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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] eine Abwendung des Unterganges verheisset;
halte ich selbte weder für vernünfftig/ noch für
verantwortlich. Zumahl da der bewehrten
Aertzte Meynung nach/ das Menschen-Fleisch
eine schädliche Nahrung giebt/ und das gantze
Geblüte anzündet/ hernach faulend macht.
Massen diese Kranckheit bey denen Menschen-
fressenden Völckern sehr gemein ist; ja eins-
mahls ein gantzes Heer der Gallier darmit an-
gesteckt worden/ welchem boßhaffte Kauff-Leu-
te gedörrtes Fleisch erschlagener Mohren für
Stockfisch verkaufften. Ja in den Atlantischen
Eylanden wird das schädlichste Gifft aus Men-
schen-Fett und Blute bereitet. Wenn es
aber auch an sich selbst nicht so schädlich wäre/ ist
doch dessen Gebrauch selten iemand viel zu stat-
ten kommen. Massen denn die zu Sagunt und
Astapa eben so wenig/ als die Gallier in Alesia/
nach ihren so blutigen Mahlzeiten weder sich
noch ihr Vaterland/ sondern alleine diß erhal-
ten: daß sie der Flammen und des Todes Spei-
se/ oder ein Opffer ihrer gegen einander mehr/
als viehisch ausgeübten Grausamkeit worden.
Denn es scheinet: daß das Glücke denen sein
Antlitz nicht zuwenden könne/ welche der Na-
tur verzweiffelt Gewalt anthun. Daher ich
auch in dem Falle/ da sich die Verspeisung der
Menschen rechtfertigen läst/ mir lieber die
Speise/ als der Gast zu seyn erwehlen würde.
Jn Alesia hielt des Fürsten Critognat blutiger
Vorschlag nicht lange den Stich/ sondern die
Noth verbitterte sich gleichsam ihnen alle Hülf-
fe/ und was der letzte Spar-Pfennig der Elen-
den ist/ die Hoffnung abzustricken. Vercin-
getorich trieb zwar durch seine leichte Reuter
und darunter vermischte Bogenschützen die zu
Bedeckung des Lägers auff einer vortheilhaff-
tigen Höhe stehende Römische Reuterey ab; al-
leine die deutschen Hülffs-Völcker schlugen mit
einer unglaublichen Tapfferkeit/ zu selbst eige-
ner Verwunderung der Römer/ die Gallier
wieder herunter. Auch können die Römer nicht
[Spaltenumbruch] genung ihre Tugend heraus streichen/ die sie in
denen drey Hauptstürmen gegen die Gallier er-
wiesen. Jnsonderheit aber im letzten/ als Ver-
cingetorich und Critognat mit sechzig tausend
Mann ausfielen/ und Viriomar an zweyen
Orten das Römische Läger stürmeten; ja Ver-
gasulaun auff der Nordseite von einem hohen
Berge in das niedrige Läger durch den Wall
schon eingebrochen/ Labienus verwundet/ und
alles voller Schrecken war; wuste Cäsar ihm
keinen Rath/ als daß er mit der Deutschen Reu-
terey auf der einen Seiten einen Ausfall thät;
welche dem Vergasulaun in Rücken gieng; da
denn der Ritter Blanckenberg dem Fürsten der
Lemovicher den Kopff zerspaltete/ der Ritter
Beuchlingen aber den Hertzog Vergasulaun
selbst gefangen bekam. Wordurch nicht allein
die Römer aus eusserster Gefahr errettet/ die
Gallier Alesia zu verlassen/ Vercingetorich a-
ber den Belägerten einzurathen gezwungen
ward: daß sie ihn todt oder lebendig Cäsarn ein-
liefern/ und darmit seinen Grimm besänfftigen
solten. Wie nun dieser Angrieff als des ster-
benden Galliens letzter Biß/ Cäsars eigenem
Bekäntnüße nach/ der gefährlichste war; also
war die Ubergabe Alesiens der letzte Schlag/
welcher den Vercingetorich zu Bodem/ und
Gallien unter den Fußschemel der Römer stürtz-
te. Denn ob wol Comius/ und Correus mit
den Bellovaken die Deutschen um Hülffe in-
ständigst anfleheten/ und ihr Heil zum letzten
mahl versuchen wolten/ so brachten sie doch mehr
nicht/ als fünff hundert Sicambrer und Chau-
zen auff; welche die mit dem Cäsar wieder sie
auffziehenden Rhemer in die Flucht brachten/
und ihren Fürsten Vertisch todt schlugen. Allei-
ne Cäsar setzte diesen Deutschen alsbald ihre ei-
gene Lands-Leute in grösserer Menge entge-
gen; welche jene ohne sonderbahre Müh in der
Gallier Läger trieben/ und hernach in unter-
schiedenen Treffen den Galliern grossen Ab-
bruch thäten/ ja endlich den Fürsten Correus in

Deutsch-

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] eine Abwendung des Unterganges verheiſſet;
halte ich ſelbte weder fuͤr vernuͤnfftig/ noch fuͤr
verantwortlich. Zumahl da der bewehrten
Aertzte Meynung nach/ das Menſchen-Fleiſch
eine ſchaͤdliche Nahrung giebt/ und das gantze
Gebluͤte anzuͤndet/ hernach faulend macht.
Maſſen dieſe Kranckheit bey denen Menſchen-
freſſenden Voͤlckern ſehr gemein iſt; ja eins-
mahls ein gantzes Heer der Gallier darmit an-
geſteckt worden/ welchem boßhaffte Kauff-Leu-
te gedoͤrrtes Fleiſch erſchlagener Mohren fuͤr
Stockfiſch verkaufften. Ja in den Atlantiſchen
Eylanden wird das ſchaͤdlichſte Gifft aus Men-
ſchen-Fett und Blute bereitet. Wenn es
aber auch an ſich ſelbſt nicht ſo ſchaͤdlich waͤre/ iſt
doch deſſen Gebrauch ſelten iemand viel zu ſtat-
ten kommen. Maſſen denn die zu Sagunt und
Aſtapa eben ſo wenig/ als die Gallier in Aleſia/
nach ihren ſo blutigen Mahlzeiten weder ſich
noch ihr Vaterland/ ſondern alleine diß erhal-
ten: daß ſie der Flammen und des Todes Spei-
ſe/ oder ein Opffer ihrer gegen einander mehr/
als viehiſch ausgeuͤbten Grauſamkeit worden.
Denn es ſcheinet: daß das Gluͤcke denen ſein
Antlitz nicht zuwenden koͤnne/ welche der Na-
tur verzweiffelt Gewalt anthun. Daher ich
auch in dem Falle/ da ſich die Verſpeiſung der
Menſchen rechtfertigen laͤſt/ mir lieber die
Speiſe/ als der Gaſt zu ſeyn erwehlen wuͤrde.
