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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] tzog Jubil wolte als der letzte in voriger Schlacht
numehro mit seinen Hermundurern und anver-
trauten Catten in dieser die erste Ehre einlegen.
Ob nun zwar die Römer das ihrige thaten/ so
war doch der deutsche reisige Zeug ihnen so wol
an der Anzahl als Geschwindigkeit überlegen/
und welches das ärgste war/ so ging Fürst Mar-
comir mit seinen Usipetern von den Römern zu
den Deutschen über/ also/ daß die Römische Reite-
rey gegen den muthigen Jubil nicht lange gestan-
den haben würde/ wenn nicht die Acarnanischen
und Balearischen Schleuderer ihnen zu hülffe
geeilet hätten. Dieser ihr knechtisches Hand-
werck ist von Kind auf das Schleudern/ und
kriegen sie von der Mutter kein Brodt/ das sie
nicht mit dem Steine getroffen. Sie schlingen
die eine Schleuder als eine Zierrath umb das
Haupt/ die sie in der Nähe brauchen/ die andere
als einen Gürtel um den Leib/ welche etwas
weiter schleudert/ und die/ welche am fernesten
trägt/ haben sie stets in der Hand und in Bereit-
schafft. Sie schwencken sie dreymal umbs
Haupt/ treffen mit einem pfündichten Steine
oder Bley sechshundert Füsse weit/ was sie wol-
len/ und zerschmettern auch denen auffs beste
Geharnischten ihre Glieder. Unter diesen
waren auch Achaische Schleuderer/ welche an
statt der Kugeln Spiesse und Pfeile mit gros-
sem Nachdruck warffen. Aber auch diese
würden nicht lange gestanden seyn/ wenn nicht
das Römische Fuß-Volck sich genähert und die
Reiterey entsetzt hätte. Die Legionen drangen
gleichsam als Mauren gegen die Deutschen an/
dem Fürsten der Hermundurer worden von de-
nen untergespickten Armenischen und Arabi-
schen Schützen/ welche letztern ihre Bogen mit
den Füssen spannen/ und Pfeile eines Mannes
lang schüssen/ zwey Pferde unter dem Leibe er-
legt/ weil die Pfeile wegen ihrer zweyfach über
einander stehenden oder vierhackichten Spitzen
unmöglich aus der Wunde zu ziehen waren.
Er selbst ward mit einem geschleuderten Stei-
[Spaltenumbruch] ne auf die Brust getroffen; also/ wie hertzhafft
gleich dieser Hertzog dem Feinde unter die Au-
gen ging/ so war es doch unmöglich zwey geschlos-
sene Legionen zu durchbrechen. Weil aber die
Deutschen gleichwol keinen Fuß breit weichen
wolten/ gerieth der Graf von Mansfeld so sehr
ins gedrange/ daß ein Römer seinem Pferde den
Degen in Bauch stieß/ worvon es zu Boden
stürtzte/ zwey andere aber ihm den Schild mit
Gewalt vom Arme rissen. Dieser Verlust
machte diesen Helden gantz rasend; weil bey
den Deutschen keine grössere Schande ist/ als den
Schild einbüssen/ und derselbe so denn weder
einigem Rathschlage noch dem Gottes-Dienste
beywohnen darff. Er sprang hierauf nicht nur
von der Erden/ sondern auch hinter einen Rö-
mer auffs Pferd/ stieß ihm den Degen durch den
Hals/ riß dem davon sterbenden den Schild
vom Arme/ und warff den Todten aus dem
Sattel/ verfolgte auch den der seinen Schild
hatte wie ein Blitz/ biß er ihm das Licht aus-
leschte/ und seinen unschätzbaren Verlust mit
nicht geringerm Ruhme/ iedoch auch mit nicht
wenigern Wunden/ als des Cato Sohn in der
Schlacht gegen den König Perses seinen ihm
entfallenen Degen wieder erlangte. Dieses
Beyspiel ermunterte die Deutschen/ daß sie
gleichsam wider alle Vernunft und Mögligkeit
die gantze Römische Macht aufhielten. Nach
dem aber Hertzog Jubil dabey mehr Schaden
als Vortheil ersah/ gab er denen Seinigen ein
Zeichen/ daß sie sich nach und nach auf die lincke
Seite ziehen solten. Denn der gerade hinter
dem Rücken sich befindliche Wald war zum
Treffen des feindlichen Fuß-Volcks vortheil-
haftiger/ als seiner Reiterey. Asprenas meyn-
te/ er hätte numehr schon den Sieg in Händen/
und der Feind habe ihm selbst bereit den Weg in
das Römische Läger geöffnet/ als auf der rechten
Seiten Segesthens Sohn/ Fürst Sigismund/
mit der Cheruskischen Reiterey die Römer an-
fiel/ und sich zugleich das deutsche Fuß-Volck

sehen

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] tzog Jubil wolte als der letzte in voriger Schlacht
numehro mit ſeinen Hermundurern und anver-
trauten Catten in dieſer die erſte Ehre einlegen.
