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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] auch kein Land alles nothwendige zeuget/ und
derogestalt sonder Armuth schwerlich leben kan;
weiß ich nicht: Ob diß Gesetze den Catten heil-
sam seyn könne. Malovend antwortete: die
der Natur gemäß lebenden/ und also mit weni-
gen vor lieb nehmenden Catten halten die Kauf-
mannschafft allerdinges für ein schädliches
Ding; welches nicht so viel fremde Waaren als
schädliche Sitten einführte/ und die Gemüther
mit Geitz und Betrug vergifftete. Ja ich kan
versichern: daß unter diesem Volcke ihrer viel
seyn/ welche sich mit dem Zerstörer der Städte
Numantia und Carthago Scipio Emilius rüh-
men können: daß sie ihr Lebtage nichts gekaufft
noch verkaufft haben. Welches mir keine ge-
meine Glückseligkeit/ ja das handeln mit der
Deutschen Aufrichtigkeit fast nicht verträglich
zu seyn scheinet. Sintemahl der Käuffer und
Verkäuffer gleichsam für eine Tugend und
Geschickligkeit/ oder für eine Eigenschafft ihres
Gewerbs halten/ wenn dieser seine Wahre zu
theuer/ jener sein Geld zu hoch anwehret/ und
einer den andern vervortheilt; Gleich als wenn
die Klugheit verpflichtet wäre der Gerechtigkeit
ein Bein unterzuschlagen. Denn es wird
schwerlich mehr ein Quintus Scevola gefun-
den/ der für einen Acker seines Werths mehr
giebt/ als er ihm geboten wird. Wiewol nun
diese Mängel freylich nur Mißbräuche der
Handlung sind; so lassen sie sich doch durch kei-
ne menschliche Vorsicht davon absondern. Da-
her Anacharsis über dem zu Athen gemachten
Gesetze/ welches alle Lügen auf öffentlichem
Marckte auffs schärffste verbot/ auch zu seiner
Beobachtung absondere Richter hatte/ lachen
muste; weil nirgends unverschämter/ als auff
eben dem Marckte gelogen würde. Plato hätte
zwar auch alle Schwüre/ und das Uberbieten
der Waare/ Aristonicus die ungleiche Ver-
kauffung einerley Dinges verboten/ aber bey-
de Gesetze wären schier eher ab/ als aufkommen.
Nebst diesem hätten die Catten wol freylich eini-
[Spaltenumbruch] ge absondere Bedencken hierbey. Denn der
Adel wäre bey ihnen so starck/ als fast in keinem
andern Lande. Daher wolte dieser die Hand-
lung keines Weges aufkommen lassen; entwe-
der/ weil er selbter als einem verkleinerlichen
Fürhaben gram ist/ oder dem Pöfel grösseres
Reichthum/ welches die Handlung zu wege
bringt/ den Glantz des Adels aber verdüstert/
mißgönnet. Zeno versetzte: Jch weiß wol:
daß in den meisten Ländern nicht nur die gerin-
ge Krämerey/ sondern auch kostbare Stück-
handlung den Adel anstincket; da er sich doch
beym Land-Leben mit schlechterem Kramern zu
verunreinigen nicht schämet. Jch erinnere
mich auch: daß zu Rom anfangs den Raths-
Herren einig Gewerbe zu treiben unanständig/
und zu Thebe Kaufleuten einig hohes Ampt zu
verwalten durch ein Gesetze verschrenckt war.
Alleine die Herrschsücht- und argwöhnischen
Herrscher haben dieser herrlichen und nützlichen
Nahrung eine so schwartze Farbe angestrichen;
wormit der Adel dardurch entweder nicht zu
reich/ oder von Ubung der zu Vertheidigung
des Landes nöthiger Waffen abgezogen wür-
de; so gar: daß bey etlichen Völckern das han-
deln schimpflich/ Morden und Rauben aber A-
delich ist. Alleine an ihr selbst ist die Handlung
ein unschätzbares Wesen/ welches die Spann-
Adern des Krieges/ und den Uberfluß des Frie-
dens verschafft; kleine Länder mächtiger/ als
weit umschweiffige Reiche macht; also: daß der
grosse Alexander mit Bezwingung der Handel-
Stadt Tyrus mehr/ als mit dem Persischen
Reiche/ Rom mit Carthago länger/ als mit dem
übrigen Theile der Welt zu schaffen gehabt hat.
