Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und wie ieder unter ihnen freudig zu erzehlen
wuste/ wo einer und der andere getroffen; wo
es am schärffsten hergegangen; wo die Römer
am ersten gewichen; wo Segesthes gefallen
wäre; also geriethen sie endlich auch auff die
Stelle/ wo sich Qvintilius Varus verzweiffeln-
de selbst hingerichtet hatte/ funden aber daselbst
zwey Römische Kriegsknechte/ welche eine Gru-
be zuscharreten/ und auff bedräuliche Befra-
gung um ihr Vornehmen/ zur Antwort ga-
ben: Sie wären in der Schlacht von empfan-
gen Wunden für todt liegen blieben/ als sie aber
nach ihrer Ohnmacht wieder zu sich selbst kom-
men wären/ hätten sie den zwar enthaupteten
Leib ihres Feldherrn erkennet/ und ihrer Pflicht
zu seyn erachtet/ theils mit etlichen zerbrochenen
Degen/ theils mit ihren eigenen Nägeln ein
Grab zu scharren/ und/ nachdem auch die A-
meisen und Bienen ihre Todten begrüben/ ihn
zu beerdigen. Die Fürsten lobten zwar ihre
Frömmigkeit; sonderlich/ da sie für Schwach-
heit wegen des so viel weggelassenen Blutes
nicht selbst auff den Füssen zu stehen vermochten;
Fürst Sesitach aber war der erste/ der dem Fein-
de diese Begräbnüß-Ehre zu gönnen wider-
rieth. Als sie nun befehlicht worden den Leich-
nam wieder auszugraben/ versetzte einer unter
ihnen Mustonius: die Feinde pflegten ja auch
den Todten eine Hand voll Erde den Hafen
deß entseelten Leibes zu gönnen. Die Heleer
hätten für unmenschlich und für eine Verletzung
des Völckerrechts gehalten/ wenn man die tod-
ten Feinde nicht begrübe. Bey denen Atheni-
ensern wären die Heerführer zum Tode ver-
dammet worden/ die solches unterlassen; wo-
durch Chabrias seine unterlassene Verfolgung
der geschlagenen Spartaner entschuldiget; Und
der sonst von Natur so grausame Hannibal hät-
te die Römer sorgfältig beerdigen lassen. Die
Deutschen würden sich mit dem Schandflecke
der Parther und Nabatheer zuversichtlich nicht
beflecken/ welche aller wohl gesitteten Völcker
[Spaltenumbruch] Fluch verdienten/ daß die ersten die Magen
der Wölffe und Raubvögel zu Särgen ihrer
Todten werden liessen/ und hernach erst die nack-
ten Gebeine begrüben; die andern aber ihre Lei-
chen den Misthauffen wiedmeten. Auch trau-
ten sie ihnen nicht zu/ daß sie/ wie die Scythen/
des Varus Leiche zum verspeisen verlangten.
Des grossen Alexanders Vater hätte dadurch
seinen Ruhm nicht wenig verkleinert/ daß er
nicht nur die Gefangenen/ sondern auch die er-
schlagenen Thebaner verkaufft/ und auff ihre
Begräbniße einen Zoll geschlagen. Wolten
sie denen andern todten Römern die Ruhe im
Grabe nicht gönnen/ solten sie solche doch einem
Römischen Bürgermeister und Feldherrn nicht
verweigern. Und da ihn seine Würde dessen
nicht fähig machte/ hätte er solches durch seine
letzte Großmüthigkeit nichts minder als De-
mosthenes verdient; welcher von den sonst so sehr
erbitterten Syracusiern nur deßwegen ehrlich
begraben worden wäre/ daß er nach verlohrnem
Kriegs-Heere mehr Hertz als Nicias bezeuget/
indem er durch sein eigen Schwerdt ihm selbst
vom Leben und aus der Dienstbarkeit geholffen.
