Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
der Geistligkeit allzuviel; sondern vergrösser-ten auch noch ihre Freyheiten und Güter; wel- che doch beyde in einem Reiche ihr Mittelmaß haben solten; wormit weder die Bürgerschafft Schatzung zu geben/ der Adel im Kriege zu die- nen geschwächt/ noch auch das Ansehen und die Gewalt des Königes durch sie verdüstert wer- de/ wie in Comagene sich durch die übermäßige Gewalt selbigen Priesters ereignet hat. Adgan- dester versetzte: Es haben diß die Cimbern nach ihrer Wahl/ aber zu langsam erfahren; ja auch uns übrigen Deutschen sind die Druyden/ wo sie gleich nie den Fürsten-Hut aufgesetzt/ zu Kopffe gewachsen. Malovend fuhr fort: Jch weiß nicht: Ob mit
Siebendes Buch [Spaltenumbruch]
der Geiſtligkeit allzuviel; ſondern vergroͤſſer-ten auch noch ihre Freyheiten und Guͤter; wel- che doch beyde in einem Reiche ihr Mittelmaß haben ſolten; wormit weder die Buͤrgerſchafft Schatzung zu geben/ der Adel im Kriege zu die- nen geſchwaͤcht/ noch auch das Anſehen und die Gewalt des Koͤniges durch ſie verduͤſtert wer- de/ wie in Comagene ſich durch die uͤbermaͤßige Gewalt ſelbigen Prieſters ereignet hat. Adgan- deſter verſetzte: Es haben diß die Cimbern nach ihrer Wahl/ aber zu langſam erfahren; ja auch uns uͤbrigen Deutſchen ſind die Druyden/ wo ſie gleich nie den Fuͤrſten-Hut aufgeſetzt/ zu Kopffe gewachſen. Malovend fuhr fort: Jch weiß nicht: Ob mit
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f1046" n="982[984]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebendes Buch</hi></fw><lb/><cb/> der Geiſtligkeit allzuviel; ſondern vergroͤſſer-<lb/> ten auch noch ihre Freyheiten und Guͤter; wel-<lb/> che doch beyde in einem Reiche ihr Mittelmaß<lb/> haben ſolten; wormit weder die Buͤrgerſchafft<lb/> Schatzung zu geben/ der Adel im Kriege zu die-<lb/> nen geſchwaͤcht/ noch auch das Anſehen und die<lb/> Gewalt des Koͤniges durch ſie verduͤſtert wer-<lb/> de/ wie in Comagene ſich durch die uͤbermaͤßige<lb/> Gewalt ſelbigen Prieſters ereignet hat. Adgan-<lb/> deſter verſetzte: Es haben diß die Cimbern nach<lb/> ihrer Wahl/ aber zu langſam erfahren; ja auch<lb/> uns uͤbrigen Deutſchen ſind die Druyden/ wo<lb/> ſie gleich nie den Fuͤrſten-Hut aufgeſetzt/ zu<lb/> Kopffe gewachſen.</p><lb/> <p>Malovend fuhr fort: Jch weiß nicht: Ob<lb/> ſie mehr ſich zu erhoͤhen/ oder wir uns mehr un-<lb/> ter ihre Fuß-Sohlen zu kriechen bemuͤht ge-<lb/> weſt. Daher wir nicht ſo wol ſie/ als uns ſelbſt<lb/> zu ſchelten Urſache haben. Sintemahl der<lb/> Menſch von Natur mehr zur Herrſchafft/ als<lb/> Dienſtbarkeit geneigt; und es faſt mehr als<lb/> menſchlich iſt/ bey uͤbermaͤßigem Gluͤcke lange<lb/> Zeit die erſte Gemuͤths-Maͤßigung behalten.<lb/> Es gehoͤret ein groſſes Hertze darzu/ welches<lb/> das Gold und das Eiſen beyderley Gluͤcks-<lb/> Faͤlle verdaͤuen ſoll. Denn das Hertze iſt ge-<lb/> gen das Gluͤcke/ was der Magen gegen die<lb/> Speiſen. Es ſey nun aber ſchuld daran/ wer<lb/> da wolle; ſo verwandelte ſich der Druyden er-<lb/> ſte Beſcheidenheit in Herrſchſucht; ihre Ge-<lb/> nuͤßligkeit in Wolluſt/ ihre anfaͤngliche An-<lb/> dacht in Scheinheiligkeit; welche auf der Welt<lb/> jener den Preiß abrennt/ und nicht ohne Wun-<lb/> derwercke Himmel und Hoͤlle mit einander ver-<lb/> ſchwiſtert; ja die Laſter fuͤr Tugenden anweh-<lb/> ret. Unter dem Schein heilſamer Warni-<lb/> gungen verſteckten ſie ihre Rache; unter dem<lb/> Vorwand des Glimpfes ſahen ſie allen Laſtern<lb/> durch die Finger; mit dem Mantel des gemei-<lb/> nen Heiles verhuͤlleten ſie ihren Ehrgeitz; die<lb/> Gerechtigkeit muſte ihren Geitz/ ein gerechter<lb/> Amts-Eiver ihren Neid/ die erbauende Unter-<lb/><cb/> redung ihre Geilheit verdecken. Jhre Enteuſ-<lb/> ſerung alles Eigenthums diente ihnen zur<lb/> Herrſchafft uͤber aller/ ja der Koͤnige Guͤter;<lb/> und welche keine Huͤtte haben wolten/ wohnten<lb/> nunmehr in eitel Fuͤrſtlichen Schloͤſſern. Es<lb/> war letzlich ihren Uhrhebern an ihnen nichts<lb/> als das Kleid aͤhnlich. Dieſe Veraͤnderung<lb/> gebahr bey vielen tugendhafften einen heimli-<lb/> chen Unwillen; aber/ weil ſich niemand dieſen<lb/> boͤſen Sitten des Vaterlandes zu begegnen ge-<lb/> wachſen ſahe/ muſten ſie nur mit andern La-<lb/> ſtern ihre Schwachheit beſeuffzen. Endlich<lb/> kriegten die Druyden durch diß/ welches alle<lb/> unuͤberwindliche Machten zu Boden wirfft/<lb/> nehmlich durch eigene Zwytracht einen gewal-<lb/> tigen Stoß. Denn zur Zeit des groſſen Feld-<lb/> Herrn Marcomirs/ thaͤt ſich Divitiak einer der<lb/> tieffſinnigen Druyden herfuͤr; welcher in dem<lb/> Semaniſchen Walde zwiſchen der Elbe und<lb/> der Weſer gebohren war/ aber in Britannien/<lb/> Egypten/ und bey den Juden ihm eine groſſe<lb/> Weißheit zu wege gebracht hatte. Deſſen<lb/> Froͤmmigkeit nahm anfangs der Druyden La-<lb/> ſter und Mißbraͤuche/ ſeine Scharffſinnigkeit<lb/> aber ihre Jrrthuͤmer wahr. Daher fieng er<lb/> an jene mit einem hertzhafften Eiver zu ſchelten/<lb/> dieſe mit ſonderbarer Klugheit zu wiederlegen.<lb/> Er ſtraffte den Wucher der Prieſter; verdam̃te<lb/> ihre uͤbermaͤßige Gewalt in weltlichen Din-<lb/> gen; eroͤffnete die fuͤr dem gemeinen Volcke<lb/> verſteckten Geheimnuͤße des Glaubens/ ver-<lb/> fluchte die Vergoͤtterung der Menſchen/ zohe<lb/> die Gruͤnde der Warheit dem Sagen der<lb/> Druyden und dem Anſehen ihres Hauptes<lb/> fuͤr; Gruͤndete den Wolſtand der unſterblichen<lb/> Seelen auf die einige Erbarmnuͤß des ewigen<lb/> Schoͤpffers; verwarff alle aber glaͤubiſche Zei-<lb/> chen und Tage-Wehlungen; wiederlegte die<lb/> Wanderung der Seelen aus einem Leibe in<lb/> den andern; und brachte mit einem Worte den<lb/> alten Gottesdienſt der Deutſchen wieder ans<lb/> Licht. Ob nun wol die hitzigen Druyden ihm<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [982[984]/1046]
Siebendes Buch
der Geiſtligkeit allzuviel; ſondern vergroͤſſer-
ten auch noch ihre Freyheiten und Guͤter; wel-
che doch beyde in einem Reiche ihr Mittelmaß
haben ſolten; wormit weder die Buͤrgerſchafft
Schatzung zu geben/ der Adel im Kriege zu die-
nen geſchwaͤcht/ noch auch das Anſehen und die
Gewalt des Koͤniges durch ſie verduͤſtert wer-
de/ wie in Comagene ſich durch die uͤbermaͤßige
Gewalt ſelbigen Prieſters ereignet hat. Adgan-
deſter verſetzte: Es haben diß die Cimbern nach
ihrer Wahl/ aber zu langſam erfahren; ja auch
uns uͤbrigen Deutſchen ſind die Druyden/ wo
ſie gleich nie den Fuͤrſten-Hut aufgeſetzt/ zu
Kopffe gewachſen.
Malovend fuhr fort: Jch weiß nicht: Ob
ſie mehr ſich zu erhoͤhen/ oder wir uns mehr un-
ter ihre Fuß-Sohlen zu kriechen bemuͤht ge-
weſt. Daher wir nicht ſo wol ſie/ als uns ſelbſt
zu ſchelten Urſache haben. Sintemahl der
Menſch von Natur mehr zur Herrſchafft/ als
Dienſtbarkeit geneigt; und es faſt mehr als
menſchlich iſt/ bey uͤbermaͤßigem Gluͤcke lange
Zeit die erſte Gemuͤths-Maͤßigung behalten.
Es gehoͤret ein groſſes Hertze darzu/ welches
das Gold und das Eiſen beyderley Gluͤcks-
Faͤlle verdaͤuen ſoll. Denn das Hertze iſt ge-
gen das Gluͤcke/ was der Magen gegen die
Speiſen. Es ſey nun aber ſchuld daran/ wer
da wolle; ſo verwandelte ſich der Druyden er-
ſte Beſcheidenheit in Herrſchſucht; ihre Ge-
nuͤßligkeit in Wolluſt/ ihre anfaͤngliche An-
dacht in Scheinheiligkeit; welche auf der Welt
jener den Preiß abrennt/ und nicht ohne Wun-
derwercke Himmel und Hoͤlle mit einander ver-
ſchwiſtert; ja die Laſter fuͤr Tugenden anweh-
ret. Unter dem Schein heilſamer Warni-
gungen verſteckten ſie ihre Rache; unter dem
Vorwand des Glimpfes ſahen ſie allen Laſtern
durch die Finger; mit dem Mantel des gemei-
nen Heiles verhuͤlleten ſie ihren Ehrgeitz; die
Gerechtigkeit muſte ihren Geitz/ ein gerechter
Amts-Eiver ihren Neid/ die erbauende Unter-
redung ihre Geilheit verdecken. Jhre Enteuſ-
ſerung alles Eigenthums diente ihnen zur
Herrſchafft uͤber aller/ ja der Koͤnige Guͤter;
und welche keine Huͤtte haben wolten/ wohnten
nunmehr in eitel Fuͤrſtlichen Schloͤſſern. Es
war letzlich ihren Uhrhebern an ihnen nichts
als das Kleid aͤhnlich. Dieſe Veraͤnderung
gebahr bey vielen tugendhafften einen heimli-
chen Unwillen; aber/ weil ſich niemand dieſen
boͤſen Sitten des Vaterlandes zu begegnen ge-
wachſen ſahe/ muſten ſie nur mit andern La-
ſtern ihre Schwachheit beſeuffzen. Endlich
kriegten die Druyden durch diß/ welches alle
unuͤberwindliche Machten zu Boden wirfft/
nehmlich durch eigene Zwytracht einen gewal-
tigen Stoß. Denn zur Zeit des groſſen Feld-
Herrn Marcomirs/ thaͤt ſich Divitiak einer der
tieffſinnigen Druyden herfuͤr; welcher in dem
Semaniſchen Walde zwiſchen der Elbe und
der Weſer gebohren war/ aber in Britannien/
Egypten/ und bey den Juden ihm eine groſſe
Weißheit zu wege gebracht hatte. Deſſen
Froͤmmigkeit nahm anfangs der Druyden La-
ſter und Mißbraͤuche/ ſeine Scharffſinnigkeit
aber ihre Jrrthuͤmer wahr. Daher fieng er
an jene mit einem hertzhafften Eiver zu ſchelten/
dieſe mit ſonderbarer Klugheit zu wiederlegen.
Er ſtraffte den Wucher der Prieſter; verdam̃te
ihre uͤbermaͤßige Gewalt in weltlichen Din-
gen; eroͤffnete die fuͤr dem gemeinen Volcke
verſteckten Geheimnuͤße des Glaubens/ ver-
fluchte die Vergoͤtterung der Menſchen/ zohe
die Gruͤnde der Warheit dem Sagen der
Druyden und dem Anſehen ihres Hauptes
fuͤr; Gruͤndete den Wolſtand der unſterblichen
Seelen auf die einige Erbarmnuͤß des ewigen
Schoͤpffers; verwarff alle aber glaͤubiſche Zei-
chen und Tage-Wehlungen; wiederlegte die
Wanderung der Seelen aus einem Leibe in
den andern; und brachte mit einem Worte den
alten Gottesdienſt der Deutſchen wieder ans
Licht. Ob nun wol die hitzigen Druyden ihm
mit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |