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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Druyden beypflichten; und nunmehr nach dem
Beyspiele des Cheruskischen Fürsten Aem-
brichs der Barden und Eubagen Gottesdienst
vertilgen wollen. Denn der Verdacht in Glau-
bens-Sachen brauchet sich eines Schau-Gla-
ses/ welches nicht allein in andern Hertzen mehr
zu sehen zeiget/ als sie selbst gedencken/ sondern
auch die Spinnweben vergrössert; daß sie für
Ketten und Banden angesehen werden. Daher
machten die Marckmänner einen Auffstand
wieder die Stadthalter des Fürsten Britton/
unter dem Scheine: daß sie ihnen in ihrem
Gottesdienste etliche abergläubische Gebräu-
che der Hermundurer aufbürden wolten. Die
andern Ursachen aber waren: daß die Marck-
männer voriger Zeit/ ehe sie unter die Aleman-
nische und folgends die H[e]rmundurische Bot-
mäßigkeit verfallen waren/ eigene Hertzoge ge-
habt hatten; nunmehr aber denen Hermundu-
rern gehorsamen/ und unter dieser Nahmen
versteckt gleichsam erleschen musten. Jedoch
wäre diese ihr gemeines Wesen treffende Wun-
de noch verschmertzt worden/ und das Feuer
noch eine Weile unter der Asche verborgen blie-
ben/ wenn nicht König Britton eine Untersu-
chung verordnet hätte: Aus was für Recht ei-
ner oder der ander seine Güter besässe. Sinte-
mahl die in vorigem Kriege denen Druyden
abgenommene Ländereyen Vermöge Landes-
Schlusses dem Reichs-Vermögen einverleibt
werden solten/ derer viel aber der Adel entweder
eigenmächtig an sich gezogen/ oder die der alte
Britton etlichen auf Lebetage zu genüssen ver-
günstigt/ als ihr Eigenthum behalten hatten.
Wie er denn auch von einem Theile solcher Be-
sitzer ein grosses erpreste/ hiermit aber nichts
minder den Adel/ als Pöfel ihm aufsätzig mach-
te. Denn der Eigen-Nutz ist so ein fürnehmes
Theil am Menschen/ als Feuer und Wasser.
Daher er auch die dem gemeinen Wesen biß
ans Hertz gehende Wunden so nicht fühlet/ als
die blossen Anrührungen dieses seines Augapf-
[Spaltenumbruch] fels. Uber diß verstieß Britton darinnen: daß
das unwillige Volck durch Absonderung/ wie
die Bienen durch unter sie geworffenen Staub
zu trennen sind/ er bey denen Hermundurern
diesem Ubel zu steuern einen Land-Tag aus-
schrieb. Denn die Land-Boten stärckten die
Marckmänner ins gemein in ihrem Vorha-
ben; und veranlasten das Volck sich wieder die
Kriegs-Steuer zu beschweren/ welche Britton
zwar ohne ihre Einwilligung/ doch aus hoch-
dringender Noth angelegt hatte/ um die Grän-
tzen gegen die Semnoner zu besetzen/ welche
ihm das Eigenthum des Elbe-Stroms strittig
machten. Wiewol nun die Hermundurer ih-
rem Hertzoge wenig zu Willen waren/ brachte
er doch durch der Bastarnischen Druyden/ und
insonderheit ihres Oberhaupts in Brittannien
Vorschub/ weil die Königin sie der freyen U-
bung ihres Gottesdienstes versicherte/ wie auch
