Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Cleopatra. Breslau, 1661.

Bild:
<< vorherige Seite
CLEOPATR|A.
Doch hat di Sterbende dich noch umb was zu bitten:
140.Es werd' uns beim Anton zu ruhen nicht verschnitten.
"Man gönnt leibeignet Schaar'; auch Würmern Erd' und
Sand.
"Schärfft denn auf unser Blutt und Kinder seine Hand/
"Nicht den blutt-fetten Stahl/ verschont er si der Ketten;
"So wird August mit Ruhm Egiptens Stuhl betretten/
145."So wird sein Stamm und Haus stets blüh'n und sighaft sein:
"Doch schleust der Sarch auch nicht Cleopatren gantz ein.
Cleop. Jhr hört den jüngsten Wunsch. Reicht her ihn zu-
verschlissen;
Stellt den dem Hauptman zu/ der ihn bereit wird wissen/
Dem Keiser zuzustelln. Iras. Hilf Himmel! Gib nicht zu:
150.Daß unser Hertz und Haupt vor uns im Grabe ruh.
Wenn alle Glider todt/ siht man das Hertz erst sterben/
Auf Charmium! laß uns hier sterbend Ruhm erwerben!
Cleop. Vertrautste/ nein ihr irrt. Da ihr uns redlich libt/
Da ihr uns hertzlich meint/ bestürtzte/ so verschibt
155.Daß euch noch ferne Ziel; euch und auch uns gutte.
Wenn man di Hand bespritzt mit hober Häupter Blutte/
Schläft man mit linder Hand diuntern Glieder ein.
Westhalben solt' auf euch Augustus grimmig sein?
Ja/ da ihr euch so weit di Kleinmuth last verleiten/
160.Wer wird uns Gruft und Sarch nach Würden zubereiten?
Glaubt/ wer für Schmertzen stirbt/ liebt so di Todte nicht/
Als der der Sterbenden den letzten Dienst verricht!
Charm. Jst denn kein Mittel nicht zuflihen Tod und Banden?
Cleop. Der Schluß bleibt fest. Hier ist di Artznei schon ver-
handen?
Charm. Worzu hat si bieher den Feigen-Korb versteckt?
165.
Cleop. Der uns miß-gönnte Todt wird durch dis Laub
verdeckt.
Schaut ihr di gelbe Schlang' an diesem Honig saugen?
Schaut wi ihr Schwantz hier spielt/ wie flammen ihr di Augen?
Si schärff't auf unsern Arm schon Zunge Gift und Zahn.
Iras. Mein Geist erschüttert sich! Jst dis di sanfte Bahn/
Zum
CLEOPATR|A.
Doch hat di Sterbende dich noch umb was zu bitten:
140.Es werd’ uns beim Anton zu ruhen nicht verſchnitten.
„Man goͤnnt leibeignet Schaar’; auch Wuͤrmern Erd’ und
Sand.
„Schaͤrfft denn auf unſer Blutt und Kinder ſeine Hand/
„Nicht den blutt-fetten Stahl/ verſchont er ſi der Ketten;
„So wird Auguſt mit Ruhm Egiptens Stuhl betretten/
145.„So wird ſein Stam̃ und Haus ſtets bluͤh’n und ſighaft ſein:
„Doch ſchleuſt der Sarch auch nicht Cleopatren gantz ein.
Cleop. Jhr hoͤrt den juͤngſten Wunſch. Reicht her ihn zu-
verſchliſſen;
Stellt den dem Hauptman zu/ der ihn bereit wird wiſſen/
Dem Keiſer zuzuſtelln. Iras. Hilf Himmel! Gib nicht zu:
150.Daß unſer Hertz und Haupt vor uns im Grabe ruh.
Wenn alle Glider todt/ ſiht man das Hertz erſt ſterben/
Auf Charmium! laß uns hier ſterbend Ruhm erwerben!
Cleop. Vertrautſte/ nein ihr irrt. Da ihr uns redlich libt/
Da ihr uns hertzlich meint/ beſtuͤrtzte/ ſo verſchibt
155.Daß euch noch ferne Ziel; euch und auch uns gutte.
Wenn man di Hand beſpritzt mit hober Haͤupter Blutte/
Schlaͤft man mit linder Hand diuntern Glieder ein.
Weſthalben ſolt’ auf euch Auguſtus grimmig ſein?
Ja/ da ihr euch ſo weit di Kleinmuth laſt verleiten/
160.Wer wird uns Gruft und Sarch nach Wuͤrden zubereiten?