Jn Aleſia hielt des Fuͤrſten Critognat blutiger
Vorſchlag nicht lange den Stich/ ſondern die
Noth verbitterte ſich gleichſam ihnen alle Huͤlf-
fe/ und was der letzte Spar-Pfennig der Elen-
den iſt/ die Hoffnung abzuſtricken. Vercin-
getorich trieb zwar durch ſeine leichte Reuter
und darunter vermiſchte Bogenſchuͤtzen die zu
Bedeckung des Laͤgers auff einer vortheilhaff-
tigen Hoͤhe ſtehende Roͤmiſche Reuterey ab; al-
leine die deutſchen Huͤlffs-Voͤlcker ſchlugen mit
einer unglaublichen Tapfferkeit/ zu ſelbſt eige-
ner Verwunderung der Roͤmer/ die Gallier
wieder herunter. Auch koͤnnen die Roͤmer nicht
[Spaltenumbruch] genung ihre Tugend heraus ſtreichen/ die ſie in
denen drey Hauptſtuͤrmen gegen die Gallier er-
wieſen. Jnſonderheit aber im letzten/ als Ver-
cingetorich und Critognat mit ſechzig tauſend
Mann ausfielen/ und Viriomar an zweyen
Orten das Roͤmiſche Laͤger ſtuͤrmeten; ja Ver-
gaſulaun auff der Nordſeite von einem hohen
Berge in das niedrige Laͤger durch den Wall
ſchon eingebrochen/ Labienus verwundet/ und
alles voller Schrecken war; wuſte Caͤſar ihm
keinen Rath/ als daß er mit der Deutſchen Reu-
terey auf der einen Seiten einen Ausfall thaͤt;
welche dem Vergaſulaun in Ruͤcken gieng; da
denn der Ritter Blanckenberg dem Fuͤrſten der
Lemovicher den Kopff zerſpaltete/ der Ritter
Beuchlingen aber den Hertzog Vergaſulaun
ſelbſt gefangen bekam. Wordurch nicht allein
die Roͤmer aus euſſerſter Gefahr errettet/ die
Gallier Aleſia zu verlaſſen/ Vercingetorich a-
ber den Belaͤgerten einzurathen gezwungen
ward: daß ſie ihn todt oder lebendig Caͤſarn ein-
liefern/ und darmit ſeinen Grimm beſaͤnfftigen
ſolten. Wie nun dieſer Angrieff als des ſter-
benden Galliens letzter Biß/ Caͤſars eigenem
Bekaͤntnuͤße nach/ der gefaͤhrlichſte war; alſo
war die Ubergabe Aleſiens der letzte Schlag/
welcher den Vercingetorich zu Bodem/ und
Gallien unter den Fußſchemel der Roͤmer ſtuͤꝛtz-
te. Denn ob wol Comius/ und Correus mit
den Bellovaken die Deutſchen um Huͤlffe in-
ſtaͤndigſt anfleheten/ und ihr Heil zum letzten
mahl verſuchen wolten/ ſo brachten ſie doch mehr
nicht/ als fuͤnff hundert Sicambrer und Chau-
zen auff; welche die mit dem Caͤſar wieder ſie
auffziehenden Rhemer in die Flucht brachten/
und ihren Fuͤrſten Vertiſch todt ſchlugen. Allei-
ne Caͤſar ſetzte dieſen Deutſchen alsbald ihre ei-
gene Lands-Leute in groͤſſerer Menge entge-
gen; welche jene ohne ſonderbahre Muͤh in der
Gallier Laͤger trieben/ und hernach in unter-
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bruch thaͤten/ ja endlich den Fuͤrſten Correus in

Deutſch-
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[1034[1036]/1098] Siebendes Buch eine Abwendung des Unterganges verheiſſet; halte ich ſelbte weder fuͤr vernuͤnfftig/ noch fuͤr verantwortlich. Zumahl da der bewehrten Aertzte Meynung nach/ das Menſchen-Fleiſch eine ſchaͤdliche Nahrung giebt/ und das gantze Gebluͤte anzuͤndet/ hernach faulend macht. Maſſen dieſe Kranckheit bey denen Menſchen- freſſenden Voͤlckern ſehr gemein iſt; ja eins- mahls ein gantzes Heer der Gallier darmit an- geſteckt worden/ welchem boßhaffte Kauff-Leu- te gedoͤrrtes Fleiſch erſchlagener Mohren fuͤr Stockfiſch verkaufften. Ja in den Atlantiſchen Eylanden wird das ſchaͤdlichſte Gifft aus Men- ſchen-Fett und Blute bereitet. Wenn es aber auch an ſich ſelbſt nicht ſo ſchaͤdlich waͤre/ iſt doch deſſen Gebrauch ſelten iemand viel zu ſtat- ten kommen. Maſſen denn die zu Sagunt und Aſtapa eben ſo wenig/ als die Gallier in Aleſia/ nach ihren ſo blutigen Mahlzeiten weder ſich noch ihr Vaterland/ ſondern alleine diß erhal- ten: daß ſie der Flammen und des Todes Spei- ſe/ oder ein Opffer ihrer gegen einander mehr/ als viehiſch ausgeuͤbten Grauſamkeit worden. Denn es ſcheinet: daß das Gluͤcke denen ſein Antlitz nicht zuwenden koͤnne/ welche der Na- tur verzweiffelt Gewalt anthun. Daher ich auch in dem Falle/ da ſich die Verſpeiſung der Menſchen rechtfertigen laͤſt/ mir lieber die Speiſe/ als der Gaſt zu ſeyn erwehlen wuͤrde. Jn Aleſia hielt des Fuͤrſten Critognat blutiger Vorſchlag nicht lange den Stich/ ſondern die Noth verbitterte ſich gleichſam ihnen alle Huͤlf- fe/ und was der letzte Spar-Pfennig der Elen- den iſt/ die Hoffnung abzuſtricken. Vercin- getorich trieb zwar durch ſeine leichte Reuter und darunter vermiſchte Bogenſchuͤtzen die zu Bedeckung des Laͤgers auff einer vortheilhaff- tigen Hoͤhe ſtehende Roͤmiſche Reuterey ab; al- leine die deutſchen Huͤlffs-Voͤlcker ſchlugen mit einer unglaublichen Tapfferkeit/ zu ſelbſt eige- ner Verwunderung der Roͤmer/ die Gallier wieder herunter. Auch koͤnnen die Roͤmer nicht genung ihre Tugend heraus ſtreichen/ die ſie in denen drey Hauptſtuͤrmen gegen die Gallier er- wieſen. Jnſonderheit aber im letzten/ als Ver- cingetorich und Critognat mit ſechzig tauſend Mann ausfielen/ und Viriomar an zweyen Orten das Roͤmiſche Laͤger ſtuͤrmeten; ja Ver- gaſulaun auff der Nordſeite von einem hohen Berge in das niedrige Laͤger durch den Wall ſchon eingebrochen/ Labienus verwundet/ und alles voller Schrecken war; wuſte Caͤſar ihm keinen Rath/ als daß er mit der Deutſchen Reu- terey auf der einen Seiten einen Ausfall thaͤt; welche dem Vergaſulaun in Ruͤcken gieng; da denn der Ritter Blanckenberg dem Fuͤrſten der Lemovicher den Kopff zerſpaltete/ der Ritter Beuchlingen aber den Hertzog Vergaſulaun ſelbſt gefangen bekam. Wordurch nicht allein die Roͤmer aus euſſerſter Gefahr errettet/ die Gallier Aleſia zu verlaſſen/ Vercingetorich a- ber den Belaͤgerten einzurathen gezwungen ward: daß ſie ihn todt oder lebendig Caͤſarn ein- liefern/ und darmit ſeinen Grimm beſaͤnfftigen ſolten. Wie nun dieſer Angrieff als des ſter- benden Galliens letzter Biß/ Caͤſars eigenem Bekaͤntnuͤße nach/ der gefaͤhrlichſte war; alſo war die Ubergabe Aleſiens der letzte Schlag/ welcher den Vercingetorich zu Bodem/ und Gallien unter den Fußſchemel der Roͤmer ſtuͤꝛtz- te. Denn ob wol Comius/ und Correus mit den Bellovaken die Deutſchen um Huͤlffe in- ſtaͤndigſt anfleheten/ und ihr Heil zum letzten mahl verſuchen wolten/ ſo brachten ſie doch mehr nicht/ als fuͤnff hundert Sicambrer und Chau- zen auff; welche die mit dem Caͤſar wieder ſie auffziehenden Rhemer in die Flucht brachten/ und ihren Fuͤrſten Vertiſch todt ſchlugen. Allei- ne Caͤſar ſetzte dieſen Deutſchen alsbald ihre ei- gene Lands-Leute in groͤſſerer Menge entge- gen; welche jene ohne ſonderbahre Muͤh in der Gallier Laͤger trieben/ und hernach in unter- ſchiedenen Treffen den Galliern groſſen Ab- bruch thaͤten/ ja endlich den Fuͤrſten Correus in Deutſch-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1034[1036]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1098>, abgerufen am 22.11.2024.