Dieser zwey Städte Seele aber war die Hand-
lung; ihre Kaufleute Fürsten; und der Adel
trieb daselbst sonder einige Besudelung fast al-
leine das Gewerbe. Die Grichen hielten es
eben so wenig für verkleinerlich; und der vom
Jason aus Colchis geholete güldene Wider deu-
tete nichts/ als die Handlung/ und das unter

die
S s s s s s 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] auch kein Land alles nothwendige zeuget/ und
derogeſtalt ſonder Armuth ſchwerlich leben kan;
weiß ich nicht: Ob diß Geſetze den Catten heil-
ſam ſeyn koͤnne. Malovend antwortete: die
der Natur gemaͤß lebenden/ und alſo mit weni-
gen voꝛ lieb nehmenden Catten halten die Kauf-
mannſchafft allerdinges fuͤr ein ſchaͤdliches
Ding; welches nicht ſo viel fremde Waaren als
ſchaͤdliche Sitten einfuͤhrte/ und die Gemuͤther
mit Geitz und Betrug vergifftete. Ja ich kan
verſichern: daß unter dieſem Volcke ihrer viel
ſeyn/ welche ſich mit dem Zerſtoͤrer der Staͤdte
Numantia und Carthago Scipio Emilius ruͤh-
men koͤnnen: daß ſie ihr Lebtage nichts gekaufft
noch verkaufft haben. Welches mir keine ge-
meine Gluͤckſeligkeit/ ja das handeln mit der
Deutſchen Aufrichtigkeit faſt nicht vertraͤglich
zu ſeyn ſcheinet. Sintemahl der Kaͤuffer und
Verkaͤuffer gleichſam fuͤr eine Tugend und
Geſchickligkeit/ oder fuͤr eine Eigenſchafft ihres
Gewerbs halten/ wenn dieſer ſeine Wahre zu
theuer/ jener ſein Geld zu hoch anwehret/ und
einer den andern vervortheilt; Gleich als wenn
die Klugheit verpflichtet waͤre der Gerechtigkeit
ein Bein unterzuſchlagen. Denn es wird
ſchwerlich mehr ein Quintus Scevola gefun-
den/ der fuͤr einen Acker ſeines Werths mehr
giebt/ als er ihm geboten wird. Wiewol nun
dieſe Maͤngel freylich nur Mißbraͤuche der
Handlung ſind; ſo laſſen ſie ſich doch durch kei-
ne menſchliche Vorſicht davon abſondern. Da-
her Anacharſis uͤber dem zu Athen gemachten
Geſetze/ welches alle Luͤgen auf oͤffentlichem
Marckte auffs ſchaͤrffſte verbot/ auch zu ſeiner
Beobachtung abſondere Richter hatte/ lachen
muſte; weil nirgends unverſchaͤmter/ als auff
eben dem Marckte gelogen wuͤrde. Plato haͤtte
zwar auch alle Schwuͤre/ und das Uberbieten
der Waare/ Ariſtonicus die ungleiche Ver-
kauffung einerley Dinges verboten/ aber bey-
de Geſetze waͤren ſchier eher ab/ als aufkommen.
Nebſt dieſem haͤtten die Catten wol freylich eini-
[Spaltenumbruch] ge abſondere Bedencken hierbey. Denn der
Adel waͤre bey ihnen ſo ſtarck/ als faſt in keinem
andern Lande. Daher wolte dieſer die Hand-
lung keines Weges aufkommen laſſen; entwe-
der/ weil er ſelbter als einem verkleinerlichen
Fuͤrhaben gram iſt/ oder dem Poͤfel groͤſſeres
Reichthum/ welches die Handlung zu wege
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mißgoͤnnet. Zeno verſetzte: Jch weiß wol:
daß in den meiſten Laͤndern nicht nur die gerin-
ge Kraͤmerey/ ſondern auch koſtbare Stuͤck-
handlung den Adel anſtincket; da er ſich doch
beym Land-Leben mit ſchlechterem Kramern zu
verunreinigen nicht ſchaͤmet. Jch erinnere
mich auch: daß zu Rom anfangs den Raths-
Herren einig Gewerbe zu treiben unanſtaͤndig/
und zu Thebe Kaufleuten einig hohes Ampt zu
verwalten durch ein Geſetze verſchrenckt war.
Alleine die Herrſchſuͤcht- und argwoͤhniſchen
Herrſcher haben dieſer herꝛlichen und nuͤtzlichen
Nahrung eine ſo ſchwartze Farbe angeſtrichen;
wormit der Adel dardurch entweder nicht zu
reich/ oder von Ubung der zu Vertheidigung
des Landes noͤthiger Waffen abgezogen wuͤr-
de; ſo gar: daß bey etlichen Voͤlckern das han-
deln ſchimpflich/ Morden und Rauben aber A-
delich iſt. Alleine an ihr ſelbſt iſt die Handlung
ein unſchaͤtzbares Weſen/ welches die Spann-
Adern des Krieges/ und den Uberfluß des Frie-
dens verſchafft; kleine Laͤnder maͤchtiger/ als
weit umſchweiffige Reiche macht; alſo: daß der
groſſe Alexander mit Bezwingung der Handel-
Stadt Tyrus mehr/ als mit dem Perſiſchen
Reiche/ Rom mit Carthago laͤnger/ als mit dem
uͤbrigen Theile der Welt zu ſchaffen gehabt hat.
Dieſer zwey Staͤdte Seele aber war die Hand-
lung; ihre Kaufleute Fuͤrſten; und der Adel
trieb daſelbſt ſonder einige Beſudelung faſt al-
leine das Gewerbe. Die Grichen hielten es
eben ſo wenig fuͤr verkleinerlich; und der vom
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1059[1061]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1123>, abgerufen am 23.11.2024.