Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Erstes Buch [Spaltenumbruch]
so viel Kräffte noch Leichtsinnigkeit den Beer-digten auszuscharren/ und ihr gutes Werck nu- mehr mit einem ärgern Laster zu besudeln. Bey den Römern und allen wohlgesitteten Völckern wären die Begräbniße heilig. Die Mutter aller irrdischen Dinge bezeugte so denn/ wenn sie den Menschen von der Natur absonderte/ allererst ihre gröste Mutter-Liebe/ weil sie die Leichen durch ihre Bedeckung unversehrlich machte. Sie würden ihnen hierdurch nicht geringern Zorn und Straffe der Götter auff den Hals ziehen als Creon/ welcher den Häemon seinen Sohn auff dem Grabe seiner verlobten Antigone sich selbst ermorden/ seine Gemahlin Eurydice sich eigenhändig hinrichten/ und sich selbst in höchster Verzweiffelung hätte sehen müs- sen/ weil er die Leiche deß vom Eteocles erlegten Polynices wieder ausscharren/ die ihn begra- bende Antigone aber in eine Höle lebendig ein- mauern lassen. Der sonst in allem so glückse- lige Sylla wäre darinnen allein unglückselig gewest/ daß er des Marius beerdigten Cörper ausgegraben/ seinen Kopff zu offentlicher Schau auffgestellet/ und dadurch nicht allein seinen Ruhm besudelt/ sondern seine Leiche auch wi- der des Cornelischen Geschlechts Begräbniß- Art/ aus Beysorge ebenmäßiger Ausscharrung/ hätte verbrennen lassen müssen. Wolte man aber den wenigen Sand um ein Stück Gol- des verkauffen/ würde selbtes nicht mangeln. Ja da Cimon die Freyheit seines im Kercker verschmachteten Vaters Leiche zu beerdigen sich in sein Gefängniß und Fessel schliessen lassen; Sie aber keine Freyheit um ihres Feldherrn Leiche zu kauffen übrig hätten/ were er erbötig mit seinem Leben auch seine Beerdigung zu ent- behren/ wenn nur des Varus ohne diß durch den abgerissenen Kopff genugsam beschimpffte Leiche nicht wieder ans Tagelicht kommen dörf- te. Hertzog Herrmann nahm die tugendhaffte Entschlüssung dieser zweyen Römer wohl auff/ entbürdete sie der anbefohlnen Ausgrabung/ und [Spaltenumbruch] befahl: daß sie in ihrer Gefangenschafft ehrlich gehalten/ und von der Ausgrabung des Va- rus verschonet werden solten; ob schon die Rö- mer weder die Gräber noch die Leichen ihrer Feinde/ noch auch ihre eigene Grabmahle/ wo das Haupt nicht läge/ für heilig hielten. Ob nun wohl des Varus Leiche dergestalt unauff- gescharret blieb/ so ward doch selbte von dem nach- ziehenden ergrimmten Kriegs-Volcke/ und zwar meist auff Anstifftung des Fürsten Sesi- tachs ausgegraben/ und auff einem Karne mit fort geschleppt. Denen andern in der Schlacht umkommenen ward das beste zur Beute abge- nommen/ und blieben ihre Leichen zwischen den erschlagenen Pferden und zertrümmerten Waf- fen unbeerdigt liegen. Die aber/ welche von denen Deutschen in der Schlacht geblieben wa- ren/ wurden von ihren Befreundeten oder Ge- ferthen auffgehoben/ auff unterschiedenen auff- gerichteten hohen Holtzstössen nebst ihren Pfer- den und Waffen nach ihrer Lands-Art verbren- net/ und ihre Asche hernach beerdigt. Wiewohl auch viel Leichen hohen Standes von der Wall- statt zu herrlicherm Begräbnis-Gepränge weggeführet wurden. Die Deutschen/ welche der Feldherr zu Bewachung der Wallstatt ver- lassen hatte/ betheurten einmüthig/ daß bey der Abends-Demmerung die erschlagenen Todten sich auffgerichtet/ und auffs neue mit einander die gantze Nacht durch geschlagen hätten/ gleich als wenn ihre Verbitterung sich nicht an einem Tode vergnügen könte. Ja es ereignete sich bey Absonderung der Todten/ daß ihrer unter- schiedene/ welche auff oder nahe an einander la- gen/ einander in dem letzten Grimme Nasen und Finger abgebissen hatten. Der Feldherr war noch eine halbe Meil- ihre
Erſtes Buch [Spaltenumbruch]
ſo viel Kraͤffte noch Leichtſinnigkeit den Beer-digten auszuſcharren/ und ihr gutes Werck nu- mehr mit einem aͤrgern Laſter zu beſudeln. Bey den Roͤmern und allen wohlgeſitteten Voͤlckern waͤren die Begraͤbniße heilig. Die Mutter aller irrdiſchen Dinge bezeugte ſo denn/ wenn ſie den Menſchen von der Natur abſonderte/ allererſt ihre groͤſte Mutter-Liebe/ weil ſie die Leichen durch ihre Bedeckung unverſehrlich machte. Sie wuͤrden ihnen hierdurch nicht geringern Zorn und Straffe der Goͤtter auff den Hals ziehen als Creon/ welcher den Haͤemon ſeinen Sohn auff dem Grabe ſeiner verlobten Antigone ſich ſelbſt ermorden/ ſeine Gemahlin Eurydice ſich eigenhaͤndig hinrichten/ und ſich ſelbſt in hoͤchſter Verzweiffelung haͤtte ſehen muͤſ- ſen/ weil er die Leiche deß vom Eteocles erlegten Polynices wieder ausſcharren/ die ihn begra- bende Antigone aber in eine Hoͤle lebendig ein- mauern laſſen. Der ſonſt in allem ſo gluͤckſe- lige Sylla waͤre darinnen allein ungluͤckſelig geweſt/ daß er des Marius beerdigten Coͤrper ausgegraben/ ſeinen Kopff zu offentlicher Schau auffgeſtellet/ und dadurch nicht allein ſeinen Ruhm beſudelt/ ſondern ſeine Leiche auch wi- der des Corneliſchen Geſchlechts Begraͤbniß- Art/ aus Beyſorge ebenmaͤßiger Ausſcharrung/ haͤtte verbrennen laſſen muͤſſen. Wolte man aber den wenigen Sand um ein Stuͤck Gol- des verkauffen/ wuͤrde ſelbtes nicht mangeln. Ja da Cimon die Freyheit ſeines im Kercker verſchmachteten Vaters Leiche zu beerdigen ſich in ſein Gefaͤngniß und Feſſel ſchlieſſen laſſen; Sie aber keine Freyheit um ihres Feldherrn Leiche zu kauffen uͤbrig haͤtten/ were er erboͤtig mit ſeinem Leben auch ſeine Beerdigung zu ent- behren/ wenn nur des Varus ohne diß durch den abgeriſſenen Kopff genugſam beſchimpffte Leiche nicht wieder ans Tagelicht kommen doͤrf- te. Hertzog Herrmann nahm die tugendhaffte Entſchluͤſſung dieſer zweyen Roͤmer wohl auff/ entbuͤrdete ſie deꝛ anbefohlnen Ausgrabung/ und [Spaltenumbruch] befahl: daß ſie in ihrer Gefangenſchafft ehrlich gehalten/ und von der Ausgrabung des Va- rus verſchonet werden ſolten; ob ſchon die Roͤ- mer weder die Graͤber noch die Leichen ihrer Feinde/ noch auch ihre eigene Grabmahle/ wo das Haupt nicht laͤge/ fuͤr heilig hielten. Ob nun wohl des Varus Leiche dergeſtalt unauff- geſcharꝛet blieb/ ſo ward doch ſelbte von dem nach- ziehenden ergrimmten Kriegs-Volcke/ und zwar meiſt auff Anſtifftung des Fuͤrſten Seſi- tachs ausgegraben/ und auff einem Karne mit fort geſchleppt. Denen andern in der Schlacht umkommenen ward das beſte zur Beute abge- nommen/ und blieben ihre Leichen zwiſchen den erſchlagenen Pferden und zertruͤmmerten Waf- fen unbeerdigt liegen. Die aber/ welche von denen Deutſchen in der Schlacht geblieben wa- ren/ wurden von ihren Befreundeten oder Ge- ferthen auffgehoben/ auff unterſchiedenen auff- gerichteten hohen Holtzſtoͤſſen nebſt ihren Pfer- den und Waffen nach ihrer Lands-Art verbren- net/ und ihre Aſche hernach beerdigt. Wiewohl auch viel Leichen hohen Standes von der Wall- ſtatt zu herrlicherm Begraͤbnis-Gepraͤnge weggefuͤhret wurden. Die Deutſchen/ welche der Feldherr zu Bewachung der Wallſtatt ver- laſſen hatte/ betheurten einmuͤthig/ daß bey der Abends-Demmerung die erſchlagenen Todten ſich auffgerichtet/ und auffs neue mit einander die gantze Nacht durch geſchlagen haͤtten/ gleich als wenn ihre Verbitterung ſich nicht an einem Tode vergnuͤgen koͤnte. Ja es ereignete ſich bey Abſonderung der Todten/ daß ihrer unter- ſchiedene/ welche auff oder nahe an einander la- gen/ einander in dem letzten Grimme Naſen und Finger abgebiſſen hatten. Der Feldherr war noch eine halbe Meil- ihre
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Erſtes Buch
ſo viel Kraͤffte noch Leichtſinnigkeit den Beer-
digten auszuſcharren/ und ihr gutes Werck nu-
mehr mit einem aͤrgern Laſter zu beſudeln. Bey
