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Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665.

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Burrh. Gespenste sind ein Traum/ und Träume sind ein-
wind.
140.
Nero. Der Außschlag Leider! Weißt's/ ob's schlechte
Träume sind.
Senec. Was hat für Außschlag sein Erschrecknüs denn be-
kommen?
Nero. Die Mutter/ die man woll'n ersäuffen/ ist ent-
schwommen.
Burrh. Gesätzt/ sagt: Was ein Weib dem Käyser schaden
kan.
Nero. Viel/ leider! Denn halb Rom/ hängt Agrippinen
an.
145.Die gantze Gegend ist für ihre Wolfarth wache.
Und krig't sie so viel Luft; Daß sie das Volck zur Rache
Durch ihre Thränen bring't/ daß sie in Rom erzehl't/
Wie unser Anschlag uns/ der Schifbruch sie gefehl't/
Wie sie die Wunde kri'gt/ wie ihre Freund umbkommen/
150.So ist den Augenblick uns Reich und Geist benommen.
Senec. Ein wachsend Ubel darf geschwinden Widerstand.
Nero. Des Käysers Heil und Reich beruh't in euer Hand.
Burrh. Forsch't Seneca von mir/ was hier sey zu erwehlen?
Senec. Läß't ihre Tödtung sich der Leibwach' anbefehlen?
155.
Burrh. Weiß dise Flamme nichts zu läschen als ihr Blutt?
Senec. Man tödte diesen Wurm eh' als er's selber thut.
Burrh. So grimme Rach' ist nicht von Müttern zu ver-
mutten.
Senec. Die Rache sih't mit Lust auch Kinder-Köpffe blut-
ten.
Burrh. Sie würde durch dis Blutt sich stürtzen und ihr
Hauß.
160.
Senec. Die Rache gleich't der Glutt/ die gerne leschet aus/
Wenn sie dis/ was sie nehr't/ nur kan in Asche kehren.
Burrh. Wie kont' ein grimmes Weib so holden Sohn ge-
behren?
Senec. Die Erd' ist kalt und todt dar/ wo sie Gold ge-
biehrt/
Weil die Natur ihr Marck zu einer Ader führ't:
165.Daß sie die Kräuter nicht mit Safte kan betheilen.
Burrh.
E 4
Burrh. Geſpenſte ſind ein Traum/ und Traͤume ſind ein-
wind.
140.
Nero. Der Außſchlag Leider! Weißt’s/ ob’s ſchlechte
Traͤume ſind.
Senec. Was hat fuͤr Außſchlag ſein Erſchrecknuͤs denn be-
kommen?
Nero. Die Mutter/ die man woll’n erſaͤuffen/ iſt ent-
ſchwommen.
Burrh. Geſaͤtzt/ ſagt: Was ein Weib dem Kaͤyſer ſchaden
kan.
Nero. Viel/ leider! Denn halb Rom/ haͤngt Agrippinen
an.
145.Die gantze Gegend iſt fuͤr ihre Wolfarth wache.
Und krig’t ſie ſo viel Luft; Daß ſie das Volck zur Rache
Durch ihre Thraͤnen bring’t/ daß ſie in Rom erzehl’t/
Wie unſer Anſchlag uns/ der Schifbruch ſie gefehl’t/
Wie ſie die Wunde kri’gt/ wie ihre Freund umbkommen/
150.So iſt den Augenblick uns Reich und Geiſt benommen.
Senec. Ein wachſend Ubel darf geſchwinden Widerſtand.
Nero. Des Kaͤyſers Heil und Reich beruh’t in euer Hand.
Burrh. Forſch’t Seneca von mir/ was hier ſey zu erwehlen?
Senec. Laͤß’t ihre Toͤdtung ſich der Leibwach’ anbefehlen?
155.
Burrh. Weiß diſe Flamme nichts zu laͤſchen als ihr Blutt?
Senec. Man toͤdte dieſen Wurm eh’ als er’s ſelber thut.
Burrh. So grimme Rach’ iſt nicht von Muͤttern zu ver-
mutten.
Senec. Die Rache ſih’t mit Luſt auch Kinder-Koͤpffe blut-
ten.
Burrh. Sie wuͤrde durch dis Blutt ſich ſtuͤrtzen und ihr
Hauß.
160.
Senec. Die Rache gleich’t der Glutt/ die gerne leſchet aus/
Wenn ſie dis/ was ſie nehr’t/ nur kan in Aſche kehren.
Burrh. Wie kont’ ein grimmes Weib ſo holden Sohn ge-
behren?
Senec. Die Erd’ iſt kalt und todt dar/ wo ſie Gold ge-
biehrt/
Weil die Natur ihr Marck zu einer Ader fuͤhr’t:
165.Daß ſie die Kraͤuter nicht mit Safte kan betheilen.
Burrh.
E 4
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[71./0089] Burrh. Geſpenſte ſind ein Traum/ und Traͤume ſind ein- wind. Nero. Der Außſchlag Leider! Weißt’s/ ob’s ſchlechte Traͤume ſind. Senec. Was hat fuͤr Außſchlag ſein Erſchrecknuͤs denn be- kommen? Nero. Die Mutter/ die man woll’n erſaͤuffen/ iſt ent- ſchwommen. Burrh. Geſaͤtzt/ ſagt: Was ein Weib dem Kaͤyſer ſchaden kan. Nero. Viel/ leider! Denn halb Rom/ haͤngt Agrippinen an. Die gantze Gegend iſt fuͤr ihre Wolfarth wache. Und krig’t ſie ſo viel Luft; Daß ſie das Volck zur Rache Durch ihre Thraͤnen bring’t/ daß ſie in Rom erzehl’t/ Wie unſer Anſchlag uns/ der Schifbruch ſie gefehl’t/ Wie ſie die Wunde kri’gt/ wie ihre Freund umbkommen/ So iſt den Augenblick uns Reich und Geiſt benommen. Senec. Ein wachſend Ubel darf geſchwinden Widerſtand. Nero. Des Kaͤyſers Heil und Reich beruh’t in euer Hand. Burrh. Forſch’t Seneca von mir/ was hier ſey zu erwehlen? Senec. Laͤß’t ihre Toͤdtung ſich der Leibwach’ anbefehlen? Burrh. Weiß diſe Flamme nichts zu laͤſchen als ihr Blutt? Senec. Man toͤdte dieſen Wurm eh’ als er’s ſelber thut. Burrh. So grimme Rach’ iſt nicht von Muͤttern zu ver- mutten. Senec. Die Rache ſih’t mit Luſt auch Kinder-Koͤpffe blut- ten. Burrh. Sie wuͤrde durch dis Blutt ſich ſtuͤrtzen und ihr Hauß. Senec. Die Rache gleich’t der Glutt/ die gerne leſchet aus/ Wenn ſie dis/ was ſie nehr’t/ nur kan in Aſche kehren. Burrh. Wie kont’ ein grimmes Weib ſo holden Sohn ge- behren? Senec. Die Erd’ iſt kalt und todt dar/ wo ſie Gold ge- biehrt/ Weil die Natur ihr Marck zu einer Ader fuͤhr’t: Daß ſie die Kraͤuter nicht mit Safte kan betheilen. Burrh. E 4

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665, S. 71.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_agrippina_1665/89>, abgerufen am 19.05.2024.