Auch wäre des Varus Leiche dieser wenige
Sand so vielweniger zu mißgönnen/ nachdem
ihm ohnediß nicht die letzte Pflicht nach Römi-
scher Art durch Einäscherung des Leibes ge-
schehen könte. Sesitach fuhr den Mustonius
an/ Varus wäre der Erde nicht werth/ und sie
solten alsofort ihn ausscharren. Zumahl diese
Einscharrung ohne diß nicht den Römern ge-
mäß seyn solte. Hätte doch Sylla bey Anien
des Marius Asche nicht unbeirret gelassen/ son-
dern auffs schimpfflichste zerstreuet. Diesem
begegnete der andere Römer Qvintus Julius
Posthumus/ des berühmten Landvogts in Dal-
matien Sohn: Die Verbrennung wäre bey
den Römern keine unveränderliche Nothwen-
digkeit. Das edle Geschlechte der Cornelier
hätte ausser dem Sylla sich unversehrt in die
frische Erde legen lassen. Sie hätten weder

so viel

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] und wie ieder unter ihnen freudig zu erzehlen
wuſte/ wo einer und der andere getroffen; wo
es am ſchaͤrffſten hergegangen; wo die Roͤmer
am erſten gewichen; wo Segeſthes gefallen
waͤre; alſo geriethen ſie endlich auch auff die
Stelle/ wo ſich Qvintilius Varus verzweiffeln-
de ſelbſt hingerichtet hatte/ funden aber daſelbſt
zwey Roͤmiſche Kriegsknechte/ welche eine Gru-
be zuſcharreten/ und auff bedraͤuliche Befra-
gung um ihr Vornehmen/ zur Antwort ga-
ben: Sie waͤren in der Schlacht von empfan-
gen Wunden fuͤr todt liegen blieben/ als ſie aber
nach ihrer Ohnmacht wieder zu ſich ſelbſt kom-
men waͤren/ haͤtten ſie den zwar enthaupteten
Leib ihres Feldherrn erkennet/ und ihrer Pflicht
zu ſeyn erachtet/ theils mit etlichen zerbrochenen
Degen/ theils mit ihren eigenen Naͤgeln ein
Grab zu ſcharren/ und/ nachdem auch die A-
meiſen und Bienen ihre Todten begruͤben/ ihn
zu beerdigen. Die Fuͤrſten lobten zwar ihre
Froͤmmigkeit; ſonderlich/ da ſie fuͤr Schwach-
heit wegen des ſo viel weggelaſſenen Blutes
nicht ſelbſt auff den Fuͤſſen zu ſtehen vermochten;
Fuͤrſt Seſitach aber war der erſte/ der dem Fein-
de dieſe Begraͤbnuͤß-Ehre zu goͤnnen wider-
rieth. Als ſie nun befehlicht worden den Leich-
nam wieder auszugraben/ verſetzte einer unter
ihnen Muſtonius: die Feinde pflegten ja auch
den Todten eine Hand voll Erde den Hafen
deß entſeelten Leibes zu goͤnnen. Die Heleer
haͤtten fuͤr unmenſchlich und fuͤr eine Verletzung
des Voͤlckerrechts gehalten/ wenn man die tod-
ten Feinde nicht begruͤbe. Bey denen Atheni-
enſern waͤren die Heerfuͤhrer zum Tode ver-
dammet worden/ die ſolches unterlaſſen; wo-
durch Chabrias ſeine unterlaſſene Verfolgung
der geſchlagenen Spartaner entſchuldiget; Und
der ſonſt von Natur ſo grauſame Hannibal haͤt-
te die Roͤmer ſorgfaͤltig beerdigen laſſen. Die
Deutſchen wuͤrden ſich mit dem Schandflecke
der Parther und Nabatheer zuverſichtlich nicht
beflecken/ welche aller wohl geſitteten Voͤlcker
[Spaltenumbruch] Fluch verdienten/ daß die erſten die Magen
der Woͤlffe und Raubvoͤgel zu Saͤrgen ihrer
Todten werden lieſſen/ und hernach erſt die nack-
ten Gebeine begruͤben; die andern aber ihre Lei-
chen den Miſthauffen wiedmeten. Auch trau-
ten ſie ihnen nicht zu/ daß ſie/ wie die Scythen/
des Varus Leiche zum verſpeiſen verlangten.
Des groſſen Alexanders Vater haͤtte dadurch
ſeinen Ruhm nicht wenig verkleinert/ daß er
nicht nur die Gefangenen/ ſondern auch die er-
ſchlagenen Thebaner verkaufft/ und auff ihre
Begraͤbniße einen Zoll geſchlagen. Wolten
ſie denen andern todten Roͤmern die Ruhe im
Grabe nicht goͤnnen/ ſolten ſie ſolche doch einem
Roͤmiſchen Buͤrgermeiſter und Feldherrn nicht
verweigern. Und da ihn ſeine Wuͤrde deſſen
nicht faͤhig machte/ haͤtte er ſolches durch ſeine
letzte Großmuͤthigkeit nichts minder als De-
moſthenes verdient; welcher von den ſonſt ſo ſehr
erbitterten Syracuſiern nur deßwegen ehrlich
begraben worden waͤre/ daß er nach verlohrnem
Kriegs-Heere mehr Hertz als Nicias bezeuget/
indem er durch ſein eigen Schwerdt ihm ſelbſt
vom Leben und aus der Dienſtbarkeit geholffen.
Auch waͤre des Varus Leiche dieſer wenige
Sand ſo vielweniger zu mißgoͤnnen/ nachdem
ihm ohnediß nicht die letzte Pflicht nach Roͤmi-
ſcher Art durch Einaͤſcherung des Leibes ge-
ſchehen koͤnte. Seſitach fuhr den Muſtonius
an/ Varus waͤre der Erde nicht werth/ und ſie
ſolten alſofort ihn ausſcharren. Zumahl dieſe
Einſcharrung ohne diß nicht den Roͤmern ge-
maͤß ſeyn ſolte. Haͤtte doch Sylla bey Anien
des Marius Aſche nicht unbeirret gelaſſen/ ſon-
dern auffs ſchimpfflichſte zerſtreuet. Dieſem
begegnete der andere Roͤmer Qvintus Julius
Poſthumus/ des beruͤhmten Landvogts in Dal-
matien Sohn: Die Verbrennung waͤre bey
den Roͤmern keine unveraͤnderliche Nothwen-
digkeit. Das edle Geſchlechte der Cornelier
haͤtte auſſer dem Sylla ſich unverſehrt in die
friſche Erde legen laſſen. Sie haͤtten weder

ſo viel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0111" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
und wie ieder unter ihnen freudig zu erzehlen<lb/>
wu&#x017F;te/ wo einer und der andere getroffen; wo<lb/>
es am &#x017F;cha&#x0364;rff&#x017F;ten hergegangen; wo die Ro&#x0364;mer<lb/>
am er&#x017F;ten gewichen; wo Sege&#x017F;thes gefallen<lb/>
wa&#x0364;re; al&#x017F;o geriethen &#x017F;ie endlich auch auff die<lb/>
Stelle/ wo &#x017F;ich Qvintilius Varus verzweiffeln-<lb/>
de &#x017F;elb&#x017F;t hingerichtet hatte/ funden aber da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zwey Ro&#x0364;mi&#x017F;che Kriegsknechte/ welche eine Gru-<lb/>
be zu&#x017F;charreten/ und auff bedra&#x0364;uliche Befra-<lb/>
gung um ihr Vornehmen/ zur Antwort ga-<lb/>
ben: Sie wa&#x0364;ren in der Schlacht von empfan-<lb/>
gen Wunden fu&#x0364;r todt liegen blieben/ als &#x017F;ie aber<lb/>
nach ihrer Ohnmacht wieder zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t kom-<lb/>
men wa&#x0364;ren/ ha&#x0364;tten &#x017F;ie den zwar enthaupteten<lb/>
Leib ihres Feldherrn erkennet/ und ihrer Pflicht<lb/>
zu &#x017F;eyn erachtet/ theils mit etlichen zerbrochenen<lb/>
Degen/ theils mit ihren eigenen Na&#x0364;geln ein<lb/>
Grab zu &#x017F;charren/ und/ nachdem auch die A-<lb/>
mei&#x017F;en und Bienen ihre Todten begru&#x0364;ben/ ihn<lb/>
zu beerdigen. Die Fu&#x0364;r&#x017F;ten lobten zwar ihre<lb/>
Fro&#x0364;mmigkeit; &#x017F;onderlich/ da &#x017F;ie fu&#x0364;r Schwach-<lb/>
heit wegen des &#x017F;o viel weggela&#x017F;&#x017F;enen Blutes<lb/>
nicht &#x017F;elb&#x017F;t auff den Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;tehen vermochten;<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t Se&#x017F;itach aber war der er&#x017F;te/ der dem Fein-<lb/>
de die&#x017F;e Begra&#x0364;bnu&#x0364;ß-Ehre zu go&#x0364;nnen wider-<lb/>
rieth. Als &#x017F;ie nun befehlicht worden den Leich-<lb/>
nam wieder auszugraben/ ver&#x017F;etzte einer unter<lb/>
ihnen Mu&#x017F;tonius: die Feinde pflegten ja auch<lb/>
den Todten eine Hand voll Erde den Hafen<lb/>
deß ent&#x017F;eelten Leibes zu go&#x0364;nnen. Die Heleer<lb/>
ha&#x0364;tten fu&#x0364;r unmen&#x017F;chlich und fu&#x0364;r eine Verletzung<lb/>
des Vo&#x0364;lckerrechts gehalten/ wenn man die tod-<lb/>
ten Feinde nicht begru&#x0364;be. Bey denen Atheni-<lb/>
en&#x017F;ern wa&#x0364;ren die Heerfu&#x0364;hrer zum Tode ver-<lb/>
dammet worden/ die &#x017F;olches unterla&#x017F;&#x017F;en; wo-<lb/>
durch Chabrias &#x017F;eine unterla&#x017F;&#x017F;ene Verfolgung<lb/>
der ge&#x017F;chlagenen Spartaner ent&#x017F;chuldiget; Und<lb/>
der &#x017F;on&#x017F;t von Natur &#x017F;o grau&#x017F;ame Hannibal ha&#x0364;t-<lb/>
te die Ro&#x0364;mer &#x017F;orgfa&#x0364;ltig beerdigen la&#x017F;&#x017F;en. Die<lb/>
Deut&#x017F;chen wu&#x0364;rden &#x017F;ich mit dem Schandflecke<lb/>
der Parther und Nabatheer zuver&#x017F;ichtlich nicht<lb/>
beflecken/ welche aller wohl ge&#x017F;itteten Vo&#x0364;lcker<lb/><cb/>
Fluch verdienten/ daß die er&#x017F;ten die Magen<lb/>
der Wo&#x0364;lffe und Raubvo&#x0364;gel zu Sa&#x0364;rgen ihrer<lb/>
Todten werden lie&#x017F;&#x017F;en/ und hernach er&#x017F;t die nack-<lb/>
ten Gebeine begru&#x0364;ben; die andern aber ihre Lei-<lb/>
chen den Mi&#x017F;thauffen wiedmeten. Auch trau-<lb/>
ten &#x017F;ie ihnen nicht zu/ daß &#x017F;ie/ wie die Scythen/<lb/>
des Varus Leiche zum ver&#x017F;pei&#x017F;en verlangten.<lb/>
Des gro&#x017F;&#x017F;en Alexanders Vater ha&#x0364;tte dadurch<lb/>
&#x017F;einen Ruhm nicht wenig verkleinert/ daß er<lb/>
nicht nur die Gefangenen/ &#x017F;ondern auch die er-<lb/>
&#x017F;chlagenen Thebaner verkaufft/ und auff ihre<lb/>
Begra&#x0364;bniße einen Zoll ge&#x017F;chlagen. Wolten<lb/>
&#x017F;ie denen andern todten Ro&#x0364;mern die Ruhe im<lb/>
Grabe nicht go&#x0364;nnen/ &#x017F;olten &#x017F;ie &#x017F;olche doch einem<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter und Feldherrn nicht<lb/>
verweigern. Und da ihn &#x017F;eine Wu&#x0364;rde de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht fa&#x0364;hig machte/ ha&#x0364;tte er &#x017F;olches durch &#x017F;eine<lb/>
letzte Großmu&#x0364;thigkeit nichts minder als De-<lb/>
mo&#x017F;thenes verdient; welcher von den &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
erbitterten Syracu&#x017F;iern nur deßwegen ehrlich<lb/>
begraben worden wa&#x0364;re/ daß er nach verlohrnem<lb/>
Kriegs-Heere mehr Hertz als Nicias bezeuget/<lb/>
indem er durch &#x017F;ein eigen Schwerdt ihm &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
vom Leben und aus der Dien&#x017F;tbarkeit geholffen.<lb/>
Auch wa&#x0364;re des Varus Leiche die&#x017F;er wenige<lb/>
Sand &#x017F;o vielweniger zu mißgo&#x0364;nnen/ nachdem<lb/>
ihm ohnediß nicht die letzte Pflicht nach Ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;cher Art durch Eina&#x0364;&#x017F;cherung des Leibes ge-<lb/>
&#x017F;chehen ko&#x0364;nte. Se&#x017F;itach fuhr den Mu&#x017F;tonius<lb/>
an/ Varus wa&#x0364;re der Erde nicht werth/ und &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;olten al&#x017F;ofort ihn aus&#x017F;charren. Zumahl die&#x017F;e<lb/>
Ein&#x017F;charrung ohne diß nicht den Ro&#x0364;mern ge-<lb/>
ma&#x0364;ß &#x017F;eyn &#x017F;olte. Ha&#x0364;tte doch Sylla bey Anien<lb/>
des Marius A&#x017F;che nicht unbeirret gela&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;on-<lb/>
dern auffs &#x017F;chimpfflich&#x017F;te zer&#x017F;treuet. Die&#x017F;em<lb/>
begegnete der andere Ro&#x0364;mer Qvintus Julius<lb/>
Po&#x017F;thumus/ des beru&#x0364;hmten Landvogts in Dal-<lb/>
matien Sohn: Die Verbrennung wa&#x0364;re bey<lb/>
den Ro&#x0364;mern keine unvera&#x0364;nderliche Nothwen-<lb/>
digkeit. Das edle Ge&#x017F;chlechte der Cornelier<lb/>
ha&#x0364;tte au&#x017F;&#x017F;er dem Sylla &#x017F;ich unver&#x017F;ehrt in die<lb/>
fri&#x017F;che Erde legen la&#x017F;&#x017F;en. Sie ha&#x0364;tten weder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o viel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0111] Arminius und Thußnelda. und wie ieder unter ihnen freudig zu erzehlen wuſte/ wo einer und der andere getroffen; wo es am ſchaͤrffſten hergegangen; wo die Roͤmer am erſten gewichen; wo Segeſthes gefallen waͤre; alſo geriethen ſie endlich auch auff die Stelle/ wo ſich Qvintilius Varus verzweiffeln- de ſelbſt hingerichtet hatte/ funden aber daſelbſt zwey Roͤmiſche Kriegsknechte/ welche eine Gru- be zuſcharreten/ und auff bedraͤuliche Befra- gung um ihr Vornehmen/ zur Antwort ga- ben: Sie waͤren in der Schlacht von empfan- gen Wunden fuͤr todt liegen blieben/ als ſie aber nach ihrer Ohnmacht wieder zu ſich ſelbſt kom- men waͤren/ haͤtten ſie den zwar enthaupteten Leib ihres Feldherrn erkennet/ und ihrer Pflicht zu ſeyn erachtet/ theils mit etlichen zerbrochenen Degen/ theils mit ihren eigenen Naͤgeln ein Grab zu ſcharren/ und/ nachdem auch die A- meiſen und Bienen ihre Todten begruͤben/ ihn zu beerdigen. Die Fuͤrſten lobten zwar ihre Froͤmmigkeit; ſonderlich/ da ſie fuͤr Schwach- heit wegen des ſo viel weggelaſſenen Blutes nicht ſelbſt auff den Fuͤſſen zu ſtehen vermochten; Fuͤrſt