den Roͤmern und allen wohlgeſitteten Voͤlckern
waͤren die Begraͤbniße heilig. Die Mutter
aller irrdiſchen Dinge bezeugte ſo denn/ wenn
ſie den Menſchen von der Natur abſonderte/
allererſt ihre groͤſte Mutter-Liebe/ weil ſie die
Leichen durch ihre Bedeckung unverſehrlich
machte. Sie wuͤrden ihnen hierdurch nicht
geringern Zorn und Straffe der Goͤtter auff
den Hals ziehen als Creon/ welcher den Haͤemon
ſeinen Sohn auff dem Grabe ſeiner verlobten
Antigone ſich ſelbſt ermorden/ ſeine Gemahlin
Eurydice ſich eigenhaͤndig hinrichten/ und ſich
ſelbſt in hoͤchſter Verzweiffelung haͤtte ſehen muͤſ-
ſen/ weil er die Leiche deß vom Eteocles erlegten
Polynices wieder ausſcharren/ die ihn begra-
bende Antigone aber in eine Hoͤle lebendig ein-
mauern laſſen. Der ſonſt in allem ſo gluͤckſe-
lige Sylla waͤre darinnen allein ungluͤckſelig
geweſt/ daß er des Marius beerdigten Coͤrper
ausgegraben/ ſeinen Kopff zu offentlicher Schau
auffgeſtellet/ und dadurch nicht allein ſeinen
Ruhm beſudelt/ ſondern ſeine Leiche auch wi-
der des Corneliſchen Geſchlechts Begraͤbniß-
Art/ aus Beyſorge ebenmaͤßiger Ausſcharrung/
haͤtte verbrennen laſſen muͤſſen. Wolte man
aber den wenigen Sand um ein Stuͤck Gol-
des verkauffen/ wuͤrde ſelbtes nicht mangeln.
Ja da Cimon die Freyheit ſeines im Kercker
verſchmachteten Vaters Leiche zu beerdigen ſich
in ſein Gefaͤngniß und Feſſel ſchlieſſen laſſen;
Sie aber keine Freyheit um ihres Feldherrn
Leiche zu kauffen uͤbrig haͤtten/ were er erboͤtig
mit ſeinem Leben auch ſeine Beerdigung zu ent-
behren/ wenn nur des Varus ohne diß durch
den abgeriſſenen Kopff genugſam beſchimpffte
Leiche nicht wieder ans Tagelicht kommen doͤrf-
te. Hertzog Herrmann nahm die tugendhaffte
Entſchluͤſſung dieſer zweyen Roͤmer wohl auff/
entbuͤrdete ſie deꝛ anbefohlnen Ausgrabung/ und
befahl: daß ſie in ihrer Gefangenſchafft ehrlich
gehalten/ und von der Ausgrabung des Va-
rus verſchonet werden ſolten; ob ſchon die Roͤ-
mer weder die Graͤber noch die Leichen ihrer
Feinde/ noch auch ihre eigene Grabmahle/ wo
das Haupt nicht laͤge/ fuͤr heilig hielten. Ob
nun wohl des Varus Leiche dergeſtalt unauff-
geſcharꝛet blieb/ ſo ward doch ſelbte von dem nach-
ziehenden ergrimmten Kriegs-Volcke/ und
zwar meiſt auff Anſtifftung des Fuͤrſten Seſi-
tachs ausgegraben/ und auff einem Karne mit
fort geſchleppt. Denen andern in der Schlacht
umkommenen ward das beſte zur Beute abge-
nommen/ und blieben ihre Leichen zwiſchen den
erſchlagenen Pferden und zertruͤmmerten Waf-
fen unbeerdigt liegen. Die aber/ welche von
denen Deutſchen in der Schlacht geblieben wa-
ren/ wurden von ihren Befreundeten oder Ge-
ferthen auffgehoben/ auff unterſchiedenen auff-
gerichteten hohen Holtzſtoͤſſen nebſt ihren Pfer-
den und Waffen nach ihrer Lands-Art verbren-
net/ und ihre Aſche hernach beerdigt. Wiewohl
auch viel Leichen hohen Standes von der Wall-
ſtatt zu herrlicherm Begraͤbnis-Gepraͤnge
weggefuͤhret wurden. Die Deutſchen/ welche
der Feldherr zu Bewachung der Wallſtatt ver-
laſſen hatte/ betheurten einmuͤthig/ daß bey der
Abends-Demmerung die erſchlagenen Todten
ſich auffgerichtet/ und auffs neue mit einander
die gantze Nacht durch geſchlagen haͤtten/ gleich
als wenn ihre Verbitterung ſich nicht an einem
Tode vergnuͤgen koͤnte. Ja es ereignete ſich
bey Abſonderung der Todten/ daß ihrer unter-
ſchiedene/ welche auff oder nahe an einander la-
gen/ einander in dem letzten Grimme Naſen
und Finger abgebiſſen hatten.
Der Feldherr war noch eine halbe Meil-
weges von Deutſchburg entfernet/ als ihm ei-
ne groſſe Menge Volcks entgegen kam. Zu-
foͤrderſt gingen die Barden und die heilige Auri-
nia mit fuͤnffhundert edlen Jungfrauen. Jene
waren mit langen weiſſen Kleidern angethan/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/112>, abgerufen am 16.07.2024. |