Ob nun zwar die Roͤmer das ihrige thaten/ ſo
war doch der deutſche reiſige Zeug ihnen ſo wol
an der Anzahl als Geſchwindigkeit uͤberlegen/
und welches das aͤrgſte war/ ſo ging Fuͤrſt Mar-
comir mit ſeinen Uſipetern von den Roͤmeꝛn zu
den Deutſchen uͤber/ alſo/ daß die Roͤmiſche Reite-
rey gegen den muthigẽ Jubil nicht lange geſtan-
den haben wuͤrde/ wenn nicht die Acarnaniſchen
und Baleariſchen Schleuderer ihnen zu huͤlffe
geeilet haͤtten. Dieſer ihr knechtiſches Hand-
werck iſt von Kind auf das Schleudern/ und
kriegen ſie von der Mutter kein Brodt/ das ſie
nicht mit dem Steine getroffen. Sie ſchlingen
die eine Schleuder als eine Zierrath umb das
Haupt/ die ſie in der Naͤhe brauchen/ die andere
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weiter ſchleudert/ und die/ welche am ferneſten
traͤgt/ haben ſie ſtets in der Hand und in Bereit-
ſchafft. Sie ſchwencken ſie dreymal umbs
Haupt/ treffen mit einem pfuͤndichten Steine
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len/ und zerſchmettern auch denen auffs beſte
Geharniſchten ihre Glieder. Unter dieſen
waren auch Achaiſche Schleuderer/ welche an
ſtatt der Kugeln Spieſſe und Pfeile mit groſ-
ſem Nachdruck warffen. Aber auch dieſe
wuͤrden nicht lange geſtanden ſeyn/ wenn nicht
das Roͤmiſche Fuß-Volck ſich genaͤhert und die
Reiterey entſetzt haͤtte. Die Legionen drangen
gleichſam als Mauren gegen die Deutſchen an/
dem Fuͤrſten der Hermundurer worden von de-
nen untergeſpickten Armeniſchen und Arabi-
ſchen Schuͤtzen/ welche letztern ihre Bogen mit
den Fuͤſſen ſpannen/ und Pfeile eines Mannes
lang ſchuͤſſen/ zwey Pferde unter dem Leibe er-
legt/ weil die Pfeile wegen ihrer zweyfach uͤber
einander ſtehenden oder vierhackichten Spitzen
unmoͤglich aus der Wunde zu ziehen waren.
Er ſelbſt ward mit einem geſchleuderten Stei-
[Spaltenumbruch] ne auf die Bruſt getroffen; alſo/ wie hertzhafft
gleich dieſer Hertzog dem Feinde unter die Au-
gen ging/ ſo war es doch unmoͤglich zwey geſchloſ-
ſene Legionen zu durchbrechen. Weil aber die
Deutſchen gleichwol keinen Fuß breit weichen
wolten/ gerieth der Graf von Mansfeld ſo ſehr
ins gedrange/ daß ein Roͤmer ſeinem Pferde den
Degen in Bauch ſtieß/ worvon es zu Boden
ſtuͤrtzte/ zwey andere aber ihm den Schild mit
Gewalt vom Arme riſſen. Dieſer Verluſt
machte dieſen Helden gantz raſend; weil bey
den Deutſchen keine groͤſſere Schande iſt/ als den
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beywohnen darff. Er ſprang hierauf nicht nur
von der Erden/ ſondern auch hinter einen Roͤ-
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Sattel/ verfolgte auch den der ſeinen Schild
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nicht geringerm Ruhme/ iedoch auch mit nicht
wenigern Wunden/ als des Cato Sohn in der
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Beyſpiel ermunterte die Deutſchen/ daß ſie
gleichſam wider alle Vernunft und Moͤgligkeit
die gantze Roͤmiſche Macht aufhielten. Nach
dem aber Hertzog Jubil dabey mehr Schaden
als Vortheil erſah/ gab er denen Seinigen ein
Zeichen/ daß ſie ſich nach und nach auf die lincke
Seite ziehen ſolten. Denn der gerade hinter
dem Ruͤcken ſich befindliche Wald war zum
Treffen des feindlichen Fuß-Volcks vortheil-
haftiger/ als ſeiner Reiterey. Aſprenas meyn-
te/ er haͤtte numehr ſchon den Sieg in Haͤnden/
und der Feind habe ihm ſelbſt bereit den Weg in
das Roͤmiſche Laͤger geoͤffnet/ als auf der rechten
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fiel/ und ſich zugleich das deutſche Fuß-Volck