Seſitach aber war der erſte/ der dem Fein- de dieſe Begraͤbnuͤß-Ehre zu goͤnnen wider- rieth. Als ſie nun befehlicht worden den Leich- nam wieder auszugraben/ verſetzte einer unter ihnen Muſtonius: die Feinde pflegten ja auch den Todten eine Hand voll Erde den Hafen deß entſeelten Leibes zu goͤnnen. Die Heleer haͤtten fuͤr unmenſchlich und fuͤr eine Verletzung des Voͤlckerrechts gehalten/ wenn man die tod- ten Feinde nicht begruͤbe. Bey denen Atheni- enſern waͤren die Heerfuͤhrer zum Tode ver- dammet worden/ die ſolches unterlaſſen; wo- durch Chabrias ſeine unterlaſſene Verfolgung der geſchlagenen Spartaner entſchuldiget; Und der ſonſt von Natur ſo grauſame Hannibal haͤt- te die Roͤmer ſorgfaͤltig beerdigen laſſen. Die Deutſchen wuͤrden ſich mit dem Schandflecke der Parther und Nabatheer zuverſichtlich nicht beflecken/ welche aller wohl geſitteten Voͤlcker Fluch verdienten/ daß die erſten die Magen der Woͤlffe und Raubvoͤgel zu Saͤrgen ihrer Todten werden lieſſen/ und hernach erſt die nack- ten Gebeine begruͤben; die andern aber ihre Lei- chen den Miſthauffen wiedmeten. Auch trau- ten ſie ihnen nicht zu/ daß ſie/ wie die Scythen/ des Varus Leiche zum verſpeiſen verlangten. Des groſſen Alexanders Vater haͤtte dadurch ſeinen Ruhm nicht wenig verkleinert/ daß er nicht nur die Gefangenen/ ſondern auch die er- ſchlagenen Thebaner verkaufft/ und auff ihre Begraͤbniße einen Zoll geſchlagen. Wolten ſie denen andern todten Roͤmern die Ruhe im Grabe nicht goͤnnen/ ſolten ſie ſolche doch einem Roͤmiſchen Buͤrgermeiſter und Feldherrn nicht verweigern. Und da ihn ſeine Wuͤrde deſſen nicht faͤhig machte/ haͤtte er ſolches durch ſeine letzte Großmuͤthigkeit nichts minder als De- moſthenes verdient; welcher von den ſonſt ſo ſehr erbitterten Syracuſiern nur deßwegen ehrlich begraben worden waͤre/ daß er nach verlohrnem Kriegs-Heere mehr Hertz als Nicias bezeuget/ indem er durch ſein eigen Schwerdt ihm ſelbſt vom Leben und aus der Dienſtbarkeit geholffen. Auch waͤre des Varus Leiche dieſer wenige Sand ſo vielweniger zu mißgoͤnnen/ nachdem ihm ohnediß nicht die letzte Pflicht nach Roͤmi- ſcher Art durch Einaͤſcherung des Leibes ge- ſchehen koͤnte. Seſitach fuhr den Muſtonius an/ Varus waͤre der Erde nicht werth/ und ſie ſolten alſofort ihn ausſcharren. Zumahl dieſe Einſcharrung ohne diß nicht den Roͤmern ge- maͤß ſeyn ſolte. Haͤtte doch Sylla bey Anien des Marius Aſche nicht unbeirret gelaſſen/ ſon- dern auffs ſchimpfflichſte zerſtreuet. Dieſem begegnete der andere Roͤmer Qvintus Julius Poſthumus/ des beruͤhmten Landvogts in Dal- matien Sohn: Die Verbrennung waͤre bey den Roͤmern keine unveraͤnderliche Nothwen- digkeit. Das edle Geſchlechte der Cornelier haͤtte auſſer dem Sylla ſich unverſehrt in die friſche Erde legen laſſen. Sie haͤtten weder ſo viel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/111
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/111>, abgerufen am 23.11.2024.