durch der meist den Druyden beypflichtenden
Sedusier Hülffe ein Kriegs-Heer auf die Bei-
ne/ und schickte es für Vorkehrung anderer si-
cherer Mittel wieder die Marckmänner; wel-
che noch zur Zeit weder unter einander einig/
noch so vermessen gewest waren/ sich öffentlich
wieder ihren Fürsten auffzulehnen; nunmehr
aber durch die Noth leicht unter einen Hut ge-
bracht wurden/ und den scheinbarsten Vor-
wand bekamen/ ihrer natürlichen Beschirmung
halber die Waffen zu ergreiffen. Vorher aber
hatte Britton schon zwey Fehler begangen;
einmahl: daß er die Rädelsführer/ ohne die das
Volck eine so gefährliche Schantze nie gewagt
haben würde/ nicht bey den Köpffen genommen
hatte; weil derogleichen Empörungen wie die
Flüsse/ ie weiter sie lauffen/ sich vergrössern; und
die anfängliche Furcht sich nach und nach in
Kühnheit verwandelt; andern theils: er seinen
nicht allerdinges unschuldigen Stadthaltern
allzuviel Recht gegeben; da doch diese ihres
Versehens halber billich; ja/ wenn die gemei-
ne Ruh durch diß Feg Opffer/ wie das wüten-

de

Siebendes Buch
[Spaltenumbruch] Druyden beypflichten; und nunmehr nach dem
Beyſpiele des Cheruskiſchen Fuͤrſten Aem-
brichs der Barden und Eubagen Gottesdienſt
vertilgen wollen. Denn der Verdacht in Glau-
bens-Sachen brauchet ſich eines Schau-Gla-
ſes/ welches nicht allein in andern Hertzen mehr
zu ſehen zeiget/ als ſie ſelbſt gedencken/ ſondern
auch die Spinnweben vergroͤſſert; daß ſie fuͤr
Ketten und Banden angeſehen werden. Daher
machten die Marckmaͤnner einen Auffſtand
wieder die Stadthalter des Fuͤrſten Britton/
unter dem Scheine: daß ſie ihnen in ihrem
Gottesdienſte etliche aberglaͤubiſche Gebraͤu-
che der Hermundurer aufbuͤrden wolten. Die
andern Urſachen aber waren: daß die Marck-
maͤnner voriger Zeit/ ehe ſie unter die Aleman-
niſche und folgends die H[e]rmunduriſche Bot-
maͤßigkeit verfallen waren/ eigene Hertzoge ge-
habt hatten; nunmehr aber denen Hermundu-
rern gehorſamen/ und unter dieſer Nahmen
verſteckt gleichſam erleſchen muſten. Jedoch
waͤre dieſe ihr gemeines Weſen treffende Wun-
de noch verſchmertzt worden/ und das Feuer
noch eine Weile unter der Aſche verborgen blie-
ben/ wenn nicht Koͤnig Britton eine Unterſu-
chung verordnet haͤtte: Aus was fuͤr Recht ei-
ner oder der ander ſeine Guͤter beſaͤſſe. Sinte-
mahl die in vorigem Kriege denen Druyden
abgenommene Laͤndereyen Vermoͤge Landes-
Schluſſes dem Reichs-Vermoͤgen einverleibt
werden ſolten/ derer viel aber der Adel entweder
eigenmaͤchtig an ſich gezogen/ oder die der alte
Britton etlichen auf Lebetage zu genuͤſſen ver-
guͤnſtigt/ als ihr Eigenthum behalten hatten.
Wie er denn auch von einem Theile ſolcher Be-
ſitzer ein groſſes erpreſte/ hiermit aber nichts
minder den Adel/ als Poͤfel ihm aufſaͤtzig mach-
te. Denn der Eigen-Nutz iſt ſo ein fuͤrnehmes
Theil am Menſchen/ als Feuer und Waſſer.
