Lohenstein, Daniel Casper von: Agrippina. Breslau, 1665. Burrh. Die Wunden lassen sich mit Messern übel heilen. Senec. Sie heil'n/ wenn Salbe nicht dem Krebse steuern kan. Burrh. Man wende noch einmal der Sanftmuth Pflaster an. Senec. Der Fürst hat sie auf sich durch Sanftmuth nur 170.verhetzet. Burrh. Welch Sohn hat seine Faust durch Mutter-Blutt genetzet? Senec. Der Clytemnestre Blutt kleb't an Orestens Stahl. Burrh. Durch sie ward vor entseel't sein Vater/ ihr Ge- mahl. Senec. Jch sehe dis und mehr an Agrippinen kleben. Burrh. Wer hat der Eitern Schuld den Kindern unter- 175.geben? Senec. Die Fürsten richten sie als Götter dieser Welt. Burrh. Wer hat sonst als Orest solch Urtheil je gefäll't? Senec. Alcmaeon tödtet' auch die Mutter Eriphyle. Nero. Jch sorge: Daß man hier mehr als gefährlich spie- le Durch langsamen Bedacht. Oft nü'tzt ein kluger Rath 180.Nicht/ was ein schneller Schluß und eine kühne That. Senec. Die Schlange die man tritt/ die muß man gar er- 185.tretten. Gesätzt: Daß wir sie nicht zu tödten Uhrsach' hetten/ So heischt's des Reiches Noth/ und unsers Käysers Heil. Die zu beschirmen/ muß jedwedes Bluttsein Feil. Burrh. Da sie denn sterben soll/ wer wird den Muth ihm fassen? Kein Kriegs-Knecht wird hierzu sich sicher brauchen las- sen/ Das gantze Läger sih't auf's Käysers gantzes Hauß/ Und des Germanicus Gedächtnüs läsch't nicht aus/ Auch nicht des Heeres Hold zu seines Stammes Zwei- gen/ 190.So lange sich der Rhein wird für den Adlern neigen/ Die er so hoch erhob. Dem Anicet steh't zu: Daß er diß/ was er hat versprochen/ würcklich thu'. Anic.
Burrh. Die Wunden laſſen ſich mit Meſſern uͤbel heilen. Senec. Sie heil’n/ wenn Salbe nicht dem Krebſe ſteuern kan. Burrh. Man wende noch einmal der Sanftmuth Pflaſter an. Senec. Der Fuͤrſt hat ſie auf ſich durch Sanftmuth nur 170.verhetzet. Burrh. Welch Sohn hat ſeine Fauſt durch Mutter-Blutt genetzet? Senec. Der Clytemneſtre Blutt kleb’t an Oreſtens Stahl. Burrh. Durch ſie ward vor entſeel’t ſein Vater/ ihr Ge- mahl. Senec. Jch ſehe dis und mehr an Agrippinen kleben. Burrh. Wer hat der Eitern Schuld den Kindern unter- 175.geben? Senec. Die Fuͤrſten richten ſie als Goͤtter dieſer Welt. Burrh. Wer hat ſonſt als Oreſt ſolch Urtheil je gefaͤll’t? Senec. Alcmæon toͤdtet’ auch die Mutter Eriphyle. Nero. Jch ſorge: Daß man hier mehr als gefaͤhrlich ſpie- le Durch langſamen Bedacht. Oft nuͤ’tzt ein kluger Rath 180.Nicht/ was ein ſchneller Schluß und eine kuͤhne That. Senec. Die Schlange die man tritt/ die muß man gar er- 185.tretten. Geſaͤtzt: Daß wir ſie nicht zu toͤdten Uhrſach’ hetten/ So heiſcht’s des Reiches Noth/ und unſers Kaͤyſers Heil. Die zu beſchirmen/ muß jedwedes Bluttſein Feil. Burrh. Da ſie denn ſterben ſoll/ wer wird den Muth ihm faſſen? Kein Kriegs-Knecht wird hierzu ſich ſicher brauchen laſ- ſen/ Das gantze Laͤger ſih’t auf’s Kaͤyſers gantzes Hauß/ Und des Germanicus Gedaͤchtnuͤs laͤſch’t nicht aus/ Auch nicht des Heeres Hold zu ſeines Stammes Zwei- gen/ 190.So lange ſich der Rhein wird fuͤr den Adlern neigen/ Die er ſo hoch erhob. Dem Anicet ſteh’t zu: Daß er diß/ was er hat verſprochen/ wuͤrcklich thu’. Anic.
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Senec. Sie heil’n/ wenn Salbe nicht dem Krebſe ſteuern
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Burrh. Man wende noch einmal der Sanftmuth Pflaſter
an.
Senec. Der Fuͤrſt hat ſie auf ſich durch Sanftmuth nur
verhetzet.
Burrh. Welch Sohn hat ſeine Fauſt durch Mutter-Blutt
genetzet?
Senec. Der Clytemneſtre Blutt kleb’t an Oreſtens Stahl.
Burrh. Durch ſie ward vor entſeel’t ſein Vater/ ihr Ge-
mahl.
Senec. Jch ſehe dis und mehr an Agrippinen kleben.
Burrh. Wer hat der Eitern Schuld den Kindern unter-
geben?
Senec. Die Fuͤrſten richten ſie als Goͤtter dieſer Welt.
Burrh. Wer hat ſonſt als Oreſt ſolch Urtheil je gefaͤll’t?
Senec. Alcmæon toͤdtet’ auch die Mutter Eriphyle.
Nero. Jch ſorge: Daß man hier mehr als gefaͤhrlich ſpie-
le
Durch langſamen Bedacht. Oft nuͤ’tzt ein kluger Rath
Nicht/ was ein ſchneller Schluß und eine kuͤhne That.
Senec. Die Schlange die man tritt/ die muß man gar er-
tretten.
Geſaͤtzt: Daß wir ſie nicht zu toͤdten Uhrſach’ hetten/
So heiſcht’s des Reiches Noth/ und unſers Kaͤyſers Heil.
Die zu beſchirmen/ muß jedwedes Bluttſein Feil.
Burrh. Da ſie denn ſterben ſoll/ wer wird den Muth ihm
faſſen?
Kein Kriegs-Knecht wird hierzu ſich ſicher brauchen laſ-
ſen/
Das gantze Laͤger ſih’t auf’s Kaͤyſers gantzes Hauß/
Und des Germanicus Gedaͤchtnuͤs laͤſch’t nicht aus/
Auch nicht des Heeres Hold zu ſeines Stammes Zwei-
gen/
So lange ſich der Rhein wird fuͤr den Adlern neigen/
Die er ſo hoch erhob. Dem Anicet ſteh’t zu:
Daß er diß/ was er hat verſprochen/ wuͤrcklich thu’.
Anic.
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