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[55/0103] Arminius und Thußnelda. tzog Jubil wolte als der letzte in voriger Schlacht numehro mit ſeinen Hermundurern und anver- trauten Catten in dieſer die erſte Ehre einlegen. Ob nun zwar die Roͤmer das ihrige thaten/ ſo war doch der deutſche reiſige Zeug ihnen ſo wol an der Anzahl als Geſchwindigkeit uͤberlegen/ und welches das aͤrgſte war/ ſo ging Fuͤrſt Mar- comir mit ſeinen Uſipetern von den Roͤmeꝛn zu den Deutſchen uͤber/ alſo/ daß die Roͤmiſche Reite- rey gegen den muthigẽ Jubil nicht lange geſtan- den haben wuͤrde/ wenn nicht die Acarnaniſchen und Baleariſchen Schleuderer ihnen zu huͤlffe geeilet haͤtten. Dieſer ihr knechtiſches Hand- werck iſt von Kind auf das Schleudern/ und kriegen ſie von der Mutter kein Brodt/ das ſie nicht mit dem Steine getroffen. Sie ſchlingen die eine Schleuder als eine Zierrath umb das Haupt/ die ſie in der Naͤhe brauchen/ die andere als einen Guͤrtel um den Leib/ welche etwas weiter ſchleudert/ und die/ welche am ferneſten traͤgt/ haben ſie ſtets in der Hand und in Bereit- ſchafft. Sie ſchwencken ſie dreymal umbs Haupt/ treffen mit einem pfuͤndichten Steine oder Bley ſechshundert Fuͤſſe weit/ was ſie wol- len/ und zerſchmettern auch denen auffs beſte Geharniſchten ihre Glieder. Unter dieſen waren auch Achaiſche Schleuderer/ welche an ſtatt der Kugeln Spieſſe und Pfeile mit groſ- ſem Nachdruck warffen. Aber auch dieſe wuͤrden nicht lange geſtanden ſeyn/ wenn nicht das Roͤmiſche Fuß-Volck ſich genaͤhert und die Reiterey entſetzt haͤtte. Die Legionen drangen gleichſam als Mauren gegen die Deutſchen an/ dem Fuͤrſten der Hermundurer worden von de- nen untergeſpickten Armeniſchen und Arabi- ſchen Schuͤtzen/ welche letztern ihre Bogen mit den Fuͤſſen ſpannen/ und Pfeile eines Mannes lang ſchuͤſſen/ zwey Pferde unter dem Leibe er- legt/ weil die Pfeile wegen ihrer zweyfach uͤber einander ſtehenden oder vierhackichten Spitzen unmoͤglich aus der Wunde zu ziehen waren. Er ſelbſt ward mit einem geſchleuderten Stei- ne auf die Bruſt getroffen; alſo/ wie hertzhafft gleich dieſer Hertzog dem Feinde unter die Au- gen ging/ ſo war es doch unmoͤglich zwey geſchloſ- ſene Legionen zu durchbrechen. Weil aber die Deutſchen gleichwol keinen Fuß breit weichen wolten/ gerieth der Graf von Mansfeld ſo ſehr ins gedrange/ daß ein Roͤmer ſeinem Pferde den Degen in Bauch ſtieß/ worvon es zu Boden ſtuͤrtzte/ zwey andere aber ihm den Schild mit Gewalt vom Arme riſſen. Dieſer Verluſt machte dieſen Helden gantz raſend; weil bey den Deutſchen keine groͤſſere Schande iſt/ als den Schild einbuͤſſen/ und derſelbe ſo denn weder einigem Rathſchlage noch dem Gottes-Dienſte beywohnen darff. Er ſprang hierauf nicht nur von der Erden/ ſondern auch hinter einen Roͤ- mer auffs Pferd/ ſtieß ihm den Degen durch den Hals/ riß dem davon ſterbenden den Schild vom Arme/ und warff den Todten aus dem Sattel/ verfolgte auch den der ſeinen Schild hatte wie ein Blitz/ biß er ihm das Licht aus- leſchte/ und ſeinen unſchaͤtzbaren Verluſt mit nicht geringerm Ruhme/ iedoch auch mit nicht wenigern Wunden/ als des Cato Sohn in der Schlacht gegen den Koͤnig Perſes ſeinen ihm entfallenen Degen wieder erlangte. Dieſes Beyſpiel ermunterte die Deutſchen/ daß ſie gleichſam wider alle Vernunft und Moͤgligkeit die gantze Roͤmiſche Macht aufhielten. Nach dem aber Hertzog Jubil dabey mehr Schaden als Vortheil erſah/ gab er denen Seinigen ein Zeichen/ daß ſie ſich nach und nach auf die lincke Seite ziehen ſolten. Denn der gerade hinter dem Ruͤcken ſich befindliche Wald war zum Treffen des feindlichen Fuß-Volcks vortheil- haftiger/ als ſeiner Reiterey. Aſprenas meyn- te/ er haͤtte numehr ſchon den Sieg in Haͤnden/ und der Feind habe ihm ſelbſt bereit den Weg in das Roͤmiſche Laͤger geoͤffnet/ als auf der rechten Seiten Segeſthens Sohn/ Fuͤrſt Sigismund/ mit der Cheruskiſchen Reiterey die Roͤmer an- fiel/ und ſich zugleich das deutſche Fuß-Volck ſehen

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/103>, abgerufen am 22.11.2024.