Daher er auch die dem gemeinen Weſen biß
ans Hertz gehende Wunden ſo nicht fuͤhlet/ als
die bloſſen Anruͤhrungen dieſes ſeines Augapf-
[Spaltenumbruch] fels. Uber diß verſtieß Britton darinnen: daß
das unwillige Volck durch Abſonderung/ wie
die Bienen durch unter ſie geworffenen Staub
zu trennen ſind/ er bey denen Hermundurern
dieſem Ubel zu ſteuern einen Land-Tag aus-
ſchrieb. Denn die Land-Boten ſtaͤrckten die
Marckmaͤnner ins gemein in ihrem Vorha-
ben; und veranlaſten das Volck ſich wieder die
Kriegs-Steuer zu beſchweren/ welche Britton
zwar ohne ihre Einwilligung/ doch aus hoch-
dringender Noth angelegt hatte/ um die Graͤn-
tzen gegen die Semnoner zu beſetzen/ welche
ihm das Eigenthum des Elbe-Stroms ſtrittig
machten. Wiewol nun die Hermundurer ih-
rem Hertzoge wenig zu Willen waren/ brachte
er doch durch der Baſtarniſchen Druyden/ und
inſonderheit ihres Oberhaupts in Brittannien
Vorſchub/ weil die Koͤnigin ſie der freyen U-
bung ihres Gottesdienſtes verſicherte/ wie auch
durch der meiſt den Druyden beypflichtenden
Seduſier Huͤlffe ein Kriegs-Heer auf die Bei-
ne/ und ſchickte es fuͤr Vorkehrung anderer ſi-
cherer Mittel wieder die Marckmaͤnner; wel-
che noch zur Zeit weder unter einander einig/
noch ſo vermeſſen geweſt waren/ ſich oͤffentlich
wieder ihren Fuͤrſten auffzulehnen; nunmehr
aber durch die Noth leicht unter einen Hut ge-
bracht wurden/ und den ſcheinbarſten Vor-
wand bekamen/ ihrer natuͤrlichen Beſchirmung
halber die Waffen zu ergreiffen. Vorher aber
hatte Britton ſchon zwey Fehler begangen;
einmahl: daß er die Raͤdelsfuͤhrer/ ohne die das
Volck eine ſo gefaͤhrliche Schantze nie gewagt
haben wuͤrde/ nicht bey den Koͤpffen genom̃en
hatte; weil derogleichen Empoͤrungen wie die
Fluͤſſe/ ie weiter ſie lauffen/ ſich vergroͤſſern; und
die anfaͤngliche Furcht ſich nach und nach in
Kuͤhnheit verwandelt; andern theils: er ſeinen
nicht allerdinges unſchuldigen Stadthaltern
allzuviel Recht gegeben; da doch dieſe ihres
Verſehens halber billich; ja/ wenn die gemei-
ne Ruh durch diß Feg Opffer/ wie das wuͤten-

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[1064[1066]/1128] Siebendes Buch Druyden beypflichten; und nunmehr nach dem Beyſpiele des Cheruskiſchen Fuͤrſten Aem- brichs der Barden und Eubagen Gottesdienſt vertilgen wollen. Denn der Verdacht in Glau- bens-Sachen brauchet ſich eines Schau-Gla- ſes/ welches nicht allein in andern Hertzen mehr zu ſehen zeiget/ als ſie ſelbſt gedencken/ ſondern auch die Spinnweben vergroͤſſert; daß ſie fuͤr Ketten und Banden angeſehen werden. Daher machten die Marckmaͤnner einen Auffſtand wieder die Stadthalter des Fuͤrſten Britton/ unter dem Scheine: daß ſie ihnen in ihrem Gottesdienſte etliche aberglaͤubiſche Gebraͤu- che der Hermundurer aufbuͤrden wolten. Die andern Urſachen aber waren: daß die Marck- maͤnner voriger Zeit/ ehe ſie unter die Aleman- niſche und folgends die Hermunduriſche Bot- maͤßigkeit verfallen waren/ eigene Hertzoge ge- habt hatten; nunmehr aber denen Hermundu- rern gehorſamen/ und unter dieſer Nahmen verſteckt gleichſam erleſchen muſten. Jedoch waͤre dieſe ihr gemeines Weſen treffende Wun- de noch verſchmertzt worden/ und das Feuer noch eine Weile unter der Aſche verborgen blie- ben/ wenn nicht Koͤnig Britton eine Unterſu- chung verordnet haͤtte: Aus was fuͤr Recht ei- ner oder der ander ſeine Guͤter beſaͤſſe. Sinte- mahl die in vorigem Kriege denen Druyden abgenommene Laͤndereyen Vermoͤge Landes- Schluſſes dem Reichs-Vermoͤgen einverleibt werden ſolten/ derer viel aber der Adel entweder eigenmaͤchtig an ſich gezogen/ oder die der alte Britton etlichen auf Lebetage zu genuͤſſen ver- guͤnſtigt/ als ihr Eigenthum behalten hatten. Wie er denn auch von einem Theile ſolcher Be- ſitzer ein groſſes erpreſte/ hiermit aber nichts minder den Adel/ als Poͤfel ihm aufſaͤtzig mach- te. Denn der Eigen-Nutz iſt ſo ein fuͤrnehmes Theil am Menſchen/ als Feuer und Waſſer. Daher er auch die dem gemeinen Weſen biß ans Hertz gehende Wunden ſo nicht fuͤhlet/ als die bloſſen Anruͤhrungen dieſes ſeines Augapf- fels. Uber diß verſtieß Britton darinnen: daß das unwillige Volck durch Abſonderung/ wie die Bienen durch unter ſie geworffenen Staub zu trennen ſind/ er bey denen Hermundurern dieſem Ubel zu ſteuern einen Land-Tag aus- ſchrieb. Denn die Land-Boten ſtaͤrckten die Marckmaͤnner ins gemein in ihrem Vorha- ben; und veranlaſten das Volck ſich wieder die Kriegs-Steuer zu beſchweren/ welche Britton zwar ohne ihre Einwilligung/ doch aus hoch- dringender Noth angelegt hatte/ um die Graͤn- tzen gegen die Semnoner zu beſetzen/ welche ihm das Eigenthum des Elbe-Stroms ſtrittig machten. Wiewol nun die Hermundurer ih- rem Hertzoge wenig zu Willen waren/ brachte er doch durch der Baſtarniſchen Druyden/ und inſonderheit ihres Oberhaupts in Brittannien Vorſchub/ weil die Koͤnigin ſie der freyen U- bung ihres Gottesdienſtes verſicherte/ wie auch durch der meiſt den Druyden beypflichtenden Seduſier Huͤlffe ein Kriegs-Heer auf die Bei- ne/ und ſchickte es fuͤr Vorkehrung anderer ſi- cherer Mittel wieder die Marckmaͤnner; wel- che noch zur Zeit weder unter einander einig/ noch ſo vermeſſen geweſt waren/ ſich oͤffentlich wieder ihren Fuͤrſten auffzulehnen; nunmehr aber durch die Noth leicht unter einen Hut ge- bracht wurden/ und den ſcheinbarſten Vor- wand bekamen/ ihrer natuͤrlichen Beſchirmung halber die Waffen zu ergreiffen. Vorher aber hatte Britton ſchon zwey Fehler begangen; einmahl: daß er die Raͤdelsfuͤhrer/ ohne die das Volck eine ſo gefaͤhrliche Schantze nie gewagt haben wuͤrde/ nicht bey den Koͤpffen genom̃en hatte; weil derogleichen Empoͤrungen wie die Fluͤſſe/ ie weiter ſie lauffen/ ſich vergroͤſſern; und die anfaͤngliche Furcht ſich nach und nach in Kuͤhnheit verwandelt; andern theils: er ſeinen nicht allerdinges unſchuldigen Stadthaltern allzuviel Recht gegeben; da doch dieſe ihres Verſehens halber billich; ja/ wenn die gemei- ne Ruh durch diß Feg Opffer/ wie das wuͤten- de

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 1064[1066]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/1128>, abgerufen am 23.11.2024.