Glaubt/ wer fuͤr Schmertzen ſtirbt/ liebt ſo di Todte nicht/
Als der der Sterbenden den letzten Dienſt verricht!
Charm. Jſt denn kein Mittel nicht zuflihen Tod und Banden?
Cleop. Der Schluß bleibt feſt. Hier iſt di Artznei ſchon ver-
handen?
Charm. Worzu hat ſi bieher den Feigen-Korb verſteckt?
165.
Cleop. Der uns miß-goͤnnte Todt wird durch dis Laub
verdeckt.
Schaut ihr di gelbe Schlang’ an dieſem Honig ſaugen?
Schaut wi ihr Schwantz hier ſpielt/ wie flammen ihr di Augen?
Si ſchaͤrff’t auf unſern Arm ſchon Zunge Gift und Zahn.
Iras. Mein Geiſt erſchuͤttert ſich! Jſt dis di ſanfte Bahn/
Zum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#CHAR">
          <p><pb facs="#f0121"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">CLEOPATR|A.</hi></hi></fw><lb/>
Doch hat di Sterbende dich noch umb was zu bitten:<lb/><note place="left">140.</note>Es werd&#x2019; uns beim Anton zu ruhen nicht ver&#x017F;chnitten.<lb/>
&#x201E;Man go&#x0364;nnt leibeignet Schaar&#x2019;; auch Wu&#x0364;rmern Erd&#x2019; und<lb/><hi rendition="#et">Sand.</hi><lb/>
&#x201E;Scha&#x0364;rfft denn auf un&#x017F;er Blutt und Kinder &#x017F;eine Hand/<lb/>
&#x201E;Nicht den blutt-fetten Stahl/ ver&#x017F;chont er &#x017F;i der Ketten;<lb/>
&#x201E;So wird Augu&#x017F;t mit Ruhm Egiptens Stuhl betretten/<lb/><note place="left">145.</note>&#x201E;So wird &#x017F;ein Stam&#x0303; und Haus &#x017F;tets blu&#x0364;h&#x2019;n und &#x017F;ighaft &#x017F;ein:<lb/>
&#x201E;Doch &#x017F;chleu&#x017F;t der Sarch auch nicht Cleopatren gantz ein.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#CLE">
          <speaker> <hi rendition="#aq">Cleop.</hi> </speaker>
          <p>Jhr ho&#x0364;rt den ju&#x0364;ng&#x017F;ten Wun&#x017F;ch. Reicht her ihn zu-<lb/><hi rendition="#et">ver&#x017F;chli&#x017F;&#x017F;en;</hi><lb/>
Stellt den dem Hauptman zu/ der ihn bereit wird wi&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
Dem Kei&#x017F;er zuzu&#x017F;telln. <hi rendition="#aq">Iras.</hi> Hilf Himmel! Gib nicht zu:<lb/><note place="left">150.</note>Daß un&#x017F;er Hertz und Haupt vor uns im Grabe ruh.<lb/>
Wenn alle Glider todt/ &#x017F;iht man das Hertz er&#x017F;t &#x017F;terben/<lb/>
Auf Charmium! laß uns hier &#x017F;terbend Ruhm erwerben!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#CLE">
          <speaker> <hi rendition="#aq">Cleop.</hi> </speaker>
          <p>Vertraut&#x017F;te/ nein ihr irrt. Da ihr uns redlich libt/<lb/>
Da ihr uns hertzlich meint/ be&#x017F;tu&#x0364;rtzte/ &#x017F;o ver&#x017F;chibt<lb/><note place="left">155.</note>Daß euch noch ferne Ziel; euch und auch uns gutte.<lb/>
Wenn man di Hand be&#x017F;pritzt mit hober Ha&#x0364;upter Blutte/<lb/>
Schla&#x0364;ft man mit linder Hand diuntern Glieder ein.<lb/>
We&#x017F;thalben &#x017F;olt&#x2019; auf euch Augu&#x017F;tus grimmig &#x017F;ein?<lb/>
Ja/ da ihr euch &#x017F;o weit di Kleinmuth la&#x017F;t verleiten/<lb/><note place="left">160.</note>Wer wird uns Gruft und Sarch nach Wu&#x0364;rden zubereiten?<lb/>
Glaubt/ wer fu&#x0364;r Schmertzen &#x017F;tirbt/ liebt &#x017F;o di Todte nicht/<lb/>
Als der der Sterbenden den letzten Dien&#x017F;t verricht!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#CHAR">
          <speaker> <hi rendition="#aq">Charm.</hi> </speaker>
          <p>J&#x017F;t denn kein Mittel nicht zuflihen Tod und Banden?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#CLE">
