Nebel ſihet.<lb/> Der ſich nicht leſchen kan/ wie ſehr er ſich bemuͤhet?<lb/> Erwege doch mein Kind: Man nimm’t geweyhtes Brodt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Zulaͤß-</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [54./0072]
Nero. Es laͤß’t hierinnen ſich aus Gleichnuͤſſen nicht
ſchluͤſſen.
Agrip. Der Kaͤyſer mach’t ihm nur ein allzu zart Gewiſ-
ſen/
Und laͤß’t ſich binden diß/ was ihn nicht binden kan.
Ward ein Geſaͤtze doch auch damals abgethan/
Als Claudius mit uns vermaͤhlet wolte leben.
Warumb kan Nero denn nicht auch Geſaͤtz’ aufheben?
Nero. Von’s Brudern Tochter ſchick’t zur Mutter ſich kein
Schluß.
Agrip. Jſt ichtwas/ daß ſich nicht den Fuͤrſten ſchicken
muß?
Zu dem/ wird denn von uns/ was unerhoͤrt/ begehret.
Hat Macareus nicht der Canacen gewehret/
Was er auf ſo viel Thraͤn’ und Saͤufzen uns nicht gib’t.
Als ſich Antiochus in’s Vatern Frau verlib’t
Hat ihm Seleucus ſtracks die Mutter abegtretten.
Nero. Kan frembder Jrrthum uns von dem Verbrechen
retten?
Agrip. Der Perſen Recht laͤß’t zu: daß eine Mutter ſich
Jn’s Sohnes Bette laͤgt. Und du beſorgeſt dich:
Daß/ was den Poͤfel nicht beſtrickt/ uns Fuͤrſten binde.
Nero. Viel/ was der Perſe lob’t/ iſt bey den Roͤmern
Suͤnde.
Agrip. Geſaͤtzt: Daß nnſre Lieb’ je ein Verbrechen ſey;
Geſaͤtzt: Daß Muͤttern nicht was Frembden ſtehe frey/
So dencke: Daß wir ja hier nicht aus Vorſatz irren.
Sol ſich der Vogel nicht in’s Netze laſſen kirren/
So pflantz’ ihm die Natur nicht das Geluͤſten ein;
So tilge ſie den Baum/ wo ſchoͤne Beeren ſeyn.
Wenn in den Augen ſchon der Schoͤnheit Schwefel ſte-
cket/
Wird in dem Hertzen leicht ein ſolcher Brand erwecket/
Der nicht zu leſchen iſt/ biß Licht und Tacht entgeh’t/
Und der Vernunfft Geſicht’ in vollem Rauche ſteh’t.
Sol der nun ſtrafbar ſeyn/ der nicht durch Nebel ſihet.
Der ſich nicht leſchen kan/ wie ſehr er ſich bemuͤhet?
Erwege doch mein Kind: Man nimm’t geweyhtes Brodt
Zulaͤß-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |