Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] würden diese kluge und heilige Leute dem gemei-
nen Wesen am nützlichsten fürstehen.

Rhemetalces brach ein: Eure Cimbern schei-
nen desselbten Weltweisen Meynung gewesen
zu seyn/ daß dasselbe Reich nur glück selig zu ach-
ten wäre/ darinnen die Weltweisen herrschten.
Alleine diese Hoffnung hat nicht selten Schiff-
bruch gelitten; und haben offt die gelehrtesten
Fürsten die einfältigsten Fehler begangen; oder
das Glücke mühet sich zum minsten ehe diesen/
als andern/ welche nicht ihre Vernunfft/ son-
dern alleine sie zu ihrer Leiterin erkiesen/ ein
Bein unterzuschlagen. Unter den Griechischen
Helden für Troja wäre keiner gelehrter/ aber
auch niemand unglücklicher als Palamedes ge-
west. Er war wol geschickt vier neue Buchsta-
ben zu erfinden; aber nicht sich aus der ihm vom
Ulyßes fälschlich angetichteten Verrätherey zu
wickeln. Etliche andere haben sich durch Be-
trachtung der Gestirne im Himmel so verstie-
gen: daß sie die Erde aus dem Gesichte/ und den
Wolstand in ihrem Reiche verlohren. Grie-
chenland hat keine grimmigere Wütteriche ge-
habt/ als die/ welche aus den sieben Weltweisen
geherrscht haben. Athen und Sparta hat al-
lemahl geblutet oder geseuffzet; wenn einer mit
dem Mantel des Pythagoras oder des Plato
auf dem Stule gesessen. Daher Diocles der
schlauste Hertzog der Sicambern seinen Sohn
mehr nicht als diesen Griechischen Spruch: der
Fürsten Wille ist ihr Recht/ lernen ließ; und
dem Priester Theocalus/ dem sein Groß-Vater
fast die Helffte seiner Gewalt eingeräumet hat-
te/ seine Macht gäntzlich beschnitt. König An-
tiochus und Lysimachus wolten die Weisen nicht
einst zu Bürgern haben/ jagten sie aus ihrem
Reiche/ und hiessen die freyen Künste ein Gifft
des gemeinen Wesens. Und die Scythen über
dem Rypheischen Gebürge können noch nicht
gestatten: daß ihre Unterthanen mehr/ als ihre
unwissende Herrscher verstehen sellen. Ob ich
nun zwar das letzte nicht billiche/ und wol weiß:
[Spaltenumbruch] daß die Weißheit an ihr selbst nichts böses hat;
ja ohne ihre Hülffe schwerlich ein Reich bestehen
kan; Weil die Unwissenheit nicht nur ein Man-
gel des Guten/ sondern wesentlich etwas böses;
und ein unverständiger Fürst ein lahmer Ober-
Herr ist; für welchem der wahrsagende Apollo
die Stadt Sparta so sehr gewarniget hat; über
diß die glücklichen Fürsten Pericles/ Alcibia-
des/ Epaminondas/ Numa/ Philip in Mace-
donien/ und Kayser Julius nicht geringere
Weltweisen als Helden gewesen; So bin ich
doch der beständigen Meynung: daß die/ welche
von Künsten und Wissenschafften gleichsam ein
Handwerck machen/ oder schon ihr Leben gleich-
sam der nachdenckenden Welt-Weißheit ge-
wiedmet haben/ sich zur Herrschafft nicht schi-
cken. Sintemahl sie daraus eine solche Süs-
sigkeit schmecken; welche ihnen die Sorgen für
das gemeine Heil zu Wermuth und Galle
macht. Daher Prometheus/ Empedocles und
Heraclitus ihre Fürsten-Hüte eigenbeweglich
abgenommen/ um in einer Einsamkeit der
Weltweißheit unverhindert abzuwarten. Zeno
antwortete: diese wolgegründete Meynung
des Fürsten Rhemetalces hielte nichts mehres/
als eine Verdammung des Mißbrauchs/ nicht
aber der Weltweißheit selbst in sich; von welcher
König Phraotes recht Fürstlich geurtheilet hät-
te: Es wäre nichts Königlicher als die Weiß-
heit; ja ihre Besitzer wären noch etwas mehr
als Könige. Allein es stünde nicht die Weiß-
heit/ sondern andere wichtige Ursachen den
Geistlichen am Wege; warum man selbten die
Oberherrschafft einzuräumen billich anstehen
solte. Denn weil sie eines strengen Lebens
vorher gewohnt/ wolten sie aller Unterge-
bener Sitten und Leben nach ihrem Mäß-
Stabe richten; und daher verfielen sie in
eine gefährliche Schärffe der Herrschafft.
Sie legten mit ihrem ersten Stande nie-
mahls die Liebe gegen denselben ab;
und deßhalben enträumten sie nicht nur

der
H h h h h h 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] wuͤꝛden dieſe kluge und heilige Leute dem gemei-
nen Weſen am nuͤtzlichſten fuͤrſtehen.

Rhemetalces brach ein: Eure Cimbern ſchei-
nen deſſelbten Weltweiſen Meynung geweſen
zu ſeyn/ daß daſſelbe Reich nur gluͤck ſelig zu ach-
ten waͤre/ darinnen die Weltweiſen herrſchten.
Alleine dieſe Hoffnung hat nicht ſelten Schiff-
bruch gelitten; und haben offt die gelehrteſten
Fuͤrſten die einfaͤltigſten Fehler begangen; oder
das Gluͤcke muͤhet ſich zum minſten ehe dieſen/
als andern/ welche nicht ihre Vernunfft/ ſon-
dern alleine ſie zu ihrer Leiterin erkieſen/ ein
Bein unterzuſchlagen. Unter den Griechiſchen
Helden fuͤr Troja waͤre keiner gelehrter/ aber
auch niemand ungluͤcklicher als Palamedes ge-
weſt. Er war wol geſchickt vier neue Buchſta-
ben zu erfinden; aber nicht ſich aus der ihm vom
Ulyßes faͤlſchlich angetichteten Verraͤtherey zu
wickeln. Etliche andere haben ſich durch Be-
trachtung der Geſtirne im Himmel ſo verſtie-
gen: daß ſie die Erde aus dem Geſichte/ und den
Wolſtand in ihrem Reiche verlohren. Grie-
chenland hat keine grimmigere Wuͤtteriche ge-
habt/ als die/ welche aus den ſieben Weltweiſen
geherrſcht haben. Athen und Sparta hat al-
lemahl geblutet oder geſeuffzet; wenn einer mit
dem Mantel des Pythagoras oder des Plato
auf dem Stule geſeſſen. Daher Diocles der
ſchlauſte Hertzog der Sicambern ſeinen Sohn
mehr nicht als dieſen Griechiſchen Spruch: der
Fuͤrſten Wille iſt ihr Recht/ lernen ließ; und
dem Prieſter Theocalus/ dem ſein Groß-Vateꝛ
faſt die Helffte ſeiner Gewalt eingeraͤumet hat-
te/ ſeine Macht gaͤntzlich beſchnitt. Koͤnig An-
tiochus und Lyſimachus wolten die Weiſen nicht
einſt zu Buͤrgern haben/ jagten ſie aus ihrem
Reiche/ und hieſſen die freyen Kuͤnſte ein Gifft
des gemeinen Weſens. Und die Scythen uͤber
dem Rypheiſchen Gebuͤrge koͤnnen noch nicht
geſtatten: daß ihre Unterthanen mehr/ als ihre
unwiſſende Herrſcher verſtehen ſellen. Ob ich
nun zwar das letzte nicht billiche/ und wol weiß:
[Spaltenumbruch] daß die Weißheit an ihr ſelbſt nichts boͤſes hat;
ja ohne ihre Huͤlffe ſchwerlich ein Reich beſtehen
kan; Weil die Unwiſſenheit nicht nur ein Man-
gel des Guten/ ſondern weſentlich etwas boͤſes;
und ein unverſtaͤndiger Fuͤrſt ein lahmer Ober-
Herr iſt; fuͤr welchem der wahrſagende Apollo
die Stadt Sparta ſo ſehr gewarniget hat; uͤber
diß die gluͤcklichen Fuͤrſten Pericles/ Alcibia-
des/ Epaminondas/ Numa/ Philip in Mace-
donien/ und Kayſer Julius nicht geringere
Weltweiſen als Helden geweſen; So bin ich
doch der beſtaͤndigen Meynung: daß die/ welche
von Kuͤnſten und Wiſſenſchafften gleichſam ein
Handwerck machen/ oder ſchon ihr Leben gleich-
ſam der nachdenckenden Welt-Weißheit ge-
wiedmet haben/ ſich zur Herrſchafft nicht ſchi-
cken. Sintemahl ſie daraus eine ſolche Suͤſ-
ſigkeit ſchmecken; welche ihnen die Sorgen fuͤr
das gemeine Heil zu Wermuth und Galle
macht. Daher Prometheus/ Empedocles und
Heraclitus ihre Fuͤrſten-Huͤte eigenbeweglich
abgenommen/ um in einer Einſamkeit der
Weltweißheit unverhindert abzuwarten. Zeno
antwortete: dieſe wolgegruͤndete Meynung
des Fuͤrſten Rhemetalces hielte nichts mehres/
als eine Verdammung des Mißbrauchs/ nicht
aber der Weltweißheit ſelbſt in ſich; von welcher
Koͤnig Phraotes recht Fuͤrſtlich geurtheilet haͤt-
te: Es waͤre nichts Koͤniglicher als die Weiß-
heit; ja ihre Beſitzer waͤren noch etwas mehr
als Koͤnige. Allein es ſtuͤnde nicht die Weiß-
heit/ ſondern andere wichtige Urſachen den
Geiſtlichen am Wege; warum man ſelbten die
Oberherrſchafft einzuraͤumen billich anſtehen
ſolte. Denn weil ſie eines ſtrengen Lebens
vorher gewohnt/ wolten ſie aller Unterge-
bener Sitten und Leben nach ihrem Maͤß-
Stabe richten; und daher verfielen ſie in
eine gefaͤhrliche Schaͤrffe der Herrſchafft.
Sie legten mit ihrem erſten Stande nie-
mahls die Liebe gegen denſelben ab;
und deßhalben entraͤumten ſie nicht nur

der
H h h h h h 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1045" n="981[983]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
wu&#x0364;&#xA75B;den die&#x017F;e kluge und heilige Leute dem gemei-<lb/>
nen We&#x017F;en am nu&#x0364;tzlich&#x017F;ten fu&#x0364;r&#x017F;tehen.</p><lb/>
          <p>Rhemetalces brach ein: Eure Cimbern &#x017F;chei-<lb/>
nen de&#x017F;&#x017F;elbten Weltwei&#x017F;en Meynung gewe&#x017F;en<lb/>
zu &#x017F;eyn/ daß da&#x017F;&#x017F;elbe Reich nur glu&#x0364;ck &#x017F;elig zu ach-<lb/>
ten wa&#x0364;re/ darinnen die Weltwei&#x017F;en herr&#x017F;chten.<lb/>
Alleine die&#x017F;e Hoffnung hat nicht &#x017F;elten Schiff-<lb/>
bruch gelitten; und haben offt die gelehrte&#x017F;ten<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten die einfa&#x0364;ltig&#x017F;ten Fehler begangen; oder<lb/>
das Glu&#x0364;cke mu&#x0364;het &#x017F;ich zum min&#x017F;ten ehe die&#x017F;en/<lb/>
als andern/ welche nicht ihre Vernunfft/ &#x017F;on-<lb/>
dern alleine &#x017F;ie zu ihrer Leiterin erkie&#x017F;en/ ein<lb/>
Bein unterzu&#x017F;chlagen. Unter den Griechi&#x017F;chen<lb/>
Helden fu&#x0364;r Troja wa&#x0364;re keiner gelehrter/ aber<lb/>
auch niemand unglu&#x0364;cklicher als Palamedes ge-<lb/>
we&#x017F;t. Er war wol ge&#x017F;chickt vier neue Buch&#x017F;ta-<lb/>
ben zu erfinden; aber nicht &#x017F;ich aus der ihm vom<lb/>
Ulyßes fa&#x0364;l&#x017F;chlich angetichteten Verra&#x0364;therey zu<lb/>
wickeln. Etliche andere haben &#x017F;ich durch Be-<lb/>
trachtung der Ge&#x017F;tirne im Himmel &#x017F;o ver&#x017F;tie-<lb/>
gen: daß &#x017F;ie die Erde aus dem Ge&#x017F;ichte/ und den<lb/>
Wol&#x017F;tand in ihrem Reiche verlohren. Grie-<lb/>
chenland hat keine grimmigere Wu&#x0364;tteriche ge-<lb/>
habt/ als die/ welche aus den &#x017F;ieben Weltwei&#x017F;en<lb/>
geherr&#x017F;cht haben. Athen und Sparta hat al-<lb/>
lemahl geblutet oder ge&#x017F;euffzet; wenn einer mit<lb/>
dem Mantel des Pythagoras oder des Plato<lb/>
auf dem Stule ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en. Daher Diocles der<lb/>
&#x017F;chlau&#x017F;te Hertzog der Sicambern &#x017F;einen Sohn<lb/>
mehr nicht als die&#x017F;en Griechi&#x017F;chen Spruch: der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten Wille i&#x017F;t ihr Recht/ lernen ließ; und<lb/>
dem Prie&#x017F;ter Theocalus/ dem &#x017F;ein Groß-Vate&#xA75B;<lb/>
fa&#x017F;t die Helffte &#x017F;einer Gewalt eingera&#x0364;umet hat-<lb/>
te/ &#x017F;eine Macht ga&#x0364;ntzlich be&#x017F;chnitt. Ko&#x0364;nig An-<lb/>
tiochus und Ly&#x017F;imachus wolten die Wei&#x017F;en nicht<lb/>
ein&#x017F;t zu Bu&#x0364;rgern haben/ jagten &#x017F;ie aus ihrem<lb/>
Reiche/ und hie&#x017F;&#x017F;en die freyen Ku&#x0364;n&#x017F;te ein Gifft<lb/>
des gemeinen We&#x017F;ens. Und die Scythen u&#x0364;ber<lb/>
dem Ryphei&#x017F;chen Gebu&#x0364;rge ko&#x0364;nnen noch nicht<lb/>
ge&#x017F;tatten: daß ihre Unterthanen mehr/ als ihre<lb/>
unwi&#x017F;&#x017F;ende Herr&#x017F;cher ver&#x017F;tehen &#x017F;ellen. Ob ich<lb/>
nun zwar das letzte nicht billiche/ und wol weiß:<lb/><cb/>
daß die Weißheit an ihr &#x017F;elb&#x017F;t nichts bo&#x0364;&#x017F;es hat;<lb/>
ja ohne ihre Hu&#x0364;lffe &#x017F;chwerlich ein Reich be&#x017F;tehen<lb/>
kan; Weil die Unwi&#x017F;&#x017F;enheit nicht nur ein Man-<lb/>
gel des Guten/ &#x017F;ondern we&#x017F;entlich etwas bo&#x0364;&#x017F;es;<lb/>
und ein unver&#x017F;ta&#x0364;ndiger Fu&#x0364;r&#x017F;t ein lahmer Ober-<lb/>
Herr i&#x017F;t; fu&#x0364;r welchem der wahr&#x017F;agende Apollo<lb/>
die Stadt Sparta &#x017F;o &#x017F;ehr gewarniget hat; u&#x0364;ber<lb/>
diß die glu&#x0364;cklichen Fu&#x0364;r&#x017F;ten Pericles/ Alcibia-<lb/>
des/ Epaminondas/ Numa/ Philip in Mace-<lb/>
donien/ und Kay&#x017F;er Julius nicht geringere<lb/>
Weltwei&#x017F;en als Helden gewe&#x017F;en; So bin ich<lb/>
doch der be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Meynung: daß die/ welche<lb/>
von Ku&#x0364;n&#x017F;ten und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften gleich&#x017F;am ein<lb/>
Handwerck machen/ oder &#x017F;chon ihr Leben gleich-<lb/>
&#x017F;am der nachdenckenden Welt-Weißheit ge-<lb/>
wiedmet haben/ &#x017F;ich zur Herr&#x017F;chafft nicht &#x017F;chi-<lb/>
cken. Sintemahl &#x017F;ie daraus eine &#x017F;olche Su&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;igkeit &#x017F;chmecken; welche ihnen die Sorgen fu&#x0364;r<lb/>
das gemeine Heil zu Wermuth und Galle<lb/>
macht. Daher Prometheus/ Empedocles und<lb/>
Heraclitus ihre Fu&#x0364;r&#x017F;ten-Hu&#x0364;te eigenbeweglich<lb/>
abgenommen/ um in einer Ein&#x017F;amkeit der<lb/>
Weltweißheit unverhindert abzuwarten. Zeno<lb/>
antwortete: die&#x017F;e wolgegru&#x0364;ndete Meynung<lb/>
des Fu&#x0364;r&#x017F;ten Rhemetalces hielte nichts mehres/<lb/>
als eine Verdammung des Mißbrauchs/ nicht<lb/>
aber der Weltweißheit &#x017F;elb&#x017F;t in &#x017F;ich; von welcher<lb/>
Ko&#x0364;nig Phraotes recht Fu&#x0364;r&#x017F;tlich geurtheilet ha&#x0364;t-<lb/>
te: Es wa&#x0364;re nichts Ko&#x0364;niglicher als die Weiß-<lb/>
heit; ja ihre Be&#x017F;itzer wa&#x0364;ren noch etwas mehr<lb/>
als Ko&#x0364;nige. Allein es &#x017F;tu&#x0364;nde nicht die Weiß-<lb/>
heit/ &#x017F;ondern andere wichtige Ur&#x017F;achen den<lb/>
Gei&#x017F;tlichen am Wege; warum man &#x017F;elbten die<lb/>
Oberherr&#x017F;chafft einzura&#x0364;umen billich an&#x017F;tehen<lb/>
&#x017F;olte. Denn weil &#x017F;ie eines &#x017F;trengen Lebens<lb/>
vorher gewohnt/ wolten &#x017F;ie aller Unterge-<lb/>
bener Sitten und Leben nach ihrem Ma&#x0364;ß-<lb/>
Stabe richten; und daher verfielen &#x017F;ie in<lb/>
eine gefa&#x0364;hrliche Scha&#x0364;rffe der Herr&#x017F;chafft.<lb/>
Sie legten mit ihrem er&#x017F;ten Stande nie-<lb/>
mahls die Liebe gegen den&#x017F;elben ab;<lb/>
und deßhalben entra&#x0364;umten &#x017F;ie nicht nur<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H h h h h h 3</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[981[983]/1045] Arminius und Thußnelda. wuͤꝛden dieſe kluge und heilige Leute dem gemei- nen Weſen am nuͤtzlichſten fuͤrſtehen. Rhemetalces brach ein: Eure Cimbern ſchei- nen deſſelbten Weltweiſen Meynung geweſen zu ſeyn/ daß daſſelbe Reich nur gluͤck ſelig zu ach- ten waͤre/ darinnen die Weltweiſen herrſchten. Alleine dieſe Hoffnung hat nicht ſelten Schiff- bruch gelitten; und haben offt die gelehrteſten Fuͤrſten die einfaͤltigſten Fehler begangen; oder das Gluͤcke muͤhet ſich zum minſten ehe dieſen/ als andern/ welche nicht ihre Vernunfft/ ſon- dern alleine ſie zu ihrer Leiterin erkieſen/ ein Bein unterzuſchlagen. Unter den Griechiſchen Helden fuͤr Troja waͤre keiner gelehrter/ aber auch niemand ungluͤcklicher als Palamedes ge- weſt. Er war wol geſchickt vier neue Buchſta- ben zu erfinden; aber nicht ſich aus der ihm vom Ulyßes faͤlſchlich angetichteten Verraͤtherey zu wickeln. Etliche andere haben ſich durch Be- trachtung der Geſtirne im Himmel ſo verſtie- gen: daß ſie die Erde aus dem Geſichte/ und den Wolſtand in ihrem Reiche verlohren. Grie- chenland hat keine grimmigere Wuͤtteriche ge- habt/ als die/ welche aus den ſieben Weltweiſen geherrſcht haben. Athen und Sparta hat al- lemahl geblutet oder geſeuffzet; wenn einer mit dem Mantel des Pythagoras oder des Plato auf dem Stule geſeſſen. Daher Diocles der ſchlauſte Hertzog der Sicambern ſeinen Sohn mehr nicht als dieſen Griechiſchen Spruch: der Fuͤrſten Wille iſt ihr Recht/ lernen ließ; und dem Prieſter Theocalus/ dem ſein Groß-Vateꝛ faſt die Helffte ſeiner Gewalt eingeraͤumet hat- te/ ſeine Macht gaͤntzlich beſchnitt. Koͤnig An- tiochus und Lyſimachus wolten die Weiſen nicht einſt zu Buͤrgern haben/ jagten ſie aus ihrem Reiche/ und hieſſen die freyen Kuͤnſte ein Gifft des gemeinen Weſens. Und die Scythen uͤber dem Rypheiſchen Gebuͤrge koͤnnen noch nicht geſtatten: daß ihre Unterthanen mehr/ als ihre unwiſſende Herrſcher verſtehen ſellen. Ob ich nun zwar das letzte nicht billiche/ und wol weiß: daß die Weißheit an ihr ſelbſt nichts boͤſes hat; ja ohne ihre Huͤlffe ſchwerlich ein Reich beſtehen kan; Weil die Unwiſſenheit nicht nur ein Man- gel des Guten/ ſondern weſentlich etwas boͤſes; und ein unverſtaͤndiger Fuͤrſt ein lahmer Ober- Herr iſt; fuͤr welchem der wahrſagende Apollo die Stadt Sparta ſo ſehr gewarniget hat; uͤber diß die gluͤcklichen Fuͤrſten Pericles/ Alcibia- des/ Epaminondas/ Numa/ Philip in Mace- donien/ und Kayſer Julius nicht geringere Weltweiſen als Helden geweſen; So bin ich doch der beſtaͤndigen Meynung: daß die/ welche von Kuͤnſten und Wiſſenſchafften gleichſam ein Handwerck machen/ oder ſchon ihr Leben gleich- ſam der nachdenckenden Welt-Weißheit ge- wiedmet haben/ ſich zur Herrſchafft nicht ſchi- cken. Sintemahl ſie daraus eine ſolche Suͤſ- ſigkeit ſchmecken; welche ihnen die Sorgen fuͤr das gemeine Heil zu Wermuth und Galle macht. Daher Prometheus/ Empedocles und Heraclitus ihre Fuͤrſten-Huͤte eigenbeweglich abgenommen/ um in einer Einſamkeit der Weltweißheit unverhindert abzuwarten. Zeno antwortete: dieſe wolgegruͤndete Meynung des Fuͤrſten Rhemetalces hielte nichts mehres/ als eine Verdammung des Mißbrauchs/ nicht aber der Weltweißheit ſelbſt in ſich; von welcher Koͤnig Phraotes recht Fuͤrſtlich geurtheilet haͤt- te: Es waͤre nichts Koͤniglicher als die Weiß- heit; ja ihre Beſitzer waͤren noch etwas mehr als Koͤnige. Allein es ſtuͤnde nicht die Weiß- heit/ ſondern andere wichtige Urſachen den Geiſtlichen am Wege; warum man ſelbten die Oberherrſchafft einzuraͤumen billich anſtehen ſolte. Denn weil ſie eines ſtrengen Lebens vorher gewohnt/ wolten ſie aller Unterge- bener Sitten und Leben nach ihrem Maͤß- Stabe richten; und daher verfielen ſie in eine gefaͤhrliche Schaͤrffe der Herrſchafft. Sie legten mit ihrem erſten Stande nie- mahls die Liebe gegen denſelben ab; und deßhalben entraͤumten ſie nicht nur der H h h h h h 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1045
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 981[983]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1045>, abgerufen am 22.11.2024.