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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] der Geistligkeit allzuviel; sondern vergrösser-
ten auch noch ihre Freyheiten und Güter; wel-
che doch beyde in einem Reiche ihr Mittelmaß
haben solten; wormit weder die Bürgerschafft
Schatzung zu geben/ der Adel im Kriege zu die-
nen geschwächt/ noch auch das Ansehen und die
Gewalt des Königes durch sie verdüstert wer-
de/ wie in Comagene sich durch die übermäßige
Gewalt selbigen Priesters ereignet hat. Adgan-
dester versetzte: Es haben diß die Cimbern nach
ihrer Wahl/ aber zu langsam erfahren; ja auch
uns übrigen Deutschen sind die Druyden/ wo
sie gleich nie den Fürsten-Hut aufgesetzt/ zu
Kopffe gewachsen.

Malovend fuhr fort: Jch weiß nicht: Ob
sie mehr sich zu erhöhen/ oder wir uns mehr un-
ter ihre Fuß-Sohlen zu kriechen bemüht ge-
west. Daher wir nicht so wol sie/ als uns selbst
zu schelten Ursache haben. Sintemahl der
Mensch von Natur mehr zur Herrschafft/ als
Dienstbarkeit geneigt; und es fast mehr als
menschlich ist/ bey übermäßigem Glücke lange
Zeit die erste Gemüths-Mäßigung behalten.
Es gehöret ein grosses Hertze darzu/ welches
das Gold und das Eisen beyderley Glücks-
Fälle verdäuen soll. Denn das Hertze ist ge-
gen das Glücke/ was der Magen gegen die
Speisen. Es sey nun aber schuld daran/ wer
da wolle; so verwandelte sich der Druyden er-
ste Bescheidenheit in Herrschsucht; ihre Ge-
nüßligkeit in Wollust/ ihre anfängliche An-
dacht in Scheinheiligkeit; welche auf der Welt
jener den Preiß abrennt/ und nicht ohne Wun-
derwercke Himmel und Hölle mit einander ver-
schwistert; ja die Laster für Tugenden anweh-
ret. Unter dem Schein heilsamer Warni-
gungen versteckten sie ihre Rache; unter dem
Vorwand des Glimpfes sahen sie allen Lastern
durch die Finger; mit dem Mantel des gemei-
nen Heiles verhülleten sie ihren Ehrgeitz; die
Gerechtigkeit muste ihren Geitz/ ein gerechter
Amts-Eiver ihren Neid/ die erbauende Unter-
[Spaltenumbruch] redung ihre Geilheit verdecken. Jhre Enteus-
serung alles Eigenthums diente ihnen zur
Herrschafft über aller/ ja der Könige Güter;
und welche keine Hütte haben wolten/ wohnten
nunmehr in eitel Fürstlichen Schlössern. Es
war letzlich ihren Uhrhebern an ihnen nichts
als das Kleid ähnlich. Diese Veränderung
gebahr bey vielen tugendhafften einen heimli-
chen Unwillen; aber/ weil sich niemand diesen
bösen Sitten des Vaterlandes zu begegnen ge-
wachsen sahe/ musten sie nur mit andern La-
stern ihre Schwachheit beseuffzen. Endlich
kriegten die Druyden durch diß/ welches alle
unüberwindliche Machten zu Boden wirfft/
nehmlich durch eigene Zwytracht einen gewal-
tigen Stoß. Denn zur Zeit des grossen Feld-
Herrn Marcomirs/ thät sich Divitiak einer der
tieffsinnigen Druyden herfür; welcher in dem
Semanischen Walde zwischen der Elbe und
der Weser gebohren war/ aber in Britannien/
Egypten/ und bey den Juden ihm eine grosse
Weißheit zu wege gebracht hatte. Dessen
Frömmigkeit nahm anfangs der Druyden La-
ster und Mißbräuche/ seine Scharffsinnigkeit
aber ihre Jrrthümer wahr. Daher fieng er
an jene mit einem hertzhafften Eiver zu schelten/
diese mit sonderbarer Klugheit zu wiederlegen.
Er straffte den Wucher der Priester; verdammte
ihre übermäßige Gewalt in weltlichen Din-
gen; eröffnete die für dem gemeinen Volcke
versteckten Geheimnüße des Glaubens/ ver-
fluchte die Vergötterung der Menschen/ zohe
die Gründe der Warheit dem Sagen der
Druyden und dem Ansehen ihres Hauptes
für; Gründete den Wolstand der unsterblichen
Seelen auf die einige Erbarmnüß des ewigen
Schöpffers; verwarff alle aber gläubische Zei-
chen und Tage-Wehlungen; wiederlegte die
Wanderung der Seelen aus einem Leibe in
den andern; und brachte mit einem Worte den
alten Gottesdienst der Deutschen wieder ans
Licht. Ob nun wol die hitzigen Druyden ihm

mit

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] der Geiſtligkeit allzuviel; ſondern vergroͤſſer-
ten auch noch ihre Freyheiten und Guͤter; wel-
che doch beyde in einem Reiche ihr Mittelmaß
haben ſolten; wormit weder die Buͤrgerſchafft
Schatzung zu geben/ der Adel im Kriege zu die-
nen geſchwaͤcht/ noch auch das Anſehen und die
Gewalt des Koͤniges durch ſie verduͤſtert wer-
de/ wie in Comagene ſich durch die uͤbermaͤßige
Gewalt ſelbigen Prieſters ereignet hat. Adgan-
deſter verſetzte: Es haben diß die Cimbern nach
ihrer Wahl/ aber zu langſam erfahren; ja auch
uns uͤbrigen Deutſchen ſind die Druyden/ wo
ſie gleich nie den Fuͤrſten-Hut aufgeſetzt/ zu
Kopffe gewachſen.

Malovend fuhr fort: Jch weiß nicht: Ob
ſie mehr ſich zu erhoͤhen/ oder wir uns mehr un-
ter ihre Fuß-Sohlen zu kriechen bemuͤht ge-
weſt. Daher wir nicht ſo wol ſie/ als uns ſelbſt
zu ſchelten Urſache haben. Sintemahl der
Menſch von Natur mehr zur Herrſchafft/ als
Dienſtbarkeit geneigt; und es faſt mehr als
menſchlich iſt/ bey uͤbermaͤßigem Gluͤcke lange
Zeit die erſte Gemuͤths-Maͤßigung behalten.
Es gehoͤret ein groſſes Hertze darzu/ welches
das Gold und das Eiſen beyderley Gluͤcks-
Faͤlle verdaͤuen ſoll. Denn das Hertze iſt ge-
gen das Gluͤcke/ was der Magen gegen die
Speiſen. Es ſey nun aber ſchuld daran/ wer
da wolle; ſo verwandelte ſich der Druyden er-
ſte Beſcheidenheit in Herrſchſucht; ihre Ge-
nuͤßligkeit in Wolluſt/ ihre anfaͤngliche An-
dacht in Scheinheiligkeit; welche auf der Welt
jener den Preiß abrennt/ und nicht ohne Wun-
derwercke Himmel und Hoͤlle mit einander ver-
ſchwiſtert; ja die Laſter fuͤr Tugenden anweh-
ret. Unter dem Schein heilſamer Warni-
gungen verſteckten ſie ihre Rache; unter dem
Vorwand des Glimpfes ſahen ſie allen Laſtern
durch die Finger; mit dem Mantel des gemei-
nen Heiles verhuͤlleten ſie ihren Ehrgeitz; die
Gerechtigkeit muſte ihren Geitz/ ein gerechter
Amts-Eiver ihren Neid/ die erbauende Unter-
[Spaltenumbruch] redung ihre Geilheit verdecken. Jhre Enteuſ-
ſerung alles Eigenthums diente ihnen zur
Herrſchafft uͤber aller/ ja der Koͤnige Guͤter;
und welche keine Huͤtte haben wolten/ wohnten
nunmehr in eitel Fuͤrſtlichen Schloͤſſern. Es
war letzlich ihren Uhrhebern an ihnen nichts
als das Kleid aͤhnlich. Dieſe Veraͤnderung
gebahr bey vielen tugendhafften einen heimli-
chen Unwillen; aber/ weil ſich niemand dieſen
boͤſen Sitten des Vaterlandes zu begegnen ge-
wachſen ſahe/ muſten ſie nur mit andern La-
ſtern ihre Schwachheit beſeuffzen. Endlich
kriegten die Druyden durch diß/ welches alle
unuͤberwindliche Machten zu Boden wirfft/
nehmlich durch eigene Zwytracht einen gewal-
tigen Stoß. Denn zur Zeit des groſſen Feld-
Herrn Marcomirs/ thaͤt ſich Divitiak einer der
tieffſinnigen Druyden herfuͤr; welcher in dem
Semaniſchen Walde zwiſchen der Elbe und
der Weſer gebohren war/ aber in Britannien/
Egypten/ und bey den Juden ihm eine groſſe
Weißheit zu wege gebracht hatte. Deſſen
Froͤmmigkeit nahm anfangs der Druyden La-
ſter und Mißbraͤuche/ ſeine Scharffſinnigkeit
aber ihre Jrrthuͤmer wahr. Daher fieng er
an jene mit einem hertzhafften Eiver zu ſchelten/
dieſe mit ſonderbarer Klugheit zu wiederlegen.
Er ſtraffte den Wucher der Prieſter; verdam̃te
ihre uͤbermaͤßige Gewalt in weltlichen Din-
gen; eroͤffnete die fuͤr dem gemeinen Volcke
verſteckten Geheimnuͤße des Glaubens/ ver-
fluchte die Vergoͤtterung der Menſchen/ zohe
die Gruͤnde der Warheit dem Sagen der
Druyden und dem Anſehen ihres Hauptes
fuͤr; Gruͤndete den Wolſtand der unſterblichen
Seelen auf die einige Erbarmnuͤß des ewigen
Schoͤpffers; verwarff alle aber glaͤubiſche Zei-
chen und Tage-Wehlungen; wiederlegte die
Wanderung der Seelen aus einem Leibe in
den andern; und brachte mit einem Worte den
alten Gottesdienſt der Deutſchen wieder ans
Licht. Ob nun wol die hitzigen Druyden ihm

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 982[984]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1046>, abgerufen am 22.11.2024.