          <speaker> <hi rendition="#aq">Cleop.</hi> </speaker>
          <p>Der Schluß bleibt fe&#x017F;t. Hier i&#x017F;t di Artznei &#x017F;chon ver-<lb/><hi rendition="#et">handen?</hi></p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#CHAR">
          <speaker> <hi rendition="#aq">Charm.</hi> </speaker>
          <p>Worzu hat &#x017F;i bieher den Feigen-Korb ver&#x017F;teckt?</p>
        </sp><lb/>
        <note place="left">165.</note>
        <sp who="#CLE">
          <speaker> <hi rendition="#aq">Cleop.</hi> </speaker>
          <p>Der uns miß-go&#x0364;nnte Todt wird durch dis Laub<lb/><hi rendition="#et">verdeckt.</hi><lb/>
Schaut ihr di gelbe Schlang&#x2019; an die&#x017F;em Honig &#x017F;augen?<lb/>
Schaut wi ihr Schwantz hier &#x017F;pielt/ wie flammen ihr di Augen?<lb/>
Si &#x017F;cha&#x0364;rff&#x2019;t auf un&#x017F;ern Arm &#x017F;chon Zunge Gift und Zahn.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#IRA">
          <speaker> <hi rendition="#aq">Iras.</hi> </speaker>
          <p>Mein Gei&#x017F;t er&#x017F;chu&#x0364;ttert &#x017F;ich! J&#x017F;t dis di &#x017F;anfte Bahn/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zum</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] CLEOPATR|A. Doch hat di Sterbende dich noch umb was zu bitten: Es werd’ uns beim Anton zu ruhen nicht verſchnitten. „Man goͤnnt leibeignet Schaar’; auch Wuͤrmern Erd’ und Sand. „Schaͤrfft denn auf unſer Blutt und Kinder ſeine Hand/ „Nicht den blutt-fetten Stahl/ verſchont er ſi der Ketten; „So wird Auguſt mit Ruhm Egiptens Stuhl betretten/ „So wird ſein Stam̃ und Haus ſtets bluͤh’n und ſighaft ſein: „Doch ſchleuſt der Sarch auch nicht Cleopatren gantz ein. Cleop. Jhr hoͤrt den juͤngſten Wunſch. Reicht her ihn zu- verſchliſſen; Stellt den dem Hauptman zu/ der ihn bereit wird wiſſen/ Dem Keiſer zuzuſtelln. Iras. Hilf Himmel! Gib nicht zu: Daß unſer Hertz und Haupt vor uns im Grabe ruh. Wenn alle Glider todt/ ſiht man das Hertz erſt ſterben/ Auf Charmium! laß uns hier ſterbend Ruhm erwerben! Cleop. Vertrautſte/ nein ihr irrt. Da ihr uns redlich libt/ Da ihr uns hertzlich meint/ beſtuͤrtzte/ ſo verſchibt Daß euch noch ferne Ziel; euch und auch uns gutte. Wenn man di Hand beſpritzt mit hober Haͤupter Blutte/ Schlaͤft man mit linder Hand diuntern Glieder ein. Weſthalben ſolt’ auf euch Auguſtus grimmig ſein? Ja/ da ihr euch ſo weit di Kleinmuth laſt verleiten/ Wer wird uns Gruft und Sarch nach Wuͤrden zubereiten? Glaubt/ wer fuͤr Schmertzen ſtirbt/ liebt ſo di Todte nicht/ Als der der Sterbenden den letzten Dienſt verricht! Charm. Jſt denn kein Mittel nicht zuflihen Tod und Banden? Cleop. Der Schluß bleibt feſt. Hier iſt di Artznei ſchon ver- handen? Charm. Worzu hat ſi bieher den Feigen-Korb verſteckt? Cleop. Der uns miß-goͤnnte Todt wird durch dis Laub verdeckt. Schaut ihr di gelbe Schlang’ an dieſem Honig ſaugen? Schaut wi ihr Schwantz hier ſpielt/ wie flammen ihr di Augen? Si ſchaͤrff’t auf unſern Arm ſchon Zunge Gift und Zahn. Iras. Mein Geiſt erſchuͤttert ſich! Jſt dis di ſanfte Bahn/ Zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_cleopatra_1661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_cleopatra_1661/121
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Cleopatra. Breslau, 1661, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_cleopatra_1661/121>, abgerufen am 21.11.2024.