Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
getrunckenes Ochsen-Blut sich hinzurichten/den Philenen sich lebendig in Sand zu ver- scharren/ dem Curtius sich in die gifftige Klufft zu stürtzen/ den Deciern sich dem Tode zu ver- loben/ warum soll es bedencklich seyn fürs Va- terland seiner Freunde Speise zu werden? Da die Eltern bey so viel Völckern ihre Kinder den Göttern fürs gemeine Heil aufopffern; da ein Feldherr seine Kriegs-Leute an einen Ort zu be- fehlichen Recht hat/ wo der Tod seiner mit offe- nem Rachen wartet; da es rühmlicher ist sich mit der anvertrauten Festung durch die Glut in die Lufft schicken/ sein Schiff in Grund boh- ren/ als dem Feinde übergeben; warum soll es unrecht heissen auch die Wiedrigen zur Erhal- tung mehrer und nützlicher Bürger abzu- schlachten? Jst es denn vortheilhafftiger des Feuers/ der Fäule/ und der stinckenden Wür- mer/ vielmahl auch der Fische Speise werden; als seiner hungernden Landes-Leute oder Blutsverwandten? Geben sich doch die Reb- Hüner den Habichten willig zur Sättigung hin/ daß nur ihre Jungen entrinnen; warum sollen die unnützeren Menschen fürs Vater- land verspeiset zu werden Abscheu tragen? Dem Harpagus schmeckte an des grausamen Astyages Taffel das gebratene Fleisch seines eigenen Sohnes gut; warum soll uns in eus- serster Noth/ die uns offt Hunde/ Katzen/ Mäu- se/ Graß/ Mist/ und abscheulichere Dinge einnöthiget/ für anderer Menschen Fleische grauen? Welches die Natur für andern zur Nahrung dienlich gemacht hat. Sintemahl doch diese unsere Mutter eben so begierig für Erhaltung des Leibes Unterhalt/ als das Feu- er Zunder verlanget; und uns zwar die Liebe unsers gleichen eingepflantzt/ aber auch ein Gesetze gegeben hat uns in gleicher Noth mehr/ als andere zu lieben/ und wie sie durch- gehends aus eines Dinges Verterb das ande- re gebieret/ also auch mit anderer Untergang uns durch anderer Menschen Verterben dar- [Spaltenumbruch] für zu bewahren geboten hat. Die Gesetze erlauben den Eltern in so grossem Mangel ih- re Kinder zu verkauffen/ und der Willkühr fremder Grausamkeit heimzugeben. Haben denn nun diese durch gekaufftes Recht bessere Gewalt/ als wir über sie? Jch finde nir- gends: daß einige ihr Kind essende Eltern ha- ben müssen für Recht stehen; zweiffelsfrey darum: weil der Hunger alles Ansehen der Natur wegnimmt/ keines Schreckens achtet/ die Empfindligkeit der zärtesten Mütter töd- tet: daß sie nach dessen Blute lüstern wird/ was sie mit ihrem gesäugt hat; ihre Frucht mit ihren Zähnen zerfleischet/ die sie mit ih- ren Armen und Hertzen umfangen/ und in ihren Magen vergräbt/ was in ihren Einge- weiden lebendig ward. Daher die tapfferen Saguntiner ihnen das geringste Bedencken gemacht/ so wol lebende Menschen zu schlach- ten/ als Leichen zu essen/ um der Treue ih- rer Bundsgenossen keinen Abbruch/ und für Erhaltung ihres Vaterlandes alles eusserste zu thun. Malovend versetzte: Jch weiß wol: daß diese letzte Schuldigkeit allen andern das Vor-Recht nehme/ und die Liebe unsers Blu- tes/ ja das Recht unser Leben zu erhalten uns benehme. Daher mag ich nicht hartnäckicht die Verspeisung der wol mehrmahls liederli- cher verschwendeten Menschen nicht gäntzlich wiedersprechen. Gleichwol aber nicht ohne erhebliche Bedingungen/ wenn nehmlich die eusserste Noth alle andere Erhaltungs-Mit- tel abstrickt; und einige Hoffnung der Er- haltung aus so grausamen Beginnen her- für blicket; wie es sich in etlichen Schif- farthen verirrten/ oder Schiffbruch-lei- denden begegnet ist. Wenn aber an un- ser Erhaltung das Heil des Vaterlandes nicht gäntzlich hänget; sondern man mit dem Feinde auff leidentliche Bedingungen abkommen kan/ oder wenn so grausame Verfahrung nur eine Fristung/ nicht eine Erster Theil. P p p p p p
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
getrunckenes Ochſen-Blut ſich hinzurichten/den Philenen ſich lebendig in Sand zu ver- ſcharren/ dem Curtius ſich in die gifftige Klufft zu ſtuͤrtzen/ den Deciern ſich dem Tode zu ver- loben/ warum ſoll es bedencklich ſeyn fuͤrs Va- terland ſeiner Freunde Speiſe zu werden? Da die Eltern bey ſo viel Voͤlckern ihre Kinder den Goͤttern fuͤrs gemeine Heil aufopffern; da ein Feldherꝛ ſeine Kriegs-Leute an einen Ort zu be- fehlichen Recht hat/ wo der Tod ſeiner mit offe- nem Rachen wartet; da es ruͤhmlicher iſt ſich mit der anvertrauten Feſtung durch die Glut in die Lufft ſchicken/ ſein Schiff in Grund boh- ren/ als dem Feinde uͤbergeben; warum ſoll es unrecht heiſſen auch die Wiedrigen zur Erhal- tung mehrer und nuͤtzlicher Buͤrger abzu- ſchlachten? Jſt es denn vortheilhafftiger des Feuers/ der Faͤule/ und der ſtinckenden Wuͤr- mer/ vielmahl auch der Fiſche Speiſe werden; als ſeiner hungernden Landes-Leute oder Blutsverwandten? Geben ſich doch die Reb- Huͤner den Habichten willig zur Saͤttigung hin/ daß nur ihre Jungen entrinnen; warum ſollen die unnuͤtzeren Menſchen fuͤrs Vater- land verſpeiſet zu werden Abſcheu tragen? Dem Harpagus ſchmeckte an des grauſamen Aſtyages Taffel das gebratene Fleiſch ſeines eigenen Sohnes gut; warum ſoll uns in euſ- ſerſter Noth/ die uns offt Hunde/ Katzen/ Maͤu- ſe/ Graß/ Miſt/ und abſcheulichere Dinge einnoͤthiget/ fuͤr anderer Menſchen Fleiſche grauen? Welches die Natur fuͤr andern zur Nahrung dienlich gemacht hat. Sintemahl doch dieſe unſere Mutter eben ſo begierig fuͤr Erhaltung des Leibes Unterhalt/ als das Feu- er Zunder verlanget; und uns zwar die Liebe unſers gleichen eingepflantzt/ aber auch ein Geſetze gegeben hat uns in gleicher Noth mehr/ als andere zu lieben/ und wie ſie durch- gehends aus eines Dinges Verterb das ande- re gebieret/ alſo auch mit anderer Untergang uns durch anderer Menſchen Verterben dar- [Spaltenumbruch] fuͤr zu bewahren geboten hat. Die Geſetze erlauben den Eltern in ſo groſſem Mangel ih- re Kinder zu verkauffen/ und der Willkuͤhr fremder Grauſamkeit heimzugeben. Haben denn nun dieſe durch gekaufftes Recht beſſere Gewalt/ als wir uͤber ſie? Jch finde nir- gends: daß einige ihr Kind eſſende Eltern ha- ben muͤſſen fuͤr Recht ſtehen; zweiffelsfrey darum: weil der Hunger alles Anſehen der Natur wegnimmt/ keines Schreckens achtet/ die Empfindligkeit der zaͤrteſten Muͤtter toͤd- tet: daß ſie nach deſſen Blute luͤſtern wird/ was ſie mit ihrem geſaͤugt hat; ihre Frucht mit ihren Zaͤhnen zerfleiſchet/ die ſie mit ih- ren Armen und Hertzen umfangen/ und in ihren Magen vergraͤbt/ was in ihren Einge- weiden lebendig ward. Daher die tapfferen Saguntiner ihnen das geringſte Bedencken gemacht/ ſo wol lebende Menſchen zu ſchlach- ten/ als Leichen zu eſſen/ um der Treue ih- rer Bundsgenoſſen keinen Abbruch/ und fuͤr Erhaltung ihres Vaterlandes alles euſſerſte zu thun. Malovend verſetzte: Jch weiß wol: daß dieſe letzte Schuldigkeit allen andern das Vor-Recht nehme/ und die Liebe unſers Blu- tes/ ja das Recht unſer Leben zu erhalten uns benehme. Daher mag ich nicht hartnaͤckicht die Verſpeiſung der wol mehrmahls liederli- cher verſchwendeten Menſchen nicht gaͤntzlich wiederſprechen. Gleichwol aber nicht ohne erhebliche Bedingungen/ wenn nehmlich die euſſerſte Noth alle andere Erhaltungs-Mit- tel abſtrickt; und einige Hoffnung der Er- haltung aus ſo grauſamen Beginnen her- fuͤr blicket; wie es ſich in etlichen Schif- farthen verirrten/ oder Schiffbruch-lei- denden begegnet iſt. Wenn aber an un- ſer Erhaltung das Heil des Vaterlandes nicht gaͤntzlich haͤnget; ſondern man mit dem Feinde auff leidentliche Bedingungen abkommen kan/ oder wenn ſo grauſame Verfahrung nur eine Friſtung/ nicht eine Erſter Theil. P p p p p p
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Arminius und Thußnelda.
getrunckenes Ochſen-Blut ſich hinzurichten/
den Philenen ſich lebendig in Sand zu ver-
ſcharren/ dem Curtius ſich in die gifftige Klufft
zu ſtuͤrtzen/ den Deciern ſich dem Tode zu ver-
loben/ warum ſoll es bedencklich ſeyn fuͤrs Va-
terland ſeiner Freunde Speiſe zu werden? Da
die Eltern bey ſo viel Voͤlckern ihre Kinder den
Goͤttern fuͤrs gemeine Heil aufopffern; da ein
Feldherꝛ ſeine Kriegs-Leute an einen Ort zu be-
fehlichen Recht hat/ wo der Tod ſeiner mit offe-
nem Rachen wartet; da es ruͤhmlicher iſt ſich mit
der anvertrauten Feſtung durch die Glut in
die Lufft ſchicken/ ſein Schiff in Grund boh-
ren/ als dem Feinde uͤbergeben; warum ſoll es
unrecht heiſſen auch die Wiedrigen zur Erhal-
tung mehrer und nuͤtzlicher Buͤrger abzu-
ſchlachten? Jſt es denn vortheilhafftiger des
Feuers/ der Faͤule/ und der ſtinckenden Wuͤr-
mer/ vielmahl auch der Fiſche Speiſe werden;
als ſeiner hungernden Landes-Leute oder
Blutsverwandten? Geben ſich doch die Reb-
Huͤner den Habichten willig zur Saͤttigung
hin/ daß nur ihre Jungen entrinnen; warum
ſollen die unnuͤtzeren Menſchen fuͤrs Vater-
land verſpeiſet zu werden Abſcheu tragen?
Dem Harpagus ſchmeckte an des grauſamen
Aſtyages Taffel das gebratene Fleiſch ſeines
eigenen Sohnes gut; warum ſoll uns in euſ-
ſerſter Noth/ die uns offt Hunde/ Katzen/ Maͤu-
ſe/ Graß/ Miſt/ und abſcheulichere Dinge
einnoͤthiget/ fuͤr anderer Menſchen Fleiſche
grauen? Welches die Natur fuͤr andern zur
Nahrung dienlich gemacht hat. Sintemahl
doch dieſe unſere Mutter eben ſo begierig fuͤr
Erhaltung des Leibes Unterhalt/ als das Feu-
er Zunder verlanget; und uns zwar die Liebe
unſers gleichen eingepflantzt/ aber auch ein
Geſetze gegeben hat uns in gleicher Noth
mehr/ als andere zu lieben/ und wie ſie durch-
gehends aus eines Dinges Verterb das ande-
re gebieret/ alſo auch mit anderer Untergang
uns durch anderer Menſchen Verterben dar-
fuͤr zu bewahren geboten hat. Die Geſetze
erlauben den Eltern in ſo groſſem Mangel ih-
re Kinder zu verkauffen/ und der Willkuͤhr
fremder Grauſamkeit heimzugeben. Haben
denn nun dieſe durch gekaufftes Recht beſſere
Gewalt/ als wir uͤber ſie? Jch finde nir-
gends: daß einige ihr Kind eſſende Eltern ha-
ben muͤſſen fuͤr Recht ſtehen; zweiffelsfrey
darum: weil der Hunger alles Anſehen der
Natur wegnimmt/ keines Schreckens achtet/
die Empfindligkeit der zaͤrteſten Muͤtter toͤd-
tet: daß ſie nach deſſen Blute luͤſtern wird/
was ſie mit ihrem geſaͤugt hat; ihre Frucht
mit ihren Zaͤhnen zerfleiſchet/ die ſie mit ih-
ren Armen und Hertzen umfangen/ und in
ihren Magen vergraͤbt/ was in ihren Einge-
weiden lebendig ward. Daher die tapfferen
Saguntiner ihnen das geringſte Bedencken
gemacht/ ſo wol lebende Menſchen zu ſchlach-
ten/ als Leichen zu eſſen/ um der Treue ih-
rer Bundsgenoſſen keinen Abbruch/ und fuͤr
Erhaltung ihres Vaterlandes alles euſſerſte
zu thun. Malovend verſetzte: Jch weiß wol:
daß dieſe letzte Schuldigkeit allen andern das
Vor-Recht nehme/ und die Liebe unſers Blu-
tes/ ja das Recht unſer Leben zu erhalten uns
benehme. Daher mag ich nicht hartnaͤckicht
die Verſpeiſung der wol mehrmahls liederli-
cher verſchwendeten Menſchen nicht gaͤntzlich
wiederſprechen. Gleichwol aber nicht ohne
erhebliche Bedingungen/ wenn nehmlich die
euſſerſte Noth alle andere Erhaltungs-Mit-
tel abſtrickt; und einige Hoffnung der Er-
haltung aus ſo grauſamen Beginnen her-
fuͤr blicket; wie es ſich in etlichen Schif-
farthen verirrten/ oder Schiffbruch-lei-
denden begegnet iſt. Wenn aber an un-
ſer Erhaltung das Heil des Vaterlandes
nicht gaͤntzlich haͤnget; ſondern man mit
dem Feinde auff leidentliche Bedingungen
abkommen kan/ oder wenn ſo grauſame
Verfahrung nur eine Friſtung/ nicht
eine
Erſter Theil